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Fado, Raga & Co. Volksmusik kann auch schön sein

Ravi Shankar.

Ravi Shankar.

Man nennt sie gern Weltmusik. Doch es ist Volksmusik im allerbes ten Sinne des Wortes, die da in den Plattenläden unter der entsprechenden Rubrik zu finden ist. "Weltmusik" ist deshalb wohl ein nicht ganz geglückter Antibegriff, um sich von der "Volksmusik" abzugrenzen: Unter den Bedingungen eines gierigen Marktes wird schlagerhaftes Sinnlosgeträller, dargeboten in lächerlichen Nachbildungen von Trachten, als Volksmusik verkauft. In eigenen Hitparaden, in Musikantenstadln und Musikantenscheunen.

Weltweit schwimmen Plattenfirmen gegen diesen Strom der Sinnentleerung. Eine davon ist ARC Music in London. Zwei der jüngsten Veröffentlichungen mögen dafür stehen.

Da gibt es jetzt eine CD mit Fados. Fado, abgeleitet vom lateinischen "fatum", Schicksal, ist jene Musik die voll unendlicher Sehnsucht alles beschwört, was verloren gegangen scheint. Liebe, Ruhm, Besitz, Heimat. Francisco Fialho ist in Moura im Alentejo geboren und lebt heute als Sohn portugiesischer Immigranten in Hamburg. Auf der vorliegenden CD widmet er sich voller "saudade" - Sehnsucht ist wohl doch nur eine unvollkommene Übersetzung - eben diesen Themen. Zumeist sind es Lieder des "Fado de Lisboa", der bekannteren, in der Hauptstadt am Tejo-Fluss gepflegten Variante. Elegische Balladen, begleitet von der "guitarra portuguesa", einer Art zwölfsaitigen Laute, deren Ursprünge bis in die Renaissance zurückreichen. Die "viola" genannte spanische Gitarre liefert Harmonien und Basslinien. Manchmal werden auch akustische Bassgitarren eingesetzt. Fado kann auch fröhlich sein. So ein "fado alegre" zum Beispiel ist das Stück "Trigueirinha", in dem Dom Francisco ein Mägdelein besingt, das grüne Augen hat, und in das er sich, wenn er sie anschaut, immer noch mehr verliebt. Banal? Vielleicht. Doch hört man anschließend das unglaubliche "Herzilein der Wildecker Herzbuben, fällt der Unterschied ins Ohr.
 

Der Wahlhanseat erweist aber auch der unbekannteren Spielart des Fado seine Referenz. "Abril em Portugal" steht in der Tradition jener Lieder, die die Studenten der "alma mater coimbrensis" ihren Freundinnen vorzusingen pflegten. Coimbra, die Universitätsstadt, Ort der Liebe der schönen Galizierin Ins zum Infanten Dom Pedro, die auf Geheiß von dessen Vater ermordet wurde, weil dieser den Einfluss der Granden aus dem Norden der iberischen Halbinsel am portugiesischen Königshof fürchtete. Die Geschichte der beiden ist zur Nationallegende geworden. Fialho erzählt sie nicht so schön, wie Lus de Cames, der lusitanische Goethe. Aber er erzählt sie. Hat sich je einer getraut, im Musikantenstadl an das Unglück von Gretchen und Heinrich Faust zu erinnern?

ARC Music traut sich. Und nicht nur das. Der Katalog bietet eine schier unendliche Fülle von Musik, die aus dem Volke kommt, aus aller Herren Länder. Von A wie Afghanistan bis Z wie Zanzibar findet sich bei ARC so ziemlich alles. So sei hier eine Kompilation aus I wie Indien mit Ragas erwähnt, die Meister Ravi Shankar, der musikalische "spiritus rector" von George Harrison, meisterhaft interpretiert. Mal zugespitzt: Es muss nicht immer das Beatles-Album "Revolver" sein, wenn man indische Folklore hören will. Auf keinen Fall aber sollte es die "Hitparade der Volksmusik" sein, wenn man Volksmusik hören will.

Francisco Fialho: Portugal - Best Of Fado, CD, ARC Music
Ravi Shankar: The Best Of -, CD, ARC Music

Quelle: ntv.de

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