Kino

"Erinnerung an meine traurigen Huren" Der alte Mann und die Jungfrau

Am Anfang schlafen sie aneinander vorbei: der Alte und die Jungfrau.

Am Anfang schlafen sie aneinander vorbei: der Alte und die Jungfrau.

(Foto: Capelight Pictures)

Zu seinem 90. Geburtstag will sich "Der Weise" etwas Besonderes gönnen: eine Jungfrau in einem Bordell. Doch dann entdeckt er seine Gefühle. "Erinnerung an meine traurigen Huren", die Verfilmung des letzten Romans von Gabriel García Márquez, verklärt die Geilheit eines Egoisten. Darüber können auch die schönen Bilder nicht hinwegtäuschen.

Rosa Cabarcas verschafft dem Alten seine Jungfrau, ...

Rosa Cabarcas verschafft dem Alten seine Jungfrau, ...

(Foto: Capelight Pictures)

"Heute ist es so weit. Morgen feiere ich meinen 90. Geburtstag, und ich will mir eine liebestolle Nacht mit einer Jungfrau schenken." So beginnt "Erinnerung an meine traurigen Huren", die Verfilmung des jüngsten und angesichts von vielleicht auch letzten Romans des Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez. Es ist El Sabio (Emilio Echevarría), der Weise, der sich das Vergnügen einer Jungfrau leisten will. Also ruft er eine alte Bekannte an, die Bordellbesitzerin Rosa Cabarcas (Geraldine Chaplin). Jungfrauen seien schwer zu finden, antwortet diese, aber sie wolle ihr Möglichstes tun.

Gesagt, getan, sie treibt noch eine Jungfrau auf. El Sabio, der nach Aussage einer früheren Geliebten einen "enormen Eselsschwanz" hat, zieht seinen besten Anzug an und macht sich auf zum Bordell, das offensichtlich schon bessere Tage erlebt hat. Seine Jungfrau (Paola Medina) findet er jedoch schlafend vor, Rosa Cabarcas hat sie mit Beruhigungsmitteln vollgestopft, weil das junge Mädchen so aufgeregt war. So legt er sich neben sie, bewundert ihren nackten Körper, vergreift sich aber nicht an ihr und geht am Morgen wieder nach Hause. Doch er ist fasziniert von "Delgadina", wie er sie nach einem alten Schlager nennt. Und er möchte sie wieder sehen - nicht, um mit ihr zu schlafen, sondern um sie im Schlaf zu betrachten.

... die sich als armes Mädchen aus einer Näherei entpuppt.

... die sich als armes Mädchen aus einer Näherei entpuppt.

(Foto: Capelight Pictures)

Die Begegnungen mit dem 14-jährigen Mädchen, die immer stumm bleiben, verändern den Alten. Immer öfter erinnert sich El Sabio an Stationen seines Lebens, vor allem aber an die Frauen, mit denen er geschlafen hat. Es waren immer Huren, nie war er aus Liebe mit einer Frau zusammen. Seine Verlobte Ximena ließ er sitzen, weil er sich nicht an eine Frau binden wollte. Stattdessen trieb er es mit Casilda Armenta und vielen anderen Huren. Auch an Damiana, der Haushälterin seiner Familie, vergriff er sich über die Jahre, wann er wollte. Und er erinnert sich an seine wunderschöne Mutter, die früh verstarb.

"Du bist nicht verrückt, aber dement"

El Sabio, der eine erfolgreiche Kolumne für eine Zeitung schreibt, verliert sich zunehmend in seinen Gefühlen für die Jungfrau. Erstmals in seinem Leben empfindet er Liebe. Mit Liebesbriefen in seiner Kolumne begeistert er fortan seine Leser. Doch eines Tages verschwindet Delgadina spurlos. Der Alte ist verzweifelt und begibt sich auf die Suche.

Schon in jüngeren Jahren bevorzugt El Sabio Huren.

Schon in jüngeren Jahren bevorzugt El Sabio Huren.

