Und ein Opa wie Johnny Cash Cluesos Album der Befreiungsschläge
31.08.2014, 14:19 Uhr
Clueso und seine Songs - sie haben diesen gewissen Charme.
(Foto: imago/VIADATA)
Warum er sich für die Arbeit an der Platte viel Zeit nahm, zwischenzeitlich noch zwei andere Alben entstanden und welche Rolle sein Großvater dabei spielte, darüber sprachen wir mit dem 34-jährigen Musiker in Berlin.
n-tv.de: Für "Stadtrandlichter" hast du mit deiner Plattenfirma alles komplett selbst gemacht. Wie war das - viel Stress und mehr Arbeit als erwartet?
Clueso: Wir haben vorher schon immer zweimal über alles nachgedacht, aber jetzt denkt man viermal darüber nach. An ein paar Stellen muss man sich das abgewöhnen, an anderen Stellen ist das eine Art Vordenken für später.
Was kommt mit einem eigenen Label auf einen zu, womit man vorher nicht gerechnet hat?
Zum Beispiel Streaming-Plattformen. Das ist für uns ein interessantes Thema, das aber intern noch nicht geklärt ist. Ich finde, Streaming ist die Zukunft, aber ich finde die Art und Weise, wie dabei mit Musikern umgegangen wird, nicht cool. Es gibt Bands wie Radiohead, die sich dagegenstellen. Wir haben auch erst mal alles runtergenommen - wobei ich jetzt gehört habe, dass unsere Single drauf ist. Insofern ist das ein internes Thema, das noch nicht geklärt ist und worüber wir viel diskutieren.
Was war der ausschlaggebende Grund, zu sagen: Ich nehme jetzt alles selbst in die Hand?
Wir haben vorher schon viel Labelarbeit geleistet. Wir haben die Touren immer selbst organisiert, auch wenn wir eine Booking-Firma haben. Es war eine logische Konsequenz, dass wir gesagt haben, wir machen es jetzt ganz selbst. Bei mir leben inzwischen auch viele Freunde von dem Projekt Clueso, das Geld geht dann bei uns rein und man unterstützt diesen Kreis. Mein Manager Andreas Wels und ich sind generell der Meinung, die besten Verträge sind keine Verträge. Wir haben auch keinen Vertrag untereinander.
Dein Album "An und für sich" gab es beim Kauf einer Konzertkarte als Download dazu - eine ungewöhnliche Aktion. Siehst du dich selbst etwas abseits der konventionellen Musikbranche?
Wir sind Autodidakten, da ist man schon automatisch ein Stück weit draußen. Wir haben es nicht so eilig und sind nicht ganz so erfolgsorientiert. Für mich ist es wichtig, dass die Musik unter die Leute kommt, dass in der WG, in der ich wohne, der Kühlschrank voll ist, und dass ich meine Mitarbeiter bezahlen kann. Das ist Priorität Nummer eins. Und dass alle zusammen irgendwie eine geile Zeit haben. Das als Idee zu haben, verschafft uns eine Bewegungsfreiheit, die andere nicht haben, die in einer Amtszeit denken wie Politiker und ganz zielstrebig irgendwohin wollen. Natürlich wollen wir auch irgendwohin. Aber wir können und möchten ausprobieren.
Auf deinem neuen Album geht es viel um Aufbruchstimmung und Befreiung …
Ja, viele Befreiungsschläge sind der Tenor. Und eine gewisse Rastlosigkeit ist spürbar. Einer der ersten Songs war der Albumtitel "Stadtrandlichter". Das ist ein Nach-Hause-Kommen-Song, den ich mit der Band zusammen geschrieben habe. Es ging superschnell, den Text zu schreiben, weil man als Musiker sofort im Thema ist - dieses ständige Wegfahren und Ankommen und dann irgendwann die Sinnfrage stellen: Was ist das für ein Nomadenleben, das man da führt? Und es geht um Entscheidungsprozesse. Was die letzten Jahre zum Erwachsenwerden dazugehörte, war, dass man auch mal jemandem wehtun musste, der einem selbst gar nicht wehgetan hat. Wenn man Teams bildet, gibt es auch Situationen, in denen man sagen muss: Sorry, ich denke da an jemand anderen. Und derjenige ist dann vielleicht traurig oder man selbst kommt mit dieser Rolle gar nicht klar. In dem Song "Alles leuchtet" geht es zum Beispiel darum, dass man eine Entscheidung aufschiebt.
Stichwort aufschieben: Du hattest vor "Stadtrandlichter" schon zwei Alben fertig, die aber nicht veröffentlicht wurden.
Mir hat dieses Gefühl nicht gefallen, dass alles, was ich tue, für ein Album sein muss. Und da hat mir mein Großvater geholfen, der irgendwann gesagt hat, er möchte seine Songs festhalten, die er über die Jahre gespielt hat. Mein Großvater macht auch Musik, er spielt auf der Gitarre und singt so Arbeitersongs und klingt ein bisschen wie Johnny Cash. Da dachte ich, okay, ich schiebe das vor. Ich war dann Produzent für meinen Opa, der natürlich eine ganz andere Herangehensweise hat, wo die Uhren stillstehen. Man setzt sich einen Termin, quatscht aber auch mal den ganzen Tag nur und nimmt nichts auf. Dabei habe ich gemerkt: Ja, so funktioniert das, so möchte ich das auch haben. Deswegen haben wir eine Art Kreativpause gemacht, damit ich in Ruhe spielen und Songs sammeln kann.
Diese Frage ist dann leider obligatorisch: Gibt es Pläne, gemeinsam mit dem Opa was zu machen, zusammen auf der Bühne zu stehen?
Er will es nicht, und Oma will es auch nicht. Oma will nicht, dass Opa so weit weg rennt. Und er sagt: In meinem Alter muss man sich nicht an so junge Leute hängen. Ich wollte mal Aufnahmen mit ihm machen und dazu irgendwohin fliegen, da hat er auch keinen Bock drauf gehabt. Er braucht seine Songs auch nicht zu veröffentlichen. Für mich war es wichtig, Opa mal von seiner Gitarre zu trennen, damit ich seine Stimme einzeln hab. Ich hab' mir ein paar Musiker geschnappt, die ziemlich schmutzig spielen, und da singt er jetzt drauf.
Du hast auch noch eine Sammlung von Reisesongs in der Schublade. Warum gibt es die nicht als Platte?
Ich war mir noch nicht sicher, ob ich die Songs so in dem Gewand lasse, weil sie einen sehr skizzenhaften Charakter haben. Dadurch haben sie einen gewissen Charme, die Frage ist nur, wie lange dieser hält. Man sagt ja, ein guter Song muss einmal um die Uhr gehen. Wenn er kurz vor zwölf ist, dann ist er gut. Wenn er da wieder landet, wo er als Idee angedacht war. Bei den Reisesongs wusste ich nicht, ob die so bleiben. Irgendwo hört man da im Hotel noch eine Tür klappern oder einen "Jetzt komm auf die Bühne"-Ruf. Bei machen Sachen finde ich das cool und bei anderen nicht. Ich haue das zwischendurch einfach mal als Liebhaberstück raus und mache nicht viel Wind darum.
Mit Clueso sprach Nadine Emmerich
"Stadtrandlichter" erscheint am 19. September - bei Amazon bestellen
Quelle: ntv.de