Die fantastische Welt von Roy und Zorro 00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse
10.10.2013, 10:54 Uhr
Nicht nur eine singende, sondern auch eine schauspielende Herrentorte: Helge Schneider.
(Foto: Bernd Spauke / Senator Film Verleih)
Er hat ein Katzenklo musikalisch verarbeitet und lässt in Zellophan-Folie verpackte Hirsche aus dem Wald heraustreten: Helge Schneider. Pardon, wir meinen natürlich 00 Schneider. Nun meldet er sich auch auf der großen Leinwand wieder zurück - mit dem Schocker "Im Wendekreis der Eidechse".
Er hat es wieder getan. "Die singende Herrentorte" hat einen neuen Kinofilm gedreht. Schlägt der gemeine Cineast womöglich die Hände über dem Kopf zusammen, freut sich der eingefleischte Helge-Schneider-Fan umso mehr, denn Schneiders Filme sind - wie soll man sagen - sehr, sehr speziell. Was der Multiinstrumentalist (Schneider beherrscht diverse Instrumente) dem Kinobesucher dieses Mal zumutet, ist ein neues Kapitel seines kultigen Kriminal-Genies. Ja, er ermittelt wieder: the One and only, das Unikat, der beste Kommissar aller Zeiten - 00 Schneider, Vorname "Roy".

Täuschend echte Verwandlung: Schneider als Prostituierte.
(Foto: Bernd Spauke / Senator Film Verleih)
Zusammen mit seinem Partner "Zorro" - einer behämmert dreinblickenden Fußhupe von einem Polizeispürhund, der im früheren Leben ein Spitz gewesen ist und dessen Fell, so es der Zufall will, exakt dieselbe Farbe wie Herrchens Trenchcoat hat - geht Kommissar 00 Schneider auf Verbrecherjagd. Eigentlich wollte sich der optisch leicht gealterte Ermittler ja zur Ruhe setzen und an seinen Memoiren schreiben, aber Straftaten passieren schließlich nicht nur am Wochenende.
Kommissar 00 Schneider hat von Anfang an alle Hände voll zu tun. Ein Sexferkel treibt sein Unwesen. Kein Geringerer als der Chefermittler persönlich mimt den Köder, um den perversen Sittenstrolch dingfest zu machen. Als Frau der Tat verkleidet stiefelt 00 Schneider beinahe lasziv als Bordsteinschwalbe mit pinker Leoprint-Orsay-Tasche auf dem Mühlheimer Straßenstrich auf und ab: "Guten Tach, gestatten: Elfi, 150,- mit Knutschen!".
Überfall: "Kommen Sie schnell, ich wurde bespuckt!"
Nach dem Sittenstrolch-Fall steht fest: 00 Schneider ist für die Polizei, wie einst ihr "Erfinder", sein Vater Roy Ernest Faustcamper, unabkömmlich. Zum Chillen oder Biografie schreiben fehlt die Zeit. Neue Verbrechen erschüttern 00 Schneiders Revier, das schöne Mülheim, das in lauschiger 60er Jahre-Optik daherkommt. Es sind knifflige Fälle, für die es eines erfahrenen Ermittlers bedarf: Ein Kiosk ist überfallen worden. Der ahnungslose Kiosk-Betreiber - pardon - die ahnungslose Kiosk-Betreiberin wurde von einem reptilienartigen Wesen (genial gespielt von Rocko Schamoni) wüst bespuckt, bevor ihr eine Schachtel Kippen geraubt wurde. Gelber, zähflüssiger Ekel-Schleim klebt auf ihrem Pullunder, unschuldige Rentner werden hemmungslos abgezockt und dem fleißigen Blumenbinder und Bauern Kevin, wohnhaft im spanischen Viertel von Mülheim, wird - mitten in der Nacht - ganz hinterhältig und ohne Vorwarnung ein Huhn gestohlen.
Siehe da: Es gibt Parallelen zwischen den Fällen. Steckt hinter mehreren Delikten womöglich ein und derselbe Täter? Viele Fragen und ein Haufen Arbeit für Minispitz Zorro und Herrchen 00 Schneider. ("Zorro, ich glaube, die Eidechse hat uns ein Ei gelegt.") Doch mit Hilfe seines professionellen Ermittlerteams, bestehend aus Agent Cole (Ira Coleman), Agent Smith (Pete York) und eben Fußhupe Zorro, beginnt die Jagd nach dem durchtriebenen Täter. Dieser ist kein Geringerer als der spuckende Schmierlappen Jean-Claude Pillemann, der wegen seiner geschmeidigen Bewegungen auch "Die Eidechse" genannt wird. Pillemann, gebürtiger Franzose und Kettenraucher vorm Herrn, wird wegen seines widerlichen Herumspuckens als gemeingefährlich eingestuft.
