Männer und Motten Entscheidung überflüssig
03.05.2014, 07:52 Uhr
Thymol, das ätherische Öl des Thymians, dringt über die Haut ein und bewirkt Gutes.
(Foto: imago stock&people)
Es macht schon einen Unterschied, ob Sie Männer oder Motten an Ihre Wäsche lassen. Der erste Fall kann durchaus Kurzweil bieten, der zweite Fall ist garantiert niemals erwünscht. Setzen Sie sich bloß nicht unter Druck: Sie können zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Das Schönste am Frühjahr sind die neu sprießenden Kräuter im Garten. Mitunter genügen schon ein Balkon oder ein Fensterbrett, um anspruchslosen, aber köstlichen Küchenkräutern Platz zum Gedeihen zu geben. Thymian ist so ein Kraut: Die stark duftende Pflanze bevorzugt mageren Boden, man muss sie nur wenig gießen, aber viel Sonne will sie haben. Das ganze Jahr über können Blättchen und Triebspitzen des immergrünen Krautes geerntet werden, zwecks Konservierung lassen sie sich gut trocknen oder einfrieren.
Thymian ist eines der berühmtesten Küchen- und Heilkräuter überhaupt. In seiner ursprünglichen Heimat, dem Mittelmeerraum, überzieht der wild wachsende Thymian ganze Hügelketten mit seinem verführerischen Duft. Das machten sich schon die antiken Römer und Griechen zunutze, wenn sie ihre Paläste mit frisch gepflücktem Thymian ausstreuen ließen. Der Wunsch nach Wohlgeruch war nicht ohne Hintergedanken, galt der Thymianduft doch als stark genug, um die Luft mit seinen angeblich aphrodisischen Kräften zu schwängern und durch die Nasen der feinen Herren flugs zu ihren Lenden zu strömen. Der sich gegebenenfalls einstellende Erfolg (die Geschichtsschreiber gehen da nicht so ins Detail) ist aber eher auf die durch die nackten Fußsohlen in den Körper eindringenden ätherischen Öle zurückzuführen. Oder, was am wahrscheinlichsten ist, auf die Fertigkeiten der zahlreich anwesenden jungen Damen. Falls der strömende Thymianduft es nicht bis zu den Lenden schaffte und bei Lungen und Bronchien verweilte, war das auch kein Unglück, half er doch betagten Herren gegen ihre Atemnot. Denn schon damals galt Thymian als "Freund der Atemwege". Ein Kompliment war, wenn über jemanden gesagt wurde, "er duftet nach Thymian". Gegen Mundgeruch hilft übrigens ausgiebiges Gurgeln mit Thymiansud.
Die wohl älteste Kunde über die guten Taten des Lippenblütlers stammt aus der Zeit von 2750 v. Chr. Tontafeln der Sumerer aus Mesopotamien beschreiben einen wohltuenden Umschlag für den Leib: Thymian, Feigen und Birnen werden getrocknet, zu Pulver gemörsert, mit Bier und Öl zu einer Paste verrührt und als Breiumschlag auf den Körper aufgebracht. Eine Nachahmung ist nicht empfehlenswert, weil nicht sicher ist, ob dieser Umschlag Geplagten (wovon auch immer) zu neuer Lebenslust verhelfen sollte oder nur eine Beschreibung der Einbalsamierung ist. Die Übersetzung von Keilschriften ist ja so eine Sache … Denn gesichert ist, dass Thymian bei den Sumerern, Ägyptern und Etruskern fester Bestandteil ihrer komplizierten Rezepte für die Harze waren, mit denen sie ihre Toten einbalsamierten. Es ist allerdings anzunehmen, dass sie das Kraut auch als Arznei nutzten.
Lockt den Sultan und vertreibt die Motten
So war es jedenfalls in der Antike: Griechen und Römer verwendeten Thymian als Arznei, Aphrodisiakum und Küchenkraut. Die alten Griechen legten Thymian in Weißwein ein und genossen das Getränk als Liebeshilfsmittel und/oder zur Erhöhung der Tapferkeit im Kampf. Schon früh entdeckten die Römer Thymian als Küchenkraut. Sie würzten Käse und Getränke damit. Wegen seiner stark antiseptischen Eigenschaften wurde Thymian auch beim Räuchern von Fleisch zugefügt. Sein Rauch "schlägt alle giftigen Kreaturen in die Flucht", schreibt Plinius. Nun sind Motten zwar nicht giftig, aber nervig; und wir werden giftig, wenn sich Lebensmittelmotten im Müsli breitmachen oder Kleidermotten die gute Baumwoll-Unterwäsche löchern. Kleine Thymian-Säckchen im Schrank sollen Abhilfe bringen, so machten es jedenfalls türkische Haremsdamen, die ihre Kleider mit Thymian parfümierten. Allerdings trugen sie Thymian-Sträußchen auch mit sich, um die Zuneigung des Sultans zu gewinnen.
