Kino

Der Schmerz lässt nicht nach "Das Verschwinden der Eleanor Rigby"

Ein Bild aus unbeschwerten Tagen: Eleanor (Jessica Chastain) und Connor (James McAvoy).

Ein Bild aus unbeschwerten Tagen: Eleanor (Jessica Chastain) und Connor (James McAvoy).

(Foto: 2014 PROKINO Filmverleih GmbH)

Ein Mann, eine Frau, zwei Perspektiven. Sie ist verschwunden, er sucht sie. Hinter ihnen liegt eine schwierige Zeit. Vor ihnen auch. "Das Verschwinden der Eleanor Rigby" mit Jessica Chastain ist grandioses Gefühlskino mit exzellenten Darstellern.

Man wird nicht mit einem strahlenden Lächeln aus dem Kino gehen, wenn man "Das Verschwinden der Eleanor Rigby" gesehen hat. Aber man wird einen intensiven, stellenweise aufreibenden Film mit großartigen Darstellern gesehen haben, der sich in meist leisen Tönen seinen Hauptfiguren und ihrem schwierigen Verhältnis zueinander nähert.

"A New York Lovestory", steht auf dem Plakat zum Film. Nur dass sich die nach dem Beatles-Song benannte Eleanor Rigby (großartig: Jessica Chastain, "Interstellar") und Connor Ludlow (ebenso großartig: James McAvoy, "X-Men: Zukunft ist Vergangenheit") getrennt haben. Sie hat den Tod des gemeinsamen Kindes nicht verwunden, fiel in eine Depression und wollte sich umbringen. Er wollte so schnell wie möglich über den Tod des Kindes hinwegkommen, ein normales Leben führen. So haben Eleanor und Connor sich auseinandergelebt. Dann ist sie verschwunden und er weiß nicht, wohin.

Chastain liefert als Eleanor eine großartige Leistung ab - sie dürfte für einen Oscar nominiert werden.

Chastain liefert als Eleanor eine großartige Leistung ab - sie dürfte für einen Oscar nominiert werden.

(Foto: 2014 PROKINO Filmverleih GmbH)

Sie und er - "Her" und "Him". Das sind die Titel der beiden Filme, die Regisseur Ned Benson im vergangenen Jahr auf dem Filmfestival in Toronto präsentierte. Sie erzählen die Geschichte jeweils aus der Perspektive von Eleanor und Connor. Auf Druck des Verleihs hat Benson aber auch einen einzelnen Film aus den beiden Teilen geschnitten, der nun in Deutschland ins Kino kommt. Die ursprüngliche Trennung in zwei Streifen merkt man dem komprimierten Gesamtwerk nicht unbedingt an. Mit Voranschreiten des Films ahnt man nur, dass da noch mehr ist. Dass es da noch Wunden und Erlebnisse gibt, von denen der Zuschauer nichts erfährt, aber gern erfahren würde.

Sehr dicht an den Figuren

Dabei erzählt auch der gemeinsame Film zunächst streng getrennt aus den Perspektiven von Eleanor und Connor. Sie zieht nach ihrem Selbstmordversuch bei ihren Eltern ein (Isabelle Huppert, William Hurt) und beginnt nach einiger Zeit ein Studium, bei dem sie sich vor allem mit einer Professorin (Viola Davis) gut versteht. Connor dagegen versucht, sein kleines Restaurant vor der Pleite zu bewahren. Ihm bleiben sein Kumpel Stuart (Bill Hader), der gleichzeitig sein Chefkoch ist, und der distanzierte Vater (sehr überzeugend: Ciarán Hinds), ein erfolgreicher Restaurantchef.

Auch die Familie von Eleanor (u.a. William Hurt, Isabelle Huppert, Jess Weixler) leidet unter der Situation.

Auch die Familie von Eleanor (u.a. William Hurt, Isabelle Huppert, Jess Weixler) leidet unter der Situation.

(Foto: 2014 PROKINO Filmverleih GmbH)

Es dauert eine Weile, bis sich die beiden wiedersehen. Bis sie den Mut finden, wieder miteinander zu reden. Denn jede Begegnung ist auch eine schmerzhafte Reise in die gemeinsame Vergangenheit. Nach und nach enthüllt damit auch der Film die Hintergründe der Trennung. Zum Vorschein kommen eine vielschichtige Beziehung und ein tragisches Erlebnis, mit dem beide sehr unterschiedlich umgehen.

Regisseur Benson zeigt in "Das Verschwinden der Eleanor Rigby", dass zwei Menschen, die sich sehr nahe sind, komplett verschiedene Perspektiven einnehmen und daran scheitern können. Das gilt selbst für ihre Eltern, die vom Tod des Enkels nicht minder betroffen sind. Alle kreisen um dieses Trauma und versuchen jeweils auf ganz eigene Weise damit umzugehen, mit Flucht, Arbeit oder Alkohol. Zwar ist es konsequenter (und experimenteller), dies in zwei verschiedenen Filmen zu zeigen. Doch auch die Version, die nun ins Kino kommt, setzt die Thematik gekonnt um.

Irgendwann begegnen sich Eleanor und Connor wieder.

Irgendwann begegnen sich Eleanor und Connor wieder.

(Foto: 2014 PROKINO Filmverleih GmbH)

Vor allem gelingt es Benson immer wieder, mit wenigen Andeutungen die jeweilige Stimmung einzufangen. Wie die Kamera immer dicht an den Figuren bleibt und jede Regung mitnimmt, ist sehr herzergreifend. Der Film beginnt mit einer wundervoll unbeschwerten Szene in einem Restaurant, die das ganze Glück des Paares in ein paar Minuten packt. Dann jedoch kommen der harte Schnitt und die getrennten Wege, die Eleanor und Connor gehen. Sehr ruhig, atmosphärisch und mit viel Gefühl für die Figuren werden die Seelenzustände auseinandergenommen, um sie später wieder ins Verhältnis zu setzen, wenn sich die beiden wiederbegegnen.

Die glänzend spielenden Chastain, die den Film mitproduzierte, und McAvoy tragen den Film auch durch die etwas langatmigen Szenen. Auch dann, wenn der Film vor all der Stimmung ins Kitschige zu kippen droht. Sie verleihen den Figuren jene Präsenz und Glaubwürdigkeit, die es gerade in den intensiven Szenen braucht. Wobei sie auch noch von exzellenten Nebendarstellern unterstützt werden.

"Familien sind wie fremde Länder"

Mit der ruhigen elektronischen Musik, die den Film untermalt, aber auch in der emotionalen Verlorenheit der beiden Hauptfiguren erinnert "Das Verschwinden der Eleanor Rigby" an "Lost in Translation" von Sofia Coppola. "Familien sind wie fremde Länder. Wir wissen nicht, wie man mit den Einheimischen spricht", sagt Eleanors Vater treffend an einer Stelle. Auch ihr und Connor fehlt die Sprache, sie können ihre Gefühle nicht in Worte fassen.

Das geht dem Zuschauer nicht viel anders. Gerade weil Details unausgesprochen bleiben und man sich selbst einen Reim darauf machen muss, entwickelt man schnell eigene Gefühle gegenüber den Protagonisten. Man trauert mit ihnen. Man leidet mit ihnen. Man hofft mit ihnen. Wie gesagt: Man wird das Kino nicht mit einem strahlenden Lächeln verlassen. Aber einen so intensiv-schönen Kinofilm sieht man nicht alle Tage. Bleibt nur zu hoffen, dass auch die beiden Einzelfilme irgendwann in Deutschland zu sehen sein werden.

"Das Verschwinden der Eleanor Rigby" läuft ab 27. November in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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