Gefangen in der Dunkelheit Depeche Mode vertonen die Apokalypse
17.03.2017, 16:48 Uhr
Melden sich mit Studioalbum Nummer 14 zurück: Depeche Mode.
(Foto: Anton Corbijn / Columbia Records / Sony Music)
Beats und Synthesizer versus Faustkeil und Mammut-Speer: Mit ihrem 14. Studioalbum knipsen Depeche Mode das Welt-Licht aus. Statt in eine goldene Zukunft geleiten die Synth-Popper ihre Jünger zurück ins Jäger-und-Sammler-Zeitalter.
In Zeiten, in denen sich die Gesellschaft und ihre Strippenzieher schnurstracks gen Abgrund bewegen, stapeln sich musikalische Revolutions-Ausrufezeichen wie Lego-Steine in einer "Toys R Us"-Filiale. Überall auf der Welt fegt in Klang gegossener Protest durch die Lande. Vorneweg marschieren natürlich Speerspitzen der Bereiche Punk, Hip-Hop und Rock.
Aber auch in zarteren Klang-Gefilden wird mittlerweile scharf geschossen. Den vielleicht dicksten Sound-Mittelfinger präsentieren dieser Tage die Herren Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher. Sicher, Depeche Mode haben mit ihrer Meinung zum Weltgeschehen noch nie hinterm Berg gehalten. Aber die Art und Weise, wie die Synth-Pop-Veteranen auf ihrem neuen Album in den Wunden der Gegenwart bohren, dürfte selbst die eingefleischtesten Fans der Briten überraschen.
Schaum vorm Mund
Mit zusammengezogenen Augenbrauen und Schaum vorm Mund ergreift Dave Gahan das Wort. Mit dem Faustkeil in der einen und dem Mammut-Speer in der anderen Hand positioniert er sich als fleischgewordenes Spiegelbild der Gegenwart. Zeilen wie: "We're going backwards / we're digging our own grave / armed with new technology (...) to a cavemen mentality", bringen Gahans derzeitige Wahrnehmung ungefiltert auf den Punkt. Man lebe zwar in Wolkenkratzern aus Glas und Beton, verhalte sich aber wie Höhlenmenschen, schluchzt der Sänger.
Alle kriegen ihr Fett weg: korrupte Politiker, gierige Manager, religiöse Fanatiker und stillschweigende Mitläufer. Nur selten lassen Depeche Mode etwas Licht ins Dunkel fallen. Dann mimt Dave Gahan kurzzeitig den Candlelight-Gigolo ("You Move") und Martin Gore legt schützend die Arme um seine kleine Tochter ("Eternal"). Spontane lyrische Farbtupfer werden natürlich mit entsprechenden Sound-Bildern ummantelt. So wird Gores Sprössling mit mystischen Schlaflied-Vibes ins Land der Träume getragen, während Gahan sein brodelndes Testosteron von stampfenden Beats und schnittigen Synthies befeuern lässt.
Verstörend und komplex
Der Rest des Albums hingegen versprüht in etwa so viel positive Energie wie ein Barbecue-Grillabend der Familie Trump im Griffith Park von Los Angeles. Mit düsteren Mienen und flankiert von schleppenden Kraftwerk-Reminiszenzen buddeln Gahan, Gore und Fletcher gemeinsam mit ihrem neuen Produzenten James Ford (Arctic Monkeys, Florence + The Machine) im bandeigenen Sound-Archiv. Stilistisch nahezu alle Band-Dekaden umfassend, präsentiert sich das Album wie ein musikalischer Rundgang durch ein Museum, in dem die glänzenden Büsten der drei DM-Verantwortlichen bereits am Eingang jeden Anflug von Neuem im Keim ersticken.
Wer Single-Hits sucht, winkt am Ende enttäuscht ab. Mal abgesehen von der hymnischen Rausschmeißer-Ballade "Fail" und dem "A Question Of Time"-Kniefall "So Much Love" bringen Depeche Mode auf ihrem 14. Studioalbum nur wenig Eingängiges an den Start. Es gehe vielmehr ums Gesamtbild, schallte es schon vor Wochen von offizieller Seite in die Welt hinaus. Und dieses präsentiert sich verstörender und komplexer denn je. So klatschen schlussendlich nur die Hartgesottenen unter den DM-Jüngern begeistert in die Hände. Alle anderen werden sich wohl noch einige Wochen verwirrt und erschlagen von so viel Doomsday-Pessimismus am Kopf kratzen.
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Quelle: ntv.de