Kölner Restaurant sucht Kellnerin Edita hat den X-Factor
10.11.2010, 13:08 Uhr
Von der Kellnerin zur Künstlerin!
Wenn Sie Edita Abdieski bei Google suchen, dann wird Ihnen schon nach der Eingabe von Edi angeboten: Edikte, Edinburgh, Edita Abdieski. Das nennt man wohl von Null auf Hundert. Denn alles, was bei anderen Casting-Shows falsch läuft, wurde bei X-Factor richtig gemacht.
Jetzt mal ehrlich: Vergessen Sie die Quote (sie war ja auch nicht wirklich schlecht). Qualität setzt sich durch, und das werden wir spätestens 2011 bemerken, wenn es weitergeht mit dem X Factor. Schließlich spricht es für die Intelligenz des Zuschauers, wenn er die Beste zur Gewinnerin wählt.
Dienstagabend: So, jetzt habe ich es mir mal auf meinem großen, edlen, aufgeräumten Designersofa gemütlich gemacht: Der Champagner ist kaltgestellt, die Zehennägel sind frisch lackiert und dem Personal hab ich frei gegeben, ich möchte nämlich in Ruhe fernsehen. Die Entscheidungsshow von X-Factor steht an, und ich will wissen, ob meine Favoritin gewinnen wird. Edita Abdieski - ich habe ja schon einige Male durchblicken lassen, dass ich diese 25-Jährige grandios finde. Nicht nur, weil sie der Schützling von Till Brönner ist, nein, weil eine wie sie jede Chance verdient hat.
Nun gut, die Vox-Leute könnten noch mal ein bisschen darüber nachdenken, ob man diese Privatgeschichten (Live-Schalte zum Hamster, Hinken an Krücken, Arztbesuche generell und Familientragödien sowieso) nicht einfach ganz oder fast ganz raushalten könnte. Denn eigentlich ist es unwichtig für den Zuschauer, ob ein Vater tot ist, der Bruder Hartz IV bekommt oder die Katze gerade sterilisiert wurde. Es reicht vollkommen aus, sich auf die Menschen IN der Show zu konzentrieren, denn hier werden Künstler gemacht! Rohdiamanten, die oftmals nur den letzten Schliff brauchen.
Jared Leto interessiert gerade gar nicht
Die erste Werbepause naht und ich öffne den Champagner. Eine Freundin simst, dass heute "30 Seconds To Mars" bei Stefan Raab sein werden. Pffh, excuse me, kann ja sein, aber das interessiert mich gerade gar nicht. Ich bin hin und weg von Editas Prinzessinnen-Auftritt. Sie singt "Run" – mit dem Song hat schon Leona Lewis Karriere gemacht, ihres Zeichens X-Factor-Gewinnerin aus Großbritannien – und man kann nur sagen: Gänsehaut. Till Brönner mal nicht an der Trompete, sondern am Klavier, die Sängerin in einem Traum von Kleid. Perfekt.
Nicht, dass Big Soul mit dem wirklich passenden Titel "That’s What Friends Are For“ schlecht sind. Nein, sie sind großartig, mit ihrem Mentor am Klavier, dem immer freundlichen und strahlenden George Glück (nomen est omen), aber hier entscheiden Kleinigkeiten. Und Edita "The Voice" Abdieski ist hier vielleicht einen "Mü" besser. Nach ihrer Performance ist selbst der coole Till gerührt und hat feuchte Augen. Ahnt er bereits, dass sein Schützling gewinnen wird? In den letzten Shows hatte er jedenfalls oft dieses kleine Lächeln nach Editas Auftritten gezeigt, das der Brönner-Kennerin besagte: Jetzt kann nichts mehr passieren, sie gewinnt so oder so.
Pop-Floh trifft große Stimmen
Die zweite Runde: Beide Finalisten singen mit einem Star. Zuerst Big Soul mit keiner geringeren als Shakira. Die Aufregung ist natürlich groß, leider merkt man das auch dem Auftritt an: Obwohl die quirlige Kolumbianerin (Achtung, "Bauer sucht Frau"-Texter, aufgepasst!) neben den "großen Seelen" aussieht wie ein Floh, ist ihre Stimme so groß und unverkennbar, dass das Damen-Quartett zu Statistinnen degradiert wird. Das ist schade, Till Brönner drückt es noch recht nett aus: "Ihr habt der Künstlerin Respekt erwiesen." Man könnte aber auch sagen, dass die Kleine die vier Mädels aus Hamburg regelrecht an die Wand singt. Das ist schade, das haben sie nicht verdient.
Alles kann besser werden
Edita hat es da schon besser getroffen: Ihr Duett-Partner ist Xavier Naidoo, und denkt man anfangs vielleicht, hm, der Xavier, na ja, ist man nachher ganz beeindruckt von seiner Höflichkeit, seiner Coolness und seinem Handkuss. Edita fragt ihn im Einspieler, ob sie ein bisschen was an seinem Song "Wo willst du hin?" verändern darf. Kein Problem für den erfolgsverwöhnten Vorzeige-Schmuse-Rapper. Und siehe da: Das Duett gelang so, als hätte er es nie allein gesungen. Naidoo war nach dem Auftritt beeindruckt: "Wo bist du nur die ganzen Jahre gewesen?", fragt er Edita, und Sarah Connor war mal wieder am Heulen, aber das kann nun wirklich jeder verstehen, der kein Herz aus Stein hat! Darauf ein Schlückchen!
Witzig ist dann ein Einspieler von "Best of X Factor - Hinter den Kulissen mit den Juroren", wo man sieht, wie gut die drei sich verstehen, wie viel Spaß sie haben, wie ernst sie ihre Rollen nehmen und wie schlagfertig sie sind: Einer japanischen Kandidatin, die beim Casting von über 19.000 Teilnehmern singt, sagt Till Brönner den einzigen Satz auf japanisch, den er kann: "Ich liebe dich, aber ich kann dich trotzdem nicht heiraten!", was in Bohlen-deutsch heißen würde: "Drei Mal nein!", was die Kandidatin in hysterisches Gekicher ausbrechen lässt und die anderen Juroren fassungslos macht. George Glück rühmt ganz bodenständig das Catering ("Das Essen hier war eigentlich immer lecker!“) und Sarah Connor wirkt entspannt und glücklich mit ihren beiden Herren.
Back for good
Nochmal zu den praktischen Aspekten: Kann schon sein, dass die Quote immer hinter "DSDS", "Supertalent" oder "Popstars" lag, aber kann das die einzige Richtlinie sein, wenn ansonsten alles stimmt? Wenn der Moderator (Jochen Schropp) so sympathisch ist, dass er sich selbst nie zu sehr in den Vordergrund spielt, wenn die Juroren so musikalisch sind, dass sie ihre Schützlinge auf ihrem Weg wirklich begleiten können und ihre Macht nicht dazu benutzen, sie runterzuputzen oder vor dem Publikum per Sprücheklopfen bloßzustellen, wenn die Kandidaten zum großen Teil wirklich was drauf haben und wenn der Zuschauer sich nicht ständig für blöd verkauft vorkommt. Wen interessiert da schon die Quote? Klar, etwas Persönliches kann natürlich gezeigt werden, aber die ganze Nummer mit "sich über Stotterer lustig machen", über Nerds lachen, die noch bei Mama wohnen oder Mädchen vorführen, die meinen, dass sie sexy sind, in Wirklichkeit aber peinlich rüberkommen – das alles erspart man sich bei VOX. Damit erspart man sich auch ein paar Zuschauer, aber kann man auf die nicht auch gut und gerne verzichten?
Zum Schluss singen nochmal die anderen Finalisten: "Back For Good" von Take That. Das klang wirklich gut, vielleicht machen ein paar der Teilnehmer auch Karriere, ohne Gewinner geworden zu sein. Für Edita geht es jetzt los: Plattenvertrag von Sony, ihre Single ist bereits kurz nach der Show zum Download bereit, ab Freitag in den Läden. Ihr Leben wird sich wahrscheinlich vollkommen verändern. Auch für Big Soul werden die Dinge sich ändern, sie sind ebenfalls Gewinner dieser Show. Die Juroren, von denen man noch nicht weiß, ob sie nächstes Jahr auch wieder mitmachen, werden wohl wieder ihrer ganz gewöhnlichen Arbeit nachgehen (oder verreisen). Ich muss jetzt zum Altglas-Container. Und ein Restaurant in Köln muss sich nun eine neue Kellnerin suchen - Edita Abdieskis Stelle ist frei.
Quelle: ntv.de