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"Winterkrieg" in Vorstadtidylle Eine schrecklich nette Familie

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(Foto: imago stock&people)

In seinem ersten Roman "Winterkrieg" beschreibt Philip Teir trotz des Titels nicht den Krieg zwischen Finnland und der Sowjetunion von 1939/40. Stattdessen führt er den Leser auf das Ehe-Schlachtfeld in Helsinkis gehobener Mittelschicht.

Max und Katriina Paul sind das perfekte Paar. Der einstmals berühmte Soziologe und die toughe Tochter aus gutem Hause haben alles, was sie sich wünschen: beruflichen Erfolg, eine schöne Wohnung in Helsinki, einen Hund und zwei Töchter. Helen, die ältere, lebt mit Bilderbuchschwiegersohn und zwei Kindern am Stadtrand. Die jüngere Eva studiert Kunst in London. Sie alle könnten glücklich sein, sind es aber nicht. Denn tatsächlich sucht Eva in der Fremde endlich ihren Platz im Leben. Und Helen hadert zu Hause mit der vorgefertigten Langeweile zwischen Kindern und Job. Als sich Max Bestätigung bei einer jüngeren Kollegin sucht, erschüttert das nicht nur seine Beziehung zu seiner Frau. Dass er kurz vor seinem 60. Geburtstag steht, macht es nicht besser.

Das Buch ist im Blessing-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.

Das Buch ist im Blessing-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.

G ekonnt vermeidet Teir verbrauchte Klischees und erzählt die realistische Geschichte einer Generation, die alles richtig gemacht hat - und alles falsch. Zumindest Max kommt aus eher kleinen Verhältnissen und hat sich hochgearbeitet. Er und seine Frau haben alles erreicht und können sich eigentlich nicht beklagen. Aber sie sind nicht glücklich. Genauso wenig wie ihre Töchter, die ihnen nacheifern und zwischen Selbsterfüllung und traditionellen Werten auch wieder auf die scheinbar bewährten Konzepte zurückgreifen. Warum sie darin keine Zufriedenheit finden, dafür liefert der Roman viele Antworten – oder keine.

Philipp Teir schreibt über das echte Leben, real, gut erzählt und schön geschrieben. Dass das nicht unbedingt spannend zu lesen ist, liegt mehr daran, dass die Welt kleiner geworden ist, als an Teirs Schreibstil. Denn was Max, Katriina, Helen, Eva und all die anderen durchmachen, könnte von Lappland bis Gibraltar so ziemlich jeder erleben. In gewissem Sinne ist die Geschichte also allgemeingültig, aber auch ein bisschen belanglos.

Kein finnisches Problem

Fünf Monate lang begleitet er Max, Katriina, Eva und Helen bei ihren verzweifelten Lösungsversuchen für ihre jeweiligen Lebens- und Liebesprobleme. Teir erweist sich dabei als gleichermaßen gnadenloser wie packend beschreibender Beobachter. Man kann "Winterkrieg" als Großstadtroman lesen oder als Familiengeschichte, typisch finnisch wird er einem weder so noch so erscheinen. Zu sehr ist das Land inzwischen globalisiert und mit ihm seine Menschengeschichten.

Bisher hat der 1980 geborene Journalist und Schriftsteller Teir vor allem Gedichte und Kurzgeschichten publiziert. Der Autor ist selbst Teil der schwedischsprachigen Minderheit in Finnland. Doch es geht in "Winterkrieg" nicht um Minderheitenprobleme, sondern eher um die Probleme der Mehrheit, ihr Streben nach Unabhängigkeit mit ihrer Sehnsucht nach Sicherheit unter einen Hut zu bekommen.

Teir kennt sich mit diesem Spagat zwischen einer österbottnischen Arbeiterherkunft und einem Leben in der Helsinkier Intelligenzia offenbar aus. Er selbst sagt zu seinem Erstling, dass er einen "literarischen Unterhaltungsroman" schreiben wollte, in dem die Familienmitglieder aneinandergeraten und den Sinn des Lebens infragestellen. Das tun sie bis an die Schmerzgrenze und der Leser kommt nicht umhin, es auch ein wenig zu tun.

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Quelle: ntv.de

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