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Interview Assaf Gavron "Diese Typen sind mir sehr vertraut"

"Alles paletti" heißt eine Umzugsfirma in New York, bei der die jungen Israelis Jonsy, Schlomi und Izzi das schnelle Geld machen wollen und sich dabei gnadenlos übernehmen. Seine Romanfiguren zu zeichnen, fiel dem Autoren Assaf Gavron nicht schwer. Solche Burschen seien ihm und jedem der Israel kenne, sehr vertraut, sagte Gavron im Gespräch mit n-tv.de.

n-tv.de: Herr Gavron, Ihr jüngst in Deutschland veröffentlichtes Buch „Alles Paletti“ kam in Israel bereits 2003 auf den Markt, Jahre, bevor die hierzulande auch bekannten Romane „Ein schönes Attentat“ und „Hydromania“ erschienen. Wie kommt es, dass Ihr deutscher Verleger die Reihenfolge auf den Kopf gestellt hat? Hat es etwas damit zu tun, dass „Alles Paletti“ anders als die anderen Bücher keinen politischen Hintergrund hat?

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Assaf Gavron

Assaf Gavron: Ja, ich denke schon. Ich glaube, dass deutsche Verleger und Leser erwarten, dass sich israelische Autoren mit dem Nahost-Konflikt und der Politik beschäftigen. Einige meiner Bücher sind in der Tat politisch, weil ich glaube, dass das faszinierende und wichtige Themen sind, aber das sind längst nicht alle. In diesem Fall glaube ich, dass meine politischen Bücher für „Alles Paletti“ quasi den Weg geebnet haben.

Wie wurde denn „Alles Paletti“ bislang vom deutschen Publikum aufgenommen? Und welche Bücher lesen Ihre israelischen Leser lieber?

Bei den Lesungen hier in Deutschland lachen die Leute viel, es hat den Anschein, dass ihnen der Text wirklich Spaß macht. Was das mediale Echo betrifft, erhält “Alles Paletti” nicht die Aufmerksamkeit, die “Ein schönes Attentat” hier genossen hat – ich vermute, das liegt an diesem politischen Ding. In Israel war “Alles Paletti” mit Abstand mein bislang größter Erfolg.

Sind Sie über die Jahre mit Ihren Büchern politischer geworden?

Ich glaube, das sind Phasen. Als ich jünger war, wollte ich nicht, dass meine Bücher “israelisch” sind. Meine ersten drei Bücher spielten nicht in Israel – auch wenn die Hauptfiguren immer Israelis waren. Die folgenden drei Bücher waren sehr israelisch und politisch. Aber ich glaube, jetzt werde ich mir vielleicht eine Pause von dieser Geschichte gönnen. Es ist ein etwas schweres Paket…

“Alles Paletti” funktioniert wie ein amerikanischer Road Movie mit sehr israelischen Elementen. Wir erfahren, dass es in den 1990er Jahren alleine in New York etwa 50 Umzugsfirmen gab, die von Israelis geführt wurden – was ein wenig überraschend ist, weil man eher vermutet, dass die Software- oder IT-Branche interessant für Israelis im Ausland ist. Wieso ist ausgerechnet die Umzugsbranche so attraktiv?

In Israel ist es allgemein bekannt, dass die Umzugsbranche in New York fast komplett in israelischer Hand ist, obwohl es bis zum meinem Roman praktisch keine kulturelle Referenz dazu gab. Israelis haben einen guten Kopf, aber die jungen Männer, die ihren Armee-Dienst abgeleistet haben, haben auch Muskeln – und brauchen Geld. Wie das Buch zeigt, braucht man außerdem im Umzugsgeschäft auch Köpfchen, also glaube ich, dass es gut passt. Ich bin aber nicht absolut sicher, es kann reiner Zufall gewesen sein, der die Israelis in diese Branche getrieben hat. Vielleicht waren ein oder zwei Burschen hier erfolgreich und alle kamen hinterher.

Im Buch ist das Umzugsgeschäft mehr als ein simpler Job – es wird zu einer Philosophie. Sie haben selbst einmal als Umzugshelfer in den USA gearbeitet. Was kam zuerst? Der Job oder die Buchidee?

Ich hatte zuerst die Idee und suchte mir dann für Recherchezwecke einen entsprechenden Job. Also arbeitete ich im Wissen (oder in der Hoffnung), dass daraus ein Buch entsteht. Und ich bin der Meinung, wie bereits gesagt, dass man für das Umzugsgeschäft mehr braucht als Muskeln.

