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R.E.M.: "Collapse Into Now" Melancholie statt Mediamarkt-Pop

"Collapse Into Now", das mittlerweile fünfzehnte Studioalbum von R.E.M., ist ein spannendes Album geworden, melancholisch und manchmal verstörend. Die Band liefert viele Highlights und kommt dabei durchaus auch mal vom Weg ab.

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Kann man etwas Vernichtenderes über ein R.E.M.-Album sagen, als dass es ganz nett wäre? Kaum, aber die Veröffentlichungen des Trios im neuen Jahrtausend waren bestenfalls oberer Durchschnitt; nichts weiter als der verzweifelte Versuch, nicht als peinliche Stadion-Dinosaurier zu enden. R.E.M. standen kurz davor, nicht mehr ernst genommen zu werden. Aber dann kamen Michael Stipe, Mike Mills und Peter Buck nach Berlin.

"Collapse Into Now", zum Großteil geschrieben und aufgenommen in der deutschen Hauptstadt, ist ein sprödes, schwer zugängliches und in all seiner Verletzlichkeit hartes Album geworden. Schon beim Opener "Discoverer" mag man kaum glauben, dass diese Band einmal Titel wie "Shiny Happy People" produziert hat. Stipe übt sich scheinbar in schonungsloser Selbstkritik, wenn er singt, "nur ein wenig mehr Finesse hätte etwas weniger Unheil angerichtet". Unterlegt sind diese Zeilen mit konsequent altmodischem Collegerock, der zeigt, dass R.E.M. noch immer so selbstbewusst scheppern können wie zu Zeiten ihres Debütalbums "Murmur". Wird es dann doch etwas folkiger wie in "Überlin", "Oh My Heart" oder "It Happened Today", den drei zugänglichsten Tracks auf "Collapse Into Now", erreichen R.E.M. lange nicht gehörte Songschreiberqualitäten, die denen der ungekrönten Folkrockkönige vom Teenage Fanclub nur wenig nachstehen.

Hörvergnügen mit pathetischem Ausreißer

Wer einen Plattenspieler sein Eigen nennt, sollte sich die neue R.E.M. als Vinyl zulegen. "Collapse Into Now" ist eine der wenigen neuzeitlichen Rockproduktionen, die sich an die Regeln der Schallplatte halten – zwölf Songs, sechs auf jeder Seite, ein Ballädchen zum Abschluss der ersten Hälfte, um den Hörer auf der B-Seite wieder mit feinstem Uptempo-Geschrammel zu wecken. Und natürlich darf das Album dann auch mit dem längsten und experimentellsten Lied "Blue" enden. Dass dieser Song trotz (oder wegen?) des Duetts mit Patti Smith wie ein pathetischer Ausreißer wirkt und gelinde gesagt kein Meisterwerk geworden ist, stört das Hörvergnügen überhaupt nicht.

Warum? Weil sich R.E.M. auf "Collapse Into Now" einen feuchten Kehricht um den Markt scheren. Weil R.E.M. ein Album mit vielen Highlights aufgenommen haben, die durchaus auch mal vom Weg abkommen dürfen und der Band in einigen Jahren vielleicht sogar leidtun. Aber wenigstens regt sich wieder etwas im R.E.M.-Kosmos. "Collapse Into Now" ist eine spannende Platte geworden, melancholisch, verschachtelt, manchmal verstörend. Kann man etwas Besseres über ein R.E.M.-Album sagen? Kaum.

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Quelle: ntv.de

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