The Afghan Whigs Die Rückkehr der Gentlemen-GmbH
15.04.2014, 12:31 Uhr
In Seattle liefen die Fäden wieder zusammen ....
Der Reunion vor gut zwei Jahren lassen die Afghan Whigs jetzt mit "Do to the Beast" ein neues Album folgen. Ein opulentes Meisterwerk. Dabei hatte Sänger Greg Dulli ein Comeback bislang kategorisch ausgeschlossen. Die Wiedergänger des seelenvollen Grunge im Porträt.
Wie bei so vielen Bands, die um die 80er/90er-Wende zeitgeistig und in Ermangelung anderer Schubladenbeschriftungen unter "Grunge" abgelegt wurden, war es auch mit den Afghan Whigs eine Geschichte, die schnell mehr zu bieten hatte als wehende Matten, Fuzzgitarren und Dosenbier. Als Schulfreunde hatten Greg Dulli und seine Kumpels sich bereits 1986 in Cincinnatti zusammengetan und starteten mit einer Art Garagerock, inspiriert von Bands wie Dinosaur jr., die Replacements, später Mudhoney. Der gemeinsame Nenner war aber schon damals die Soulmusik. Der Legende nach sollen die Whigs bei ihrer ersten Probe den Tempations-Song "Psychedelic Shack" geprobt haben. Dulli selbst sah den Gencode der frühen Whigs als eine Art Kreuzung aus The Band, eben den Temptations und Neil Young's Crazy Horse.
Ersten Gigs folgte das Debütalbum "Big Top Halloween", SubPop-Chef Jonathan Poneman wurde nicht nur aufmerksam, sondern umgehend glühender Fan. Er holte Dulli & Co. als erste Nicht-Seattle-Band auf sein Label und die Whigs befanden sich dort in bester Gesellschaft. Die Fuzzhelden Mudhoney waren hier ebenso zu Hause wie ein Stall voll exzellenter Bands in den Jugendtagen ihrer Karriere: der gewichtige Tad Doyle und seine Flanellhemdträger, Love Battery, die Schafzüchter-Punks Cosmic Psychos, Fugazi, die Flaming Lips und eine noch relativ unbekannte Band namens Nirvana, mit der die Pophistorie, wie wir wissen, noch so einiges vorhatte.
Ich kenne dein Geheimnis!
Das SubPop-Debüt der Afghan Whigs gab denn auch gleich eine Vorahnung von der Soundformel, an der die Band in den folgenden zehn, zwölf Jahren schrauben sollte. Auf der einen Seite Breitseiten wie "Retarded" oder "White Trash Party", dazu eben aber auch schwüle Preziosen wie "I Know Your Little Secret" oder "To You, My Flower". Der Siegeszug der afghan provocateurs hatte begonnen und sie machten es auf ihre Weise. Während Mudhoney etwa die Bühne zerlegten und ihre Fans zum Runterlassen der Hose aufforderten, enterte Dulli den Konzertsaal mit einer guten Flasche Rotwein und sang schon mal Cockers "You are so Beautiful" für allzu schmachtend dreinblickende, weibliche Fans.
Das weite Feld aus dunkler Liebe und Seelenschmerz, vergebenen Chancen, geleckten Wunden und verlorenen Herzen beackerten die Whigs denn auch Jahr um Jahr mit Leidenschaft. Alben wie "Gentlemen" (1993) und "1965" (1998) wurden zu Klassikern für Alternative-Gourmets, Songs wie das grandios solierende "Turn on me" vom 92er "Congregation" oder das Supremes-Cover "Come See About Me" installierten sich in den Bestenlisten der 90er-Jahre. Den Eintritt ins neue Millennium überstand die Band schließlich nicht so gut, der Split 2001 war die Folge.
Die Bandmitglieder verstreute es in alle Himmelsrichtungen, Dulli blieb der Aktivste von ihnen. Musizierte und veröffentlichte mit den Twilight Singers und erweckte zusammen mit Mark Lanegan (Screaming Trees, Queens oft the Stone Age) die Gutter Twins zum Leben. Irgendwann begann Dulli damit, live den einen oder anderen Whigs-Song wie etwa "Uptown Again" ins Programm zu streuen. Bis zur von Fans immer wieder ersehnten Reunion dauerte es allerdings noch bis 2012. Die Kuratoren des "All Tomorrow's Parties"-Festival traten Dulli so lange auf die Füße, bis die Band sich wieder zusammentat.
Der Auftritt im Londoner "Alexandra's Palace" geriet zur umjubelten Wiedergeburt. Aus dem Stand zeigte sich die Band in Topform, mit Dully, Curley und McCollum waren da noch drei Ur-Mitglieder am Start. Als es dann tatsächlich in Richtung Platte gehen sollte, sprang McCollum, neuem Material gegenüber skeptisch, wieder ab. Der Zug aber hatte längst Fahrt aufgenommen.
Rosinen im Kopf
Und mit "Do to the Beast" liegt nun das hörbare Ergebnis vor. Nicht nur das erfüllt die Anhänger mit Euphorie, auch die Wahl der Plattenfirma fügt sich ins Bild. "Ich hatte das Gefühl, ich war vielen noch eine Platte schuldig. Den Fans, meinen Kumpels, aber vor allem auch den Jungs von SubPop", kommentiert Dulli im britischen "Mojo" die Rückkehr zum legendären Hauptquartier in Seattle. "Wir hatten damals so viele Rosinen im Kopf, eine davon war, unbedingt zu einer Major-Company wechseln zu müssen." Und es zahlte sich ja auch aus. Eine alte Hypothek blieb jedoch. Und so wie Mudhