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Last minute x-mas shopping Statt Weihnachtsmusik

Sie haben noch nicht alle Weihnachtsgeschenke zusammen? Oder gar keines? Abhilfe ist leicht möglich. Ein paar Tipps aus meinem Plattenladen:

1. Sie mögen keine Weihnachtsmusik? Sollten Sie sich für "Wish You Best Christmas Ever entscheiden, dürften Sie am Ende zu einem Weihnachtsmusikfan werden. Denn Musik zum Fest muss nicht sentimental, schwülstig, kitschig sein. "Mambo Santa Mambo" von der Rhythm & Blues-Band The Enchanters, erstmals erschienen 1957, passt gut zu einer unkonventionellen Christfest-Party und ist allemal besser anzuhören als liefen Sie mit einer Trommel ums Bäumchen. Auch leicht anrüchig geht's auf der Scheibe zu. Jimmy Butler (1921-1945), eigentlich Schauspieler, tönt in "Trim Your Tree": "I'll sprinkle my snow up on your tree". Eine ungewöhnliche Art, den Baum zu schmücken. Unbestrittenes Highlight: "Gatemouth Moores "Christmas Blues. Umwerfend die mit zwei Ukulelen begleitete Version des Standards "White Christmas", von der man meint, sie wäre irgendwann in den 30ern aufgenommen. Falsch: Erst kürzlich eingespielt von Miyaji, einem Stern der Münchner Tiki-Musikszene und einer leider namenlosen Partnerin. Wer übrigens nach dem letzten der 19 Songs noch ein paar Minuten wartet, erlebt eine Überraschung.

2. Sie wollen es nicht? Aber Sie sollten es sein. Nachdenklich-kritisch, auch an den Feiertagen. Denn zum Fest erinnern sich die Regierenden immer wieder, nein, nicht gern, aber gezwungenermaßen jener, die die Geburt des Herrn auf der Straße feiern, bestenfalls in einem Nachtasyl Unterschlupf finden. Um sie danach ebenso rasch wieder zu vergessen. Das ist bei uns nicht anders als in den Vereinigten Staaten. Die US-amerikanische Hilfsorganisation Give US your poor versucht seit Jahren mit einigem Erfolg, Obdachlosen eine Bleibe zu geben. Nun haben sich einige der renommiertesten Künstler des Landes versammelt und eine CD herausgebracht, deren Erlös den Ärmsten der Armen zugute kommt. Von den "17 neuen Aufnahmen, die helfen sollen Obdachlosigkeit zu beenden" sind zwar nur 16 tatsächlich nie zuvor veröffentlicht worden. Aber das tut der Liebe keinen Abbruch: Da singen Bruce Springsteen und Pete Seeger den Woody-Guthrie-Klassiker "Hobo's Lullaby", dass es einem ein Schauer über den Rücken läuft. Mainstream-Rocker Jon Bon Jovi interpretiert mit dem Soulmann Mighty Sam McClain "Show Me The Way". Rockröhre Bonnie Riat singt mit dem Bluesmann Eagle Park Slim den Rufus-Thomas-Hit "Walking The Dog. Der einstige Frontmann der legendären Lovin' Spoonful, John Sebastian, und der Folksänger Del Goldfarb besingen den "Portable Man", der unterm Himmel sein Dasein fristen muss. Gleich 3,5 Millionen seiner Landsleute, wie dem beigelegten Booklet zu entnehmen ist.

Entspannung gefällig?

3. Sie mögen es entspannt? Dann ist "Recuerdos" von Narciso Yepes, dem im andalusischen Lorca Geborenen und leider schon verstorbenen Meister der spanischen Gitarre, das Richtige für Sie. Er gehört zu den größten, fingerfertigsten Instrumentalisten seiner Heimat. 1964, als Beatles & Co. dem sechssaitigen Instrument revolutionierende Klänge entlockten, ließ er sich eine zehnsaitige Gitarre anfertigen, auf der er Töne hervorzauberte, die John, Paul, George und Ringo zweifellos inspiriert hätten. Aber damals war's mit der musikalischen (sic!) Globalisierung noch nicht so weit wie heuer. Yepes spielt, natürlich, das unvermeidliche "Concierto de Aranjuez. Haben Sie schon, kennen Sie schon? Mag sein. Aber eben nicht in der Fassung des Meisters, der bei Vergleichen ganz, ganz vorn landet. Wenn Sie noch nicht in der Alhambra zu Granada waren, dann könnten Sie sich eigentlich die Reise sparen, wenn Sie Yepes' Interpretation der "Recuerdos de Alhambra" hören. Man fühlt die Schönheit dieses unbeschreiblichen Bauwerks förmlich. Bach, Telemann und Villa-Lobos klingen ganz anders, wenn sie über zehn Gitarrensaiten transportiert werden. Brillant die Darbietung der selbst komponierten Musik zu Ren Clments Film "Jeux Interdits" aus den frühen Fünfzigern.


