Spike Lee über "Blackkklansman" "I don't give a fuck about Fox News"
22.08.2018, 17:16 Uhr
Black and White - can't we just live together? Yes, we can.
(Foto: dpa)
Kann man einen leichten Film über ein schweres Thema drehen? Yes, we can. Kann das lustig sein? Auch das. Spike Lee sagt dazu: "Black Man infiltrates Ku Klux Klan, diese sechs Worte, die sind doch der größte Witz." He's doing the right thing. Again.
Spike Lee ist blendend gelaunt, und das, obwohl er ständig unterwegs ist. "Ich komme aus London, ich bleibe den ganzen Tag in Berlin, dann muss ich nach New York, and then I'm 'kaputt', 'fertisch', 'done'", sagt er und lacht. Lee promoted seinen neuen Film "Blackkklansman". Die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte wurde auf den Filmfestspielen in Cannes mit dem Grand Prix der Jury ausgezeichnet, die ihn für einen "fundamental wichtigen Film" hält. Der Film wird auch andernorts über den grünen Klee gelobt - zu Recht. Die Story klingt zu verrückt, um wahr zu sein, und doch ist das alles so passiert: Wir schreiben die frühen 1970er-Jahre, eine Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche. Da passt es kaum ins Bild, dass der junge Polizist Ron Stallworth (John David Washington) als erster Afroamerikaner seinen Posten als Kriminalbeamter im Colorado Springs Police Department antritt. Entschlossen startet der unerschrockene Cop eine aberwitzige und gefährliche Mission: den Ku-Klux-Klan zu infiltrieren und bloßzustellen. Stallworth gibt - am Telefon - vor, ein eingefleischter Extremist zu sein, und nimmt Kontakt zur lokalen Gruppe der Rassistenvereinigung auf. Es gelingt ihm, in den inneren Kreis vorzudringen. Er imitiert die Sprache der hasserfüllten Rassisten so überzeugend, dass er sogar das Vertrauen des Klanführers David Duke (Topher Grace) gewinnt. Als die Undercover-Mission zunehmend komplexer wird, übernimmt Stallworths Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) Rons Rolle in den persönlichen Treffen. Dort erlangt er Insiderwissen über einen tödlichen Plan. Gemeinsam machen sich Stallworth und Zimmerman daran, die Organisation zu Fall zu bringen. In den USA legte "Blackkklansman" einen fulminanten Start an den Kinokassen hin. Die Oscar-prämierte Regie-Legende Spike Lee hat es geschafft, dieses schwierige Thema auf eine tatsächlich leichte Art zu erzählen. Lee ist es gelungen, einen versöhnlichen Film zu drehen, einen, der allen den Spiegel vorhält und der einem das Lachen manchmal im Halse stecken lässt, aber durch Auftritte wie die von Alec Baldwin (einen der besten Trump-Parodisten überhaupt) macht er unmissverständlich klar, was er von den jetzigen USA hält. Wer früher gelacht und gedacht hat, dass das - Präsident Trump, von Lee nur "Agent Orange" genannt - schon nicht "passieren" wird, der wird an der einen oder anderen Stelle nun Gänsehaut bekommen. Vor Angst, Machtlosigkeit und Fassungslosigkeit. n-tv.de traf Spike Lee im Berliner Soho House.
n-tv.de: So ein schweres Thema so leicht erzählt, wie kommt's?
Spike Lee: (guckt bedeutungsschwanger) Die Erklärung für diese Leichtigkeit ist einfach: Als man mich anrief und mir sagte, dass ich doch bitte einen Film über diese Story drehen sollte, sagte Jordan Peele mir nur sechs Worte: "Black Man infiltrates Ku Klux Klan" (Pause). Allein das ist doch der Witz! Ein schwarzer Mann unterwandert den Ku Klux Klan. Das ist unmöglich! Und doch ist so passiert! Diese Tatsache ist sehr sehr lustig! Finde ich! Oder?
Ja, schon, aber …
Sorry, dass ich unterbreche, aber es gibt kein Aber, die ganze Sache ist so aberwitzig, so absurd, dass man dieses Thema nur mit Leichtigkeit anpacken konnte. Ganz einfach also: Man braucht Humor für so ein Thema. Man braucht keine - Spike Lee macht angestrengte "Denkgeräusche" - man braucht Humor. Ich hab mich halb totgelacht, als er mich angerufen hat. Ich meine, sechs Worte! Das ist ein Witz! Das kann nicht wahr sein. Aber es ist wahr.
Ist Humor ein Mittel gegen Rassismus?
Ja, Humor und wählen (lacht laut). Jetzt mal im Ernst: Humor hat schon immer geholfen, war schon immer auch ein Schutz. Und Musik. Prince hatte mit "Mary don't you weep" einen Song neu vertont, der meine Vorfahren durch die Zeit der Sklaverei gebracht hat. Das muss man sich mal vorstellen. Da muss man mal genauer hinhören! Man sang auf den Feldern, in der Kirche! Spirituelle Lieder und Gospel waren schon immer ungeheuer hilfreich, und dann ging es über in den Blues, in den R 'n B, in Hip Hop, Rock 'n Roll. Die Musik schafft es, dass man weitermacht. Dass man einen Schritt weitergeht. Einen Film zu drehen, der ein ernstes Thema komisch angeht, ist also eine echt schwere Nummer, aber ich bin nicht der Erste, der das geschafft hat. Mein liebstes Beispiel: "Peter Sellers in "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben." Man muss die richtige Balance finden. Wenn man das nicht schafft- dann Ende, aus (lacht).