Auch mittelalterliche englische Kräuterkundige glaubten an die Magie des Thymians. Die Einnahme von Thymian gestatte es, "Feen zu sehen", behaupteten sie. Hierzulande stand man dem nicht nach und setzte ebenfalls auf Thymian als Mut- und Kraftspender. Deshalb banden die mittelalterlichen Kunigunden "ihrem" Ritter vor einem Turnier ein paar Thymianzweige an die Rüstung. Zwischen den Turnieren stickten sie Thymianzweige auf Taschentücher und legten sie auf Halde. Die Tüchlein bekamen dann die Ritter, sollte mal frischer Thymian ausgegangen sein.
Schüchterne junge Männer sollen nach dem Genuss von reichlich Thymiantee urplötzlich den Mut besessen haben, aktiv um die Angebetete zu buhlen. Keine Ahnung, ob das geklappt hat, aber wenigstens der Husten war weg. Denn das ist Thymian geblieben: ein gutes Therapeutikum gegen Erkältungen. Thymian wirkt krampflösend, entzündungshemmend, schleimlösend, harntreibend und verdauungsanregend. Er tötet Bakterien, Viren und Pilze ab. Es ist vor allem das antiseptisch wirkende Thymol, das der Pflanze diese Wirkung verleiht. Erst im 11. Jahrhundert hatten Benediktinermönche den Thymian über die Alpen gebracht, schon bald gedieh er in allen Klostergärten. Hildegard von Bingen lobte Thymian als hervorragendes Mittel gegen Atemnot, Keuchhusten und Asthma. Bis heute ist seine Stellung sowohl in der Heilkunde als auch in der Küche unumstritten.
Das Kraut lässt sich sehr gut trocknen und behält sein volles Aroma den ganzen Winter über. Getrockneter Thymian muss sparsamer verwendet werden als frischer, er würzt dreimal so stark. Einfrieren, am besten portionsweise und mit wenig Wasser in der Eiswürfelschale, ist eine Möglichkeit, stets frischen Thymian zur Hand zu haben. Thymian kann auch eingelegt werden und ergibt gemeinsam mit Rosmarin und Knoblauch zum Beispiel einen leckeren Kräuteressig oder in Olivenöl ein ideales Würzöl.
Thymian gibt es in über hundert verschiedenen Arten, wovon aber nur einige kommerzielle Bedeutung haben, allen voran der Echte Thymian (Thymus vulgaris), auch Gartenthymian genannt. Das ist die kultivierte Form des wilden Thymians und wegen seiner Würzkraft die beliebteste Varietät. Sein angenehm würziger Geschmack harmoniert bestens mit Rosmarin, Basilikum, Lorbeer, Bohnenkraut, Majoran und Oregano, Muskat und Nelken, Lavendel, Piment und Petersilie, Paprika und Knoblauch. Für das klassische Bouquet garni, in Pasteten, Füllungen und vielen Wurstsorten ist Thymian unerlässlich. Jetzt zur Spargelzeit sind die neu sprießenden Blättchen das I-Tüpfelchen auf einem leichten Frühlingssalat:
Gemüsesalat mit Thymianvinaigrette
400 g Roastbeef
500 g weißer Stangenspargel
200 g Zuckerschoten
2 junge Möhren
2 Stangen Staudensellerie
4 Zweige Thymian
6 EL mildes Olivenöl
3 EL weißer Balsamessig
Salz, frisch gemahlener Pfeffer
Zubereitung:
Spargel wie üblich säubern und schälen, ebenso die Mohrrüben. Den Stangensellerie und die Zuckerschoten waschen, evtl. Fäden entfernen. Alle Gemüsesorten in mundgerechte Stücke schneiden, dabei den Spargel beiseite stellen.
Die Thymianstängel abbrausen, mit Küchenkrepp abtrocknen und die Blättchen von den Stielen zupfen. Den Balsamico mit dem Öl, Salz, Pfeffer und den Thymianblättchen cremig aufmixen.
In einem genügend großen Topf Salzwasser aufkochen und Möhren, Sellerie und Schoten hineingeben. 5 Minuten garen, dann die Spargelstücke zugeben und alles zusammen weitere 5 Minuten köcheln lassen. Alle Gemüsesorten sollten noch einen leichten Biss haben. Die Gemüsemischung abgießen, gut abtropfen lassen und warm mit der Vinaigrette mischen. 10 Minuten ziehen lassen.
Den Salat gemeinsam mit hauchdünn geschnittenen Roastbeefscheiben auf den Tellern anrichten. Ein paar Scheiben frisches Ciabatta dazu und ein leckeres Abendbrot steht auf dem Tisch. Vegetarier lassen das Roastbeef einfach weg.
Viel Erfolg mit Thymian - in jeder Hinsicht - wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de