Frankenweenie - "ein Wahnsinnsaufwand" Wie Figuren das Leben lernen
26.01.2013, 11:20 Uhr
Bei der Arbeit: Peter Sorg am Set von "Frankenweenie".
(Foto: Walt Disney Pictures)
Stop-Motion ist eine der ältesten Trick-Techniken des Films überhaupt. So viel Aufwand wie für sie vonnöten ist, so faszinierend ist sie nach wie vor. Im n-tv.de Interview erklärt Peter Sorg, Chefkameramann bei Tim Burtons "Frankenweenie", wie man Puppen zum Laufen bringt.
n-tv.de: "Frankenweenie" ist nicht der erste Film von Tim Burton, an dem sie mitgewirkt haben. Auch bei "Corpse Bride" waren Sie schon mit von der Partie. Wie kam es zu dieser Verbindung?
Peter Sorg: Das kam tatsächlich durch "Corpse Bride". Auf Grund meines Showreels hat mich der damalige Chefkameramann in sein Team aufgenommen. In der Folge habe ich eineinhalb Jahre an "Corpse Bride" mitgewirkt. Das war eine sehr gute Zusammenarbeit. Und bei "Frankenweenie" hat sich Tim Burton nun für mich als Chefkameramann entschieden.
Tim Burton wird als Regisseur von vielen sehr geschätzt. Zugleich gilt er aber auch als ein etwas schräger Vogel. Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Meine Erfahrungen mit ihm sind super. Vor allem, weil er den Leuten, die bei seinen Filmen mitmachen, vertraut. Das macht viel aus. Er ist kein Kontrollfreak, der überall seine Hände mit drin haben muss. Zugleich ist seine Präsenz immer zu spüren, auch wenn er nicht im Studio ist. Dabei war er wesentlich häufiger anwesend als bei "Corpse Bride" - weil "Frankenweenie" für ihn ein viel persönlicheres Projekt war. Er hat sich jeden Morgen die Arbeiten angesehen und kommentiert - oder auch nicht, weil für ihn alles gut war. Ich kann nur sagen: Er gibt einem als Regisseur gute Energie und Kreativität.
Ist er das Enfant Terrible, als das er gilt?
(lacht) Er sieht zwar so aus und vielleicht ist er es auch in seinem Privatleben - das weiß ich nicht. Aber die Arbeit mit ihm ist in jedem Fall in keinster Weise chaotisch, sondern sehr konzentriert. Da sieht man vor allen Dingen, wie enorm viel Erfahrung er hat.
Sie sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Heute arbeiten Sie in der Traumfabrik. Haben Sie davon auch schon immer geträumt?
Ich hätte mir das eigentlich nie erträumen lassen. (lacht) Eigentlich hatte ich mit Musik angefangen. Das war mein Ding. Als ich um die 20 war, haben mich Filme gar nicht groß interessiert. Erst später bin ich dazu gekommen - durch die Fotografie, die ich in Bristol studiert habe. Ich habe als Runner für Studios angefangen. Wegen meiner Fotografie-Kenntnisse bin ich dann in der Kamera-Abteilung gelandet. Als Assistent habe ich dort bald an Kurzfilmen oder Musikvideos mitgearbeitet. Von da an habe ich die Sache schon sehr ernst genommen, aber am Anfang eigentlich noch nicht.

Auf der Leinwand leben sie: Die Hauptfiguren Victor und Sparky aus "Frankenweenie".
(Foto: Walt Disney Pictures)
S pätestens seit dem Digitalzeitalter ist ja so gut wie jeder ein kleiner Kameramann. Wie viel hat Ihre Arbeit bei einem Film wie "Frankenweenie" eigentlich noch mit der allgemeinen Vorstellung davon zu tun?
Es hat schon noch sehr viel damit zu tun. Im Prinzip funktioniert das genauso wie schon immer. Man setzt Lichter und hat Kräne im Einsatz. Das Einzige, was sich verändert hat, ist das, was man auf das Stativ oder den Kran setzt. Der Kamerakörper ist inzwischen sehr klein. Letztlich ist es nur ein Gehäuse mit einem Chip darin. Aber die Gesetze, die für die Objektive, die Blenden und die Beleuchtung gelten, sind unverändert. Die Werkzeuge heute sind eben etwas besser. Und vor allem ermöglichen sie mehr Geschwindigkeit. Ma kann das Resultat eines Bildes schon nach ein, zwei Minuten auf dem Monitor sehen - und muss nicht erst warten, bis es irgendwann mal aus dem Chemiebad kommt.
"Frankenweenie" wurde ja mit dem so genannten "Stop-Motion-Verfahren" gedreht. Wie funktioniert das grundsätzlich?
Das ist ein ganz altes Prinzip, das heute noch genauso funktioniert wie etwa 1930, als "King Kong" herausgekommen ist - nur mit viel besserer Technik, versteht sich. Also: Wir haben eine Szene. Diese wird beleuchtet, je nachdem, ob man eine Morgen-, Tages- oder Abendstimmung haben möchte. Nachdem die Kamera in Position ist, wird ein Bild gemacht. Dann bewegt der Animator seine Puppe - und wieder wird ein Bild gemacht. So passiert das 24 mal, bis man eine Sekunde im Kasten hat. Mit einer entsprechenden Animationssoftware kann man sich das Ergebnis gleich angucken. Hat man zusätzlich eine Kamerabewegung, kommt noch "Motion Control" (computergestütztes Verfahren zur Kameraführung, Anm. d. Red.) hinzu. Jede Bewegung und jede Fokussierung wird dann programmiert. Das lässt sich beliebig oft wiederholen.