4. Sie mögen keine neuen Bands? Es ist dies das Jahresende mit den wohl meisten Comebacks der vergangenen Jahre. Dies spricht einerseits für die Durchschnittlichkeit aktueller Popmusik und anderseits für die Qualität der Interpreten aus grauer, nein schillernd bunter, Vorzeit. Die Eagles gelten vielen als die Ikonen des Country-Rock. Wahrlich, erfolgreicher waren sie als die Byrds, die das Genre begründet hatten. Ob sie besser waren und sind? Bilden Sie sich Ihr Urteil. Das erste Studioalbum der US-Band seit 28 (!) Jahren bietet auf zwei CDs genügend Zeit. Sie sind wieder sehr politisch, was da so zurzeit in der Welt passiert, passt ihnen nicht in den Kram, und das sagen/singen sie auch unverblümt. Die Singleauskopplung "How Long" beweist, dass man Nachdenklichkeit durchaus in verdammt guten Rock ‚n' Roll verpacken kann. Der Song erinnert ein wenig an "Lazy Days", das Byrds und Flying Burrito Brothers dereinst aufgenommen hatten. Und beim Intro des sehr ironischen "Busy Being Fabulous" fällt einem "Brown Sugar" von den Rolling Stones ein. Das ist nicht schlimm, hilft es doch über die Längen hinweg, die das Doppelalbum an manchen Stellen hat. Immer wieder beeindruckend diese unglaubliche Perfektion, mit der Joe Walsh & Cie. ihre Instrumente beherrschen. Fazit: Mit dem Werk bewegen Sie sich nicht außerhalb von Eden. Sie gelangen in ein musikalisches Paradies, das aber auch so seine Ecken hat, wie wir aus alten Geschichten wissen.

Sein eigenes Denkmal

4a Einer, dem es nichts ausmacht, ob er Ecken hat oder rund klingt, ist nun schon seit Jahrzehnten Neil Young. So wird es ihn nicht stören, dass sein 18 Minuten dauerndes Epos "Ordinary People bei Konsumenten von Fließbandmusik nicht ankommt. Er macht schließlich nicht Musik für jene, sondern, ja vielleicht nicht einmal für die Anderen, sondern für sich selbst. Wenn dabei eine Botschaft für die Außenwelt abfällt, umso besser. So ist sein vorletztes Album "Living With War" vielleicht gar nicht so sehr der Aufruf, Bush wieder auf seine Ranch nach Texas zu schicken, sondern der Versuch, sich von dem unkritischen Patriotismus zu befreien, der nicht nur ihn nach 9/11 beherrscht hatte. Insofern reflektiert "Chrome Dreams II" das Bestreben des gebürtigen Kanadiers zu zeigen, dass es ein Leben auch außerhalb der Politik gibt. Der sehnsuchtsvolle Opener "Beautiful Bluebird" ist einfach gestrickt, hätte aber trotzdem oder gerade deshalb das Zeug zu einem Singlehit wie damals "Heart Of Gold". Aber Young will wohl keinen Hit mehr, und er braucht auch keinen. Neil Young ist sein eigenes Denkmal, und er steht auf einem Sockel, von dem ihn niemand mehr stürzen kann.

4b Einer, dem es schon noch darauf ankommt rund zu klingen, ist Tom Petty. Der Mann aus Florida steht nicht so über den Dingen wie der Mann aus Ontario. Leider hat er keine neue Scheibe produziert, aber Erfolgsregisseur Peter Bogdanovich hat einen Film über die Karriere von Master Thomas Earl gedreht. Von den Anfängen 1968 bis zur Gegenwart, mit dem symbolhaften Titel "Running Down A Dream", so benannt nach einem Song des Titelhelden. Nun ist es schwer, die Gestaltung von Musikerporträts neu zu erfinden. So bleibt - kinematographisch - der Eindruck eines überlangen EPK, eines "Elecronic Press Kit", mit dem die Plattenindustrie ihre Produkte vorzustellen pflegt. Aber Sie lernen einen Musiker und seine Kumpels von den Heartbreakers kennen, der es vom Bewunderer der Beatles zum Mitspieler von George Harrison gebracht hat. Und der von einem Kinostar wie Johnny Depp bewundert wird, um nur einen der Prominenten zu nennen, die in dem Streifen zu Wort kommen. Das aus den zwei CDs mit dem Film, dem Mitschnitt des Konzerts aus Anlass des 30sten Bandjubiläums in seinem Geburtsort Gainesville und einer CD mit seltenen und/oder unveröffentlichten Aufnahmen bestehende Paket hat das Zeug zu einem Weihnachtspaket, das weitere Gaben überflüssig macht. Aber das sollte Sie nicht abhalten, bei Ihrem Last minute x-mas shopping auch die eine oder andere hier gelobte Scheibe in den Korb zu packen.

Florence Dore u. a.: "Wish You Best Christmas Ever", CD, Trikont

Jon Bon Jovi u. a.: "Give US Your Poor - 17 New Recordings To Help End Homelessness", CD, Appeesed Recordings in-akustik

Narciso Yepes: "Recuerdos", 2CD, Deutsche Grammophon Universal

Neil Young: "Chrome Dreams II", CD, Reprise Warner

The Eagles: "Long Road Out Of Eden", 2CD, ERC Universal

Tom Petty & the Heartbreakers: Film, Regie: Peter Bogdanovich, CD/3-DVD "Runnin' Down a Dream", SPV GmbH

Quelle: ntv.de

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