Kollegiale Kritik Literaturtreffen bei Grass
24.10.2006, 15:46 UhrKollegentreffen interessieren die Öffentlichkeit für gewöhnlich nicht. Wenn es sich bei den Kollegen allerdings um einige der bedeutendsten jüngeren Schriftsteller Deutschlands handelt, die sich mit Günter Grass treffen, ist das etwas anderes.
Am Mittwoch beginnt in Lübeck das zweite "Lübecker Literaturtreffen", zu dem der Literaturnobelpreisträger Thomas Brussig, Eleonora Hummel, Michael Kumpfmüller, Benjamin Lebert, Eva Menasse, Jens Sparschuh und Burkhard Spinnen eingeladen hat. "Das Treffen bietet gemessen an meinem Lebensalter jungen Autoren die Möglichkeit, einander von ihrer Arbeit zu berichten", sagte Grass vor dem Treffen.
Hinter verschlossenen Türen werden die Autoren sitzen, einander aus bislang unveröffentlichten Manuskripten vorlesen und die Zuhörer um kollegiale Kritik bitten. "Die Erfahrung des ersten Treffens hat gezeigt, dass das sehr handwerkliche Kritik ist", erinnerte sich Grass. "Da geht es um Fragen der Sprache, gelungene und misslungene Metaphern, aber auch um die des Erzählerstandpunktes." Das Werkstatttreffen solle ein Treffpunkt von Autoren unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichem Hintergrund sein und auch ein Stück "Erziehung zur Toleranz" sein, sagte Grass. Er hege die Hoffnung, dass sich das Treffen verselbstständigen werde, wenn er noch zwei oder drei Mal dabei sei.
Im Dezember 2005 hatte er gemeinsam mit der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck zum ersten Mal zu einem Literaturtreffen nach Lübeck eingeladen. Über eine Wiederbelebung der "Gruppe 47" war da spekuliert worden, jenen legendären Kreis aus Schriftstellern, Kritikern und Verlegern, dem auch Grass angehört hatte. Doch er und seine Kollegen stellten schnell klar, dass mit dieser "Zusammenrottung" die "Gruppe 47" nicht wiederbelebt werden und es nicht um politische Statements, sondern allein um den literarischen Austausch gehen solle.
"Beim letzten Mal hat man gleich ein politisches Manifest erwartet. Ich will nicht ausschließen, dass es irgendwann einmal eine gemeinschaftliche Äußerung zu einem brennenden Thema geben wird. In diesem Jahr sehe ich das aber nicht", sagte Günter Grass vor dem zweiten Treffen und dämpfte damit Vermutungen, die Geladenen könnten sich zu aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Themen äußern.
Neben Kumpfmüller, Lebert und Eva Menasse, die bereits 2005 dabei waren, nehmen in diesem Jahr auch Brussig und Spinnen an dem Literaturtreffen teil. "Sie hatten schon beim ersten Treffen teilnehmen wollen, waren dann aber verhindert" sagte Grass. Neu hinzugekommen sind Jens Sparschuh und Eleonora Hummel, von der Günter Grass sagt, die aus dem Kaukasus stammende Autorin bringe ein neues Themenfeld in die deutsche Literatur ein.
Bei einer Lesung im Kulturforum Burgkloster am Donnerstagabend (26. Oktober) werden die Autoren der Öffentlichkeit Auszüge aus ihren Manuskripten vorstellen. Was Grass selbst lesen wird, ist allerdings noch unklar. "Ich habe ja nichts Neues, deshalb werde ich vermutlich eine kurze Passage aus meinem Erinnerungsbuch lesen oder aber den jungen Autoren ganz das Feld überlassen", sagte er.
Quelle: ntv.de