Ihre Romanfiguren Jonsy, Izzi und Chaim scheinen sehr “untypische” Israelis oder Juden zu sein. Sie sind nicht intellektuell, sie haben keinen Universitätsabschluss. Haben Sie die Romanfiguren absichtlich abseits aller Klischees beschrieben, oder was es nur natürlich, diese Art von Israelis zu beschreiben?

Es gibt definitiv diesen Typ Israeli. In Israel und in den USA. Nicht alle Israelis sind intellektuell, ich wünschte, sie wären es. Diese Art von jungen Typen – einfach, smart, aber nicht so smart, wie sie denken, hinterhältig und so weiter, ist mir, und jedem der Israel kennt, sehr vertraut.

Die Funktionsweise von einarmigen Banditen spielt eine große Rolle in dem Roman. Auch in Ihrem Roman “Hydromania” ist die Technik ein zentrales Element. Woher kommt die Faszination für Technik und wer hilft Ihnen bei der Recherche?

Auch in “Ein schönes Attentat” spielte die Technik eine Rolle – die Hauptfigur arbeitete in dieser High-Tech-Zeit-Firma. Technik ist für mich als Teil des Lebens und der Kultur in der wir leben, interessant und wenn ich einen zeitgenössischen Roman schreibe, ist sie Teil davon. Würde ich einen Krimi schreiben, wäre für mich derzeit die interessanteste Variante eines Verbrechens ein High-Tech-Verbrechen. Bei der Recherche nutze ich alles, was ich kriegen kann – Bücher, Dokumentationen, neue Geschichten und so weiter. Speziell bei den Glücksspielautomaten habe ich viel mit einem Freund gesprochen, der ein Vermögen mit Internet-Sicherheits-Technik gemacht hat. Zusammen haben wir uns eine realistische Möglichkeit ausgedacht, wie man Glücksspielautomaten hacken könnte.

Das Klimaphänomen El Nino, Bill Clinton und seine Affären, Celine Dion im Radio – “Alles Paletti” weckt jede Menge Erinnerungen an die 90er Jahre. Jetzt wird das Buch verfilmt, aber die Geschichte wird in die Gegenwart verlegt. Sind Sie mit der Änderung einverstanden?

Ja. Ich habe tatsächlich erst kürzlich das Buch wieder gelesen und über die Änderungen nachgedacht und sie sind definitiv möglich. Das Buch hat ein nettes 90er Jahre Ambiente, es ist eine etwas unschuldigere Welt, die die Anschläge des 09. September noch nicht gesehen hat,  eine nahezu “analoge” Zeit mit wenig Internet und Mobiltelefonie. Aber der Kern der Geschichte wird durch den Transfer nicht verändert – nur einige kulturelle und politische Referenzen und einiges an Technologie.

In den vergangenen Jahren waren junge Israelis fast überall auf der Welt anzutreffen – und Berlin ist glücklicherweise keine Ausnahme mehr. Was ist so speziell an Israelis im Ausland?

Es gibt viele verschiedene Gründe für Israelis ins Ausland zu gehen und es ist gefährlich hier zu generalisieren. Aber es gibt einige Gruppen, die man ausmachen kann. Das sind etwa die Jugendlichen, die nach dem Armeedienst lange Reisen machen oder sich einfache Jobs im Ausland suchen – unsere Umzugshelfer aus “Alles Paletti” gehören zu dieser Gruppe. Dann gibt es natürlich die Berufstätigen, die mitsamt ihren Familien aus beruflichen Gründen für einige Jahre ins Ausland gehen – Ärzte, High-Tech-Manager, Künstler usw.

Im Moment leben Sie selber in Berlin. Wie gefällt die Stadt Ihnen und Ihrer Familie? Und wird Berlin eines Tages vielleicht den Hintergrund für einen neuen Roman abgeben?

Wir mögen Berlin, es ist ein sehr interessantes Jahr mit jeder Menge Herausforderungen, was die Sprache, die Geschichte und so weiter angeht. Aber es ist auch schön, eine Pause von Israel zu machen und Berlin ist eine faszinierende Stadt. Vielleicht wird die Stadt eine Rolle in einem zukünftigen Roman spielen, ich weiß es noch nicht. 

Schreiben Sie denn gerade an einem neuen Roman?

Ja, der Roman, an dem ich gerade arbeite, ist eine Komödie über eine illegale Siedlung in der West Bank.

Mit Assaf Gavron sprach Samira Lazarovic

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Quelle: ntv.de

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