Das Thema - Rassismus - ist leider sehr aktuell …
Ja, das war die Herausforderung an der Sache für mich: Einen Film zu drehen aus den Siebzigern und gleichzeitig modern zu wirken. Ich verdanke meinem Team - Kamera, Stylisten, Licht, Schnitt - da unheimlich viel, dass sie es geschafft habe, eine Verbindung zu heute herzustellen. Und dann wäre da noch "Agent Orange" - ich nenne ihn nicht bei seinem Namen (!) - der quasi das Ende des Films für mich geschrieben hat. (Pause) Die Ereignisse in Charlottesville genau vor einem Jahr. (Zögert) Charlottesville war der pure Terrorismus.
Es wird immer schwerer, die Nachrichten zu sehen, wenn solche Dinge immer wieder passieren …
Ich muss kurz ausholen, und bitte nicht falsch verstehen: Ich l-i-e-b-e Cate Blanchett, die dieses Jahr die Jurypräsidentin in Cannes war. Sie sagte - und das war fast schon auf einem Wim Wenders-Level (Lee springt auf, und guckt, ob Wim Wenders eventuell im Raum ist: "Wo ist Wim, hat er sich hier versteckt, der ist doch bestimmt hier!!"), also Cate Blanchett sagte, sie liebe den Film "Blackkklansman" vor allem deswegen, weil er die Ereignisse in Amerika anprangert. Doch da muss ich leider widersprechen: Nein Cate, da hattest du nicht ganz recht, denn das ist kein amerikanisches Problem, sondern ein weltweites. Leider. Ich hoffe, sie will jetzt noch immer mit mir arbeiten … (lacht). Es ist ja tatsächlich so, dass jemand, der nicht in den Vereinigten Staaten lebt und diesen Film sieht, denken könnte, dass "diese Amerikaner" echt ein Problem haben. Mit diesem Ku Klux Klan. Denen kann ich nur zurufen: Wacht auf! Das ist ein weltweites Phänomen. Ich sage nur: Brexit. Oder: rechte Parteien im Vormarsch.
Wie gehen Sie damit um, dass es Nachrichtenstationen wie Fox gibt, die Sie und andere Kollegen vollkommen ignorieren? Ihr Film ist bereits erfolgreich, wurde in Cannes mit dem Jurypreis ausgezeichnet, aber: keine Erwähnung in den Fox-Nachrichten.
Wissen Sie was? I don't give a fuck about Fox News. Ich brauche die nicht. Die sind wie ein anderes Universum. Die feiern alles, was "Agent Orange" sagt, aber zum Glück gibt es immer noch viele Leute, die denen nicht glauben.
Andere aber schon, nicht wenige …
Ja, richtig. Sie laufen einem Guru hinterher, sie glauben seine Lügen. Er sagt ja direkt: "Leute, ich werde euch jetzt dermaßen anlügen, dass ihr es kaum glauben könnt!" Er ist einfach keine gute Person. Ich meine, er war schon ein böser Mensch, als er noch nicht im Weißen Haus saß. Er ist diese Art Individuum, das vor dem Altar des allmächtigen Dollars auf die Knie geht und denkt, dass sich alles um Geld dreht. Money, money, money. Er hat kein Gewissen, keine Seele, er ist der Typ, der seine eigene Großmutter verkaufen würde. Wir müssen das ganz realistisch sehen: Es gab ein paar arme, weiße Leute, die diesen Typen für ihren Retter hielten. Und leider nach 18 Monaten immer noch dafür halten.
Vor nicht allzu langer Zeit sang Aretha Franklin noch im John F. Kennedy Center in Washington, Präsident Barack Obama wurde emotional, eine First Lady mit Herz saß neben ihm - kommt Ihnen das nicht auch so vor, als wären diese "good old days" schon ewig her? Und vermissen Sie diese Zeiten nicht wahnsinnig?
(guckt wieder bedeutungsschwanger, das kann er gut) Danke für diese Frage. (lacht) Natürlich vermisse ich diese Zeiten wahnsinnig! Die Präsidentschaft von Barack Obama war nicht nur für Afroamerikaner ein großer Moment in der amerikanischen Geschichte. Diese Euphorie (lacht) … Als Obama zu Beginn seiner ersten Amtszeit seine rechte Hand auf die Bibel von Abraham Lincoln legte, da war das ein ganz besonderer Moment. Im Nachhinein kommt mir das wie ein acht Jahre andauerndes Fest vor (lacht). Jetzt ist die Party vorbei. Das ist wirklich schmerzhaft.
Kann ein Film die Welt zu einem besseren Ort machen?
Kunst kann das, ja. Schon immer! Ich glaube fest an die Kultur. Das beinhaltet auch Filme. Filme können Dinge verändern, zum Guten.
Mit Spike Lee sprach Sabine Oelmann
"Blackkklansman" startet am 24. August in den deutschen Kinos
Quelle: ntv.de