00 Schneider: Liebesgrüße aus Mülheim
Was Schneider in seinem fünftem Kinoabenteuer akustisch und visuell präsentiert, wird, wie sein bisheriges Œuvre, die Geister scheiden. Helges Komik basiert auf Improvisation. Dies gilt im Besonderen auch für seine Filme. Szenen, die nicht den geringsten Sinn ergeben, gefüllt mit Dialogen, deren Zweck sich dem Zuschauer nicht immer erschließt, nötigen den Betrachter zu krampfhaften Lachanfällen, dass ihm die Eingeweide schmerzen.
Während man Roy bei seinem zweiten großen Fall (1994 jagte 00 Schneider Nihil Baxter) die meiste Zeit auf der Suche nach der Eidechse beobachtet, passieren nebenbei allerhand Dinge, die mit der eigentlichen Story überhaupt nichts zu tun haben, aber trotzdem - wie es sich für einen Helge-Film gehört - irgendwie dazugehören: sein elender Köter verschwindet, er spielt Lotto, kriegt Zahnschmerzen, vermöbelt Staubsaugervertreter, trinkt Kaffee mit gefühlten dreihundertfünfundsiebzig Stück Zucker und muss sich um herrenlose Kofferstücke kümmern. Alles ist auf schneiderische Weise chaotisch miteinander verwoben. Zusammenhanglose Lacher und Kracher werden so lange verknüpft, bis es am Ende passt - ein bunter Reigen exzellenter Unterhaltung.
"Go ahead, make my day"
Roter Faden? Stringente Struktur? Nö! Nicht bei Klamauk-Talent Helge. Der Kauf einer Waschmaschine führt auf dem Weg nach Hause abgekürzt über die Dolomiten (oder den Brocken oder einen anderen ziemlich hohen, ziemlich eingeschneiten Berg). Die meisten Ladys in dem Streifen sind eigentlich Kerle. Und von Beginn an wird man den Eindruck nicht los, dass die Welt, in der der Film spielt, eine andere ist, in der ganz eigene Gesetze gelten. Und zwar die von Helge Schneider!
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass das Multitalent nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern erneut auch das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat. Und natürlich mimt Helge nicht nur Kommissar 00 Schneider, sondern spielt gleich mehrere Rollen: einen notgeilen Zahnarzt, der seine Patientinnen klarmacht oder einen lispelnden Psychologen, den kein Schwein versteht, um nur einige zu nennen.
Fragt man sich in den ersten Minuten noch, worum es eigentlich genau geht oder welcher Handlungsstrang der tragende ist, wird man im Laufe des Filmes feststellen, dass dies, wie so oft bei Schneider, im Grunde keine Rolle spielt.
00 Schneider ist Kult und weil 00 Schneider weiß, dass er Kult ist, agiert er, wie es ihm gerade Spaß macht. Und zwar manchmal auch überhaupt nicht. Ansonsten blödelt er rum, tänzelt, säuselt, stellt sich zur Schau, haut Bösewichten auf die Mütze, spielt Orgel oder moderiert Radiosendungen.
"00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse" ist die One-Man-Show eines großartigen Entertainers, der das Publikum zum Grölen, Schmunzeln und Kichern bringt. Und wenn Roy alias 00 Schneider dann auch noch Clint Eastwoods "Dirty Harry"-Spruch: "Make my day" vor sich hin schwadroniert, fängt auch der letzte Zuschauer im Kinosaal zu grölen an, denn auf so etwas Beschränktes muss man erstmal kommen. Auf dem Weg nach Hause weiß man gar nicht mehr, warum man im Kino so dermaßen gefeiert hat. Es ist eben einfach passiert! Helge Schneider ist wie ein guter Trip aus den Siebzigern. Nur mit dem Unterschied, dass man gar nichts eingeworfen haben muss, um einen solchen Lachflash zu erleben.
"00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse" läuft ab 10. Oktober 2013 in den deutschen Kinos
Quelle: ntv.de