(Foto: Capelight Pictures)

"Ich bin verrückt vor lauter Liebe", schreit El Sabio an einer Stelle in die nächtliche Stadt hinaus. "Du bist nicht verrückt, aber dement", schallt es ihm entgegen. Diese Sätze umschreiben ganz gut das Problem des Films: Er handelt von einem 90-Jährigen, der sich zum Geburtstag in einem Bordell mit einer Jungfrau beschenken möchte und erstmals in seinem Leben die Liebe entdeckt, weil er bisher Huren bevorzugt hat. Aber vielleicht ist dies in erster Linie gar nicht das Problem des Films, denn er hält sich recht eng an die Romanvorlage. "Erinnerung an meine traurigen Huren", Marquez' jüngstes Werk, gehört sicher nicht zu seinen besten und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht mehr als eine Altherrenfantasie zu sein.

Auch die Dreharbeiten zur Verfilmung in Mexiko hatten mit Problemen zu kämpfen. Die Debatte erhielt an Schärfe, weil kurz zuvor in der Schweiz verhaftet worden war - wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung einer Minderjährigen in den USA. Mexikanische Kinderschutzorganisationen jedenfalls verklagten die Produktion, da sie dem Missbrauch von Kindern Vorschub leiste. Offensichtlich erfolglos, der Film wurde fertiggestellt.

"Erinnerung an meine traurigen Huren" ist als DVD und Bue-ray bei Capelight erschienen. Beide Formate enthalten als Bonus lediglich den Kinotrailer.

"Erinnerung an meine traurigen Huren" ist als DVD und Bue-ray bei Capelight erschienen. Beide Formate enthalten als Bonus lediglich den Kinotrailer.

Der Vorwurf geht auch zu weit, denn der Streifen ist weder pornografisch noch befürwortet er Kindesmissbrauch. Andererseits hinterfragt er auch nie, dass eine 14-Jährige aus ärmlichen Verhältnissen an einen 90-jährigen Freier verkauft wird. Der Film ist - wie schon der Roman - ein melancholischer, vor allem aber verklärender Blick auf die Vergangenheit, in den Marquez wohl auch Erinnerungen an sein eigenes Leben eingewoben hat. Dem Streifen hätte dabei etwas mehr Reflexion gutgetan - so wirkt die durch getragene Musik und leicht ausgebleichte Bilder angestrebte poetische und erotische Atmosphäre der karibischen Welt eher naiv.

Doch auch wenn man von den Problemen der Handlung absieht, ist "Erinnerung an meine traurigen Huren" kein Meisterwerk geworden. Zwar setzt der dänische Regisseur Henning Carlsen, der kürzlich 85 wurde, den Ort der Handlung - die kolumbianische Karibikküste im Jahr 1960 - in schönen, lichtdurchfluteten Bildern in Szene, doch insgesamt fehlt es dem Film einfach an Schwung.

"Der Weise" erweist sich als Arschloch

Emilio Echevarría (bekannt aus "Amores Perros" und "Babel") als El Sabio agiert sehr behäbig, was zwar seinem Filmalter entsprechen mag, aber wiederum sein sexuelles Verlangen und seine Verliebtheit unrealistisch wirken lassen. Dagegen liefert Geraldine Chaplin (die ihren ersten Filmauftritt 1952 in "Rampenlicht" von ihrem Vater Charles hatte) als Bordellbesitzerin eine überzeugende Leistung ab.

Ein weiteres Problem des Films ist, dass man mit dem alten, einsamen Greis einfach kein Mitgefühl haben kann, denn "der Weise" ist ein ziemliches Arschloch: Seine Verlobte lässt er wegen ein paar Huren sitzen. Seine Haushälterin nimmt er, wann es ihm passt. Als alter Mann beklagt er sich dann bei ihr, dass er noch nie verliebt war, während sie - inzwischen ebenfalls eine alte Frau - neben ihm auf den Knien den Boden schrubbt und ihm erklärt, dass sie ein Leben lang auf ihn gewartet hat. Hier spiegelt der Film den lateinamerikanischen Machismo wider.

Am stärksten ist der Film deshalb, als nach einem Mord im Bordell sowohl deren Besitzerin als auch das junge Mädchen untertauchen müssen. Auf der Suche nach ihr irrt El Sabio verzweifelt durch die Straßen. Hier offenbart er nicht nur - erstmals in seinem Leben - Gefühle, sondern auch eine schwache, von anderen abhängige Seite. Wobei man stellenweise nicht sagen kann, ob er dabei nur verrückt nach Liebe ist oder auch dement.

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Quelle: ntv.de

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