"Notes From San Francisco" Rory Gallagher: Das vergessene Genie
27.07.2011, 11:28 UhrDer Ire Rory Gallagher gehört zu den Großen des Rock'n‘Blues. Er hätte Eric Clapton – vielleicht – den Rang abgelaufen, wenn er nicht an seiner eigenen Maßlosigkeit zugrunde gegangen wäre. Jetzt ist ein bislang unveröffentlichtes Album von ihm erschienen, das es sogar in die Top 50 geschafft hat. Nach mehr als 30 Jahren.
Er hätte Mick Taylor als Gitarrist bei den Rolling Stones nachfolgen und Ron Wood ausstechen, nach Ritchie Blackmore bei Deep Purple einsteigen oder Eric Clapton bei Cream ersetzen können. Rory Gallagher wollte nicht. War es Egozentrismus oder Abneigung gegen Starrummel? Er kann es uns nicht mehr sagen. 1948 im idyllischen Ballyshannon im Nordwesten Irlands geboren, dort wo die Grüne Insel wahrscheinlich am grünsten ist, starb er 1995 in London an den Folgen seiner eigenen Maßlosigkeit. Gallagher war ein Draufgänger: Sein Blues ist durchgängig rockiger als der seines Landsmannes Gary Moore, selbst bei gefühlvollen Tracks wie "Wheels Within Wheels". Gallaghers Blues ist proletarischer als der intellektualisierende von Clapton, seine Fingerfertigkeit nicht geringer. Man höre nur den Song "Cruise On Out".
God hat ihn niemand genannt. Vielleicht, weil er – ganz im Gegensatz zu seinem jungenhaften Aussehen – ein Devil war, der von einem anderen Teufel namens John Barleycorn besessen war, was im Englischen für Alkohol steht.
Das vorliegende Album präsentiert auf der ersten CD die unveröffentlichte LP "Notes From San Francisco", die im November 1978 und Januar 1979 zumeist live in den franziskanischen "His Master’s Studios" des US-Amerikaners Elliot Mazer aufgenommen wurde. Dem Meister soll die Abmischung nicht gefallen haben, drum – so heißt es – blieben die Mastertapes in den Regalen. Ein Zeichen dafür, dass Gallagher nicht nur hohe Ansprüche an sich selbst stellte. Aber auch Ausdruck dafür, dass dem zumeist in Jeans und kariertem Holzfällerhemd herumlaufenden Mann Geld ziemlich egal war. Mehr als drei Jahrzehnte später nun, hightechbearbeitet von seinem Bruder und einstigem Manager Donal und dessen Sohn Daniel, halten wir das Werk so in den Händen, wie Rory es vielleicht schon damals gern gehabt hätte.
Die zweite CD bietet einen gleichfalls unveröffentlichten Mitschnitt eines von insgesamt vier Konzerten, die Gallagher im Dezember 1979 im "Old Waldorf" von San Francisco zum allerbesten gab. Da kracht es und rumst es nur so, dass der Andreasgraben wackelt. Sogar Gallaghers mürrischer und selbstverliebter Landsmann und Konzertbesucher Van Morrison war begeistert. Zumeist Eigenkompositionen, die so authentisch waren wie die selten von Gallagher auf Platte nachgespielten Songs der schwarzen Bluesmen, die seine Inspiratoren waren. Und dann der Schlusspunkt: Der Ire spielt "Sea Cruise" des US-amerikanischen One Hit Wonders Frankie Ford aus 1959, eigentlich eine traditionelle Rock and Roll-Nummer, die mit Bläsern und Schiffsglocken unterlegt ist. Do legst di nieder und stehst nimmer af! Wieder einmal hatte einer von den Inseln in Europa den Nordamerikanern ihre ureigenste Musik zurückgebracht. Wie einst die englischen Beatles und ihre Epigonen mit der "British Invasion". Eine "Irish Invasion", sozusagen. Zum prächtig aufgemachten Digibook gibt’s kluge Linernotes, Reproduktionen von Postkarten und handschriftlichen Liedtexten des Meisters. Don’t miss!!!
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Quelle: ntv.de