Völlig platt am Valentinstag Eine Idee aus Jerusalem
14.02.2008, 02:00 UhrDie Vorbereitung des Valentinstags ist offenbar nicht spurlos an unserem Korrespondenten Ulrich Sahm in Jerusalem vorbeigegangen. Zumindest aber hat ihn der Tag aller Verliebten zu kulinarischen Höhenflügen inspiriert. Hier seine Geschichte:
Der Konkurrenzkampf israelischer Supermärkte hat neue Tiefpunkte erreicht. Der Billigwein verteuerte sich stillschweigend um zwei Schekel und die Tomaten, die noch vor einer Woche für knapp 10 Cent das Kilo verschleudert wurden, kosten jetzt plötzlich einen ganzen Euro. "Die Kältewelle", sagt der Manager in unserem Supermarkt. Alles sei teurer geworden. Uns wird richtig schwindlig. Nur die Apfelsinen zum Auspressen für frischen Orangensaft können zum Sonderpreis von 1 Euro pro Kilo erstanden werden. Alles andere wird immer unerschwinglicher. Eine sibirische Kaltfront vor zwei Wochen hat nicht nur uns die Kauflust nach billigem Frischgemüse genommen, sondern auch in Europa zu Engpässen geführt. In Israel sind die Schnittblumen für den Export erfroren und so rar geworden, dass der Valentinstag in Europa zu einem echt teuren Spaß wird - vorausgesetzt, dass man seinem angeheirateten Weibe, seiner Lebensabschnittsgefährtin, der heimlichen Freundin oder gar der Schwiegermutter einen üppigen Blumenstrauß überreichen will.
Das große Aufatmen kam erst, als wir zu unserem arabischen Freund in der Abteilung für Frischfleisch gelangten. "Sag mal, Abed, spinnt Ihr völlig? Eure Preise sind doch total übertrieben." Abed lachte laut. Die haufenweise von ihm schon zurechtgeschnittenen ganzen Hühnchen kosten doch nur 4,89 Cent das Kilo, in Worten: weniger als 5 Cent für ein Kilo Geflügel. Abed packte uns gleich zwei Hühnchen in eine Plastiktüte und klebte einen Zettel mit der Preisangabe 20 Cent darauf.
Soweit, so gut.
Da in Jerusalem eine eiskalte Nacht mit "sibirischen Temperaturen und einem stürmischen Tief" angesagt war, besannen wir uns auf ein Rezept aus unserem Lieblings-Kochbuch für sommerliches Grillen: "The Joy of Grilling" von Joe Famularo. Da gibt es nämlich ein Rezept für plattgedrücktes Hühnchen, das saftiger und köstlicher nicht sein kann. Wir können es aber nur im Winter zubereiten, weil es im Sommer schnell müffeln würde, wenn wir es über Nacht bei etwa bei 35 Grad unter 10 Kilo alten Steinen und Kacheln erdrücken würden.
Für das "Kräuterkleidchen" empfiehlt das Originalrezept jeweils 3 Esslöffel frischen Thymian, Rosmarin, Basilikum, Minze, 6 Esslöffel Petersilie sowie Knoblauch, Pfeffer, Salz und "extra jungfräuliches Olivenöl". Alles wird im Mixer zum geschmeidigen "Kleidchen" vermischt. Mangels Thymian nahmen wir Majoran. Basilikum ersetzten wir durch frischen Koriander. Hinzu kamen noch Frühlingszwiebeln und für die Schärfe eine grüne Peperoni. Rosmarin holten wir uns dort, wo unser berühmter Hund Mefisto in gebührender Entfernung seine Geschäfte erledigt.
Das Hühnchen durchtrennten wir entlang des Rückgrats. Es wurde mit seinen ausgebreiteten Engelsflügeln fast einen halben Meter breit, nachdem wir es flach geklopft hatten. Wir lösten ein wenig die Haut und verteilten die geschmeidige Masse der Marinade über und unter der Haut. Auf dem Ofenblech zwischen Aluminiumschichten packten wir nun auf der eiskalten Terrasse rund 10 Kilo italienische Kacheln auf das Hühnchen im lieblichen Kräuterkleidchen, um es über Nacht möglichst platt zu machen.
Am nächsten Tag soll man laut Kochbuch den Ofen auf 180 Grad Celsius vorwärmen, Ziegelsteine in Aluminium verkleidet auf das platte Hühnchen legen und es dann mit einer Mischung aus jeweils einer halben Tasse Limettensaft, Olivenöl extra virgin, jeweils einem Viertel Teelöffel grob gekörntem Salz und frisch gemahlenem Pfeffer beträufeln. Wir haben nicht ganz verstanden, wie wir dem platten Huhn unter den schweren Steinen die Infusion verpassen sollten. Wir nahmen also unser Platthühnchen, legten es auf den Grill, beträufelten es mangels Limetten mit ordinärem Zitronensaft und den restlichen Zutaten und drehten das Ganze nach einigen Minuten um, damit auch die andere Seite eine leichte Bräune erhalte.
Noch nie haben wir ein so saftiges und zugleich knuspriges Hühnchen genossen wie dieses "Platte Hühnchen" im zarten Kräuterkleidchen. Nachahmenswert! Rosmarin findet man auch im Supermarkt, und nicht nur dort, wo Mefisto auftaucht.
Viel Spaß beim Ausprobieren wünscht Ulrich W. Sahm aus Jerusalem.
Quelle: ntv.de