Ein Jahr klimaneutral leben Rette die Welt doch selbst
08.05.2010, 09:00 Uhr
Es ist leicht, sich über das Scheitern eines internationalen Klimagipfels zu grämen. Nicht so einfach ist es hingegen, seine eigenen Gewohnheiten und ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt anzuschauen oder gar etwas zu ändern. Colin Beavan ist ein normaler New Yorker, er hat eine Vorliebe für Fertigessen, fährt mit dem Aufzug und mit dem Taxi und fliegt auch gern mal zu den Schwiegereltern nach Florida.
Die Familie Beavan mit ihrer inzwischen vierjährigen Tochter und selbstgeernteten Zucchini.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Doch irgendwie schlägt ihm das ökologische Gewissen, die Zukunft unsere Planeten beschäftigt den jungen Vater zunehmend. Nach vielen Überlegungen kommt Beavan zu dem Schluss, es ist Zeit etwas zu tun. Offenbar ist Beavan der eher radikale Typ, so wird aus dem Selbstversuch ein Jahr als "No-Impact-Man". Beavan will alles vermeiden, was der Umwelt auf irgendeine Art schaden könnte. Das heißt nicht weniger als: "kein CO2-Ausstoß, kein Müll, keine Luftverschmutzung, kein Rohstoffverbrauch und keine Wasserverschmutzung".
Für Klopapier sterben Bäume
Schon am ersten Tag gerät Beavan in die Krise, weil er sich mit Klopapier die Nase putzen will und damit eben schon Müll produziert. Und das ist erst der Anfang, Aufzug fahren bewirkt CO2-Ausstoß, ebenso wie Taxifahren, U-Bahn-Fahren und Fliegen sowieso – also laufen die Beavans Treppen, laufen oder fahren Fahrrad, Reisen zur Familie werden minimiert, Flüge gestrichen. Mitnehmessen produziert Müll, Einkaufen im Supermarkt produziert Müll, selbst der Einkauf im Bio-Markt produziert Müll, also wird das Mitnehmessen gestrichen, Beavan beginnt zu kochen und kauft am Ende regionale Produkte auf dem Wochenmarkt, die er in mitgebrachten Behältnissen ohne andere Verpackung nach Hause trägt.
Die Klimaanlage bleibt aus, seine anderthalbjährige Tochter Isabella wird statt mit Wegwerfwindeln mit Baumwollwindeln gewickelt. Am Ende des Jahres kauft die Familie außer Nahrungsmitteln nur noch gebrauchte Produkte und führt abends bei Kerzenlicht ein Familienleben, wie es unsere Vorväter nicht besser hätten erdenken können, denn der Fernseher ist natürlich auch längst abgeschafft. Lediglich die Waschmaschine darf nach einer Magen-Darm-Grippe seiner Tochter wieder laufen, auch für den Gasherd gibt es keine Alternative.
Die Rikscha der Familie wurde in den "Nichts-Neues-kaufen"-Zeiten aus gebrauchten Fahrradteilen gebaut.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
An dem Prozess, Stück für Stück weniger belastend für die Umwelt zu sein, lässt Beavan den Leser auf sehr lebendige Weise teilhaben. Da ringt jemand um moralische Klarheit und versucht Schritt für Schritt seinem Ideal näher zu kommen. Die eigenen Bemühungen begleitet er mit Überlegungen zum Abholzen der Wälder, Chemie im Grundwasser oder der Vermüllung der Meere. Dabei wirkt er manchmal seltsam, aber nie belehrend. Beavan muss seine Frau zunächst überzeugen, schließlich ist sie in manchen Punkten radikaler als er. Er wird zum Medienphänomen und trifft Gleichgesinnte, am Ende des Jahres hat sich sein Leben verändert und er selbst sich auch.
Dabei ist Beavan Gott sei Dank nicht mal der Humor abhanden gekommen, ganz im Gegenteil. Es scheint Spaß zu machen, die Welt zu retten. Und es ist eine Freude, ein so wichtiges und gleichzeitig vergnügliches Buch zu lesen.
Quelle: ntv.de