Das Prinzip ist zwar alt, dennoch klingt das für einen Laien unfassbar aufwendig. Wie viele Bilder mussten denn zum Beispiel für "Frankenweenie" aufgenommen werden?
Oh, ich habe es nicht so mit Zahlen. Diese Rechnung habe ich bisher gar nicht aufgestellt. Aber man kann es natürlich nachrechnen: Der Film ist 87 Minuten lang - und jede Sekunde besteht aus 24 Bildern. (Wir haben nachgerechnet - und kommen auf 125.280 Bilder, Anm. d. Red.) Und da kommt noch Einiges hinzu - schließlich fällt auch im Schnitt noch viel weg.
In jedem Fall kann das nicht alles an nur einem Set entstehen. Wie sah das Set bei dem Film aus?
Wir hatten drei große Lagerhallen, in denen 36 Einheiten simultan am arbeiten waren. Es gab sechs Teams von Licht-Kameraleuten. Und 24 Animatoren waren ständig beschäftigt. Das ist schon wirklich ein Wahnsinnsaufwand und eine große Maschine. Das Schwierigste allerdings ist vielleicht, dass es so lange dauert. Wir haben 18 Monate gefilmt. Und man muss aufpassen, dass der Film am Ende immer noch der gleiche ist, der er war, als man angefangen hat. Das Level, der Look und die Atmosphäre dürfen in den ganzen verschiedenen Einstellungen und über den gesamten Zeitraum hinweg nicht variieren.
Insgesamt steckt also tatsächlich sehr viel Handarbeit in so einem Film. Wie viel wird denn am Computer gemacht?
Computergeneriert ist bei "Frankenweenie" vor allem der Himmel. Beim Dreh gab es keinen Himmel. Der ist erst später dazu gekommen - mit Hilfe von Greenscreens. Auch größere Landschaften im Hintergrund sind so entstanden. Für sie wäre das Studio einfach nicht groß genug gewesen. Auch bestimmte Sachen wie etwa ein Blitz werden am Computer eingearbeitet. Allerdings: Der Effekt, den der Blitz erzeugt, muss wiederum manuell mit Lichtern erzeugt und mit Kameras eingefangen werden. Von daher ist der Film im Kern schon wirklich reale Handarbeit. Alles im Vordergrund und natürlich auch alle Puppen wurden mit der Kamera aufgenommen.
Martin Scorsese hat mit seinem Film "Hugo Cabret" vor Kurzem noch einmal den Filmpionier George Méliès gewürdigt. Méliès gilt ja in gewisser Weise als Erfinder von Stop-Motion. Schauen Sie heute noch zu ihm auf?
Aufschauen wäre zu viel gesagt. Aber ich finde es faszinierend, was er und andere mit ihrer Technologie damals auf die Beine gestellt haben. Davor habe ich enormen Respekt.

Eine besondere Herausforderung war es, den Film in Schwarz-Weiß zu drehen.
(Foto: Walt Disney Pictures)
Mal abgesehen von Stop-Motion - "Frankenweenie" ist nahezu komplett in Schwarz-Weiß gedreht. Welchen Einfluss hatte das auf Ihre Arbeit?
Sehr viel. Für mich war es das erste Mal, einen solchen Film in Schwarz-Weiß zu realisieren. Wir alle haben dabei viel gelernt. Wir mussten erst einmal herausfinden, wie das beste Schwarz-Weiß-Bild für so einen Film aussehen soll und wie wir es erzeugen. Das war schon sehr neu. Zum Beispiel stellte sich die Frage, wie man die Sets bemalt. Macht man das überhaupt? Macht man Farben darauf? Oder lässt man sie Schwarz-Weiß? Am Ende wurden die Sets mit Hilfe einer Farbtabelle, die zeigte, welches Grau, Schwarz oder Weiß sich bei der Aufnahme mit der Kamera ergeben würde, in komischen Farbtönen gestrichen. Man konzentriert sich dabei sehr auf das Eigentliche bei der Fotografie. Sehr klassisch. Das ist schon super - und auch ein Traum für mich. (lacht)
Welche Rolle spielte es beim Dreh, dass der Film im Nachhinein in 3D konvertiert wurde?
Das musste man bei der Bildkomposition natürlich beachten. Die Vorder- und Hintergründe wurden separat gedreht. Die Vordergründe entstanden vor einem grünen Hintergrund. Die Hintergründe indes wurden ohne die Puppen gedreht, so dass wir sie sauber hatten. Und vor allem beim Licht waren wir sehr vorsichtig, damit bei der Umwandlung in 3D keine Doppelbilder oder andere Fehler entstehen. 3D war also schon ständig in unseren Köpfen, aber noch wichtiger war eigentlich das Bewusstsein, dass der Film schön fließen und sich schön schneiden lassen sollte.
Insgesamt bringt der Film sehr viel zusammen - die alte Tricktechnik Stop-Motion und klassisches Schwarz-Weiß mit einem modernen Look und der 3D-Technik. Haben Sie eine Vision, wie die Zukunft von Filmen aussieht?
Ich glaube, 3D wird uns noch lange erhalten bleiben. Und es wird noch größer und schärfer. Peter Jackson hat es ja beim "Hobbit" gezeigt. Aber wenn ich eine wirkliche Vision hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr nur Kameramann. (lacht)
Mit Peter Sorg sprach Volker Probst
"Frankenweenie" läuft derzeit in den deutschen Kinos
Quelle: ntv.de