Dem Metallica-Frontmann zum 50. Geburtstag James Hetfield, ein Leben in Hass
03.08.2013, 11:29 Uhr
Alkohol begleitete Hetfields Aufstieg.
(Foto: Reuters)
Die Abscheu vor der Künstlichkeit am Sunset Strip treibt Metallica nach San Francisco. Dort wird die Band um James Hetfield zur Speerspitze einer Szene, die die Musikwelt verändert. Im Auge des Aufstiegs ertränkt Metallicas Frontmann seine Probleme in Alkohol. Nach einem halben Jahrhundert sagt er nun: "Ich bin noch immer auf der Suche."
Es gibt da diesen einen Song, der wohl mehr ausgeschlachtet wurde als alle anderen. Nicht weil die Musik schier unzählige Male gecovert wurde, wie von etwa "Seek & Destroy" oder "Creeping Death". Sondern dessen Titel eine ganze Karriere beschreibt: "Some Kind of Monster", zu finden auf dem Album "St. Anger". Es könnte auch der Titel eines halben Jahrhunderts James Hetfield sein. Des Gitarristen, der nie singen wollte, aber mit Metallica zu einem der charismatischsten Frontmänner eines Genres wurde.
Unter Fans wird viel geredet über die 1980er Jahre, die legendäre Anfangszeit des Thrash Metal und ihrer Protagonisten. So gehört es etwa noch immer zur Legendenpflege, über den Rauswurf von Gitarrist Dave Mustaine zu sinnieren. Und damit über die Behauptung, eine Art musikalischer Hahnenkampf zwischen Hetfield und dem späteren Megadeth-Gründer hätte dazu geführt, dass Mustaine nach einer mehrtägigen Reise von der West- an die Ostküste der USA einfach ausgesetzt wurde. Kurz vor den dortigen Aufnahmen zum ersten Album. Das ist im Jahr 1983.
Vorbilder aus Europa

Metallica heute: Kirk Hammett, Lars Ulrich, James Hetfield, Robert Trujillo (v.l.n.r.)
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Band als Familie, häufig die Idealvorstellung Außenstehender, ist für Hetfield schon vorher Realität. Die Eltern gehören einer christlichen Splittergruppe an, die von der Heilkraft des Glaubens statt der Medizin überzeugt ist. Die Beiden lassen sich scheiden, als er 13 Jahre alt ist, seine Mutter stirbt drei Jahre später an Krebs. Danach ist Hetfield auf sich allein gestellt. Er reagiert sich in der Musik ab und gründet nach mehreren anderen Bands gemeinsam mit Schlagzeuger Lars Ulrich im Jahr 1981 schlussendlich Metallica.
Hetfield prägt das Gesicht Metallicas, die im selben Jahr mit "Kill 'Em All" einen Meilenstein der Metal-Geschichte veröffentlichen. Er schreibt die Riffs und die Texte. Da ist Hetfield 20 Jahre alt. Die Herzen der Fans erobert er mit ehrlicher Ansprache und abseits elitären Gehabes, das ihn von seiner Heimatstadt Los Angeles wegtreibt. "Es gab riesigen Hass auf Glam", sagt er heute. Hass, der ihn selbst und eine ganze Szene antreibt.
Die musikalischen Vorbilder kommen vor allem aus Europa, so wie Motörhead oder Diamond Head. "Von Anfang an haben sich Leute mit uns identifiziert", sagt Hetfield: "Besonders wütende junge Männer." Die spielerische Finesse des Hardrock mit der Aggression und Direktheit des Punk zu verbinden, das ist es, was die rebellischen Jugendlichen aufpeitscht.
Währenddessen werden Bands wie Mötley Crüe, Ratt oder Poison Teil der Geldmaschine Music Television - mit Haarspray, Schminke, poppigen Farben und dem Spiel mit Geschlechterrollen. Hetfield und seine Bandkollegen stößt das ab. Der Sunset Strip ist nicht der richtige Ort für Metallica. Auch, weil sie dort als Punkrocker verspottet werden. Weiter nördlich entwickelt sich in der San Francisco Bay Area die Gegenszene: Der Thrash Metal um Bands wie Death Angel, Testament oder Exodus. Metallica werden zur Speerspitze einer Szene, die sich als Reaktion auf die Künstlichkeit des Glam versteht. "Wir sind die schwarzen Schafe der Musik", zeigt sich Hetfield heute noch überzeugt.
Wodka wie Wasser
Immer dabei ist der Alkohol. Als die Band nach ihrem zweiten Album "Ride the Lightning" 1985 auf Europatour geht, fällt ihnen ein Fan auf, der das "Kill 'Em All" Motiv auf einem T-Shirt mit dem Wort "Alcoholica" versieht, im Stil des Schriftzuges. Ein passender Spitzname. Bandmitglieder werden später sagen, sie erinnern sich meist nur an die Konzerte - und danach an nichts mehr. Alkohol ist der Treibstoff für Hetfields Karriere. Gitarrist Kirk Hammett, der den geschassten Mustaine ersetzt hatte, erinnert sich: "Als ich die Jungs zum ersten Mal traf, tranken sie Wodka wie Wasser." Das dritte Album Metallicas ist sogleich ihr absoluter Durchbruch: "Master of Puppets" wird das erste Platinum-Album einer Thrash Metal Band überhaupt. Thema des Titelsongs: Drogen.
Hetfield singt zwar immer wieder über Abhängigkeit, blendet im zyklischen Zirkus von Aufnahmen und Tour seine Probleme aber aus. "Es gab eine Menge verräterischer Hinweise, dass James in der Bredouille steckte", so Schlagzeuger Ulrich. "Aber wir waren selber mit Trinken beschäftigt." Die Metal-Szene glorifiziert Alkohol; er schreibt Geschichten von Stärke und Männlichkeit, von Zugehörigkeit. Hammett sagt: "Es wurde Teil unserer Legende. Die Leute wussten, dass sie ihre Getränkevorräte aufstocken mussten, wenn wir in die Stadt kamen."
Der Motor stockt
Das Erweckungserlebnis für Hetfield kommt jedoch erst viele Jahre später - nach dem selbstbetitelten Nummer-1-Album in über 30 Ländern, mit dem Metallica Anfang der 1990er Jahre ihre Karriere krönt, auch nach den unter Fans umstrittenen musikalischen "Load"-Ausflügen. So richtig stockt der Motor Hetfield plötzlich im Jahr 2001, weil der Treibstoff nicht mehr hilft. Sondern ein Monster aus ihm macht. Nach einem wochenlangen Saufgelage bricht er alle Vorbereitungen zum neuen Album ab und geht in Therapie. Die Studio-Auszeit dauert fast ein Jahr. Sie verändert sein Leben.
Der Frontmann nennt sich inzwischen einen "reborn straight edge", komplett abstinent von Drogen. "Du kommst in diese große beängstigende Welt und es ist wie eine Wiedergeburt", beschreibt Hetfield seinen Schritt aus der Rehabilitation. Ein Schritt, der vieles rettet in seinem Leben: Seine Familie, die ihm zuvor ein Ultimatum gestellt hatte; Metallica, zerrissen von Eitelkeiten und jahrelang unausgesprochenen Konflikten; das Vertrauen in seine eigenen Stärken.
Seit zehn Jahren ist James Hetfield ohne Drogen, auf "St. Anger" folgte im Jahr 2008 "Death Magnetic", dass sich wie ein Neuanfang des Hasses anfühlt, der die Band an die Spitze des Metal-Genres trieb. Nun wird er 50 Jahre alt. Der Treibstoff abseits der Drogen ist derselbe, sagt Hetfield: "Ich suche noch immer nach dem ultimativen Riff."
Quelle: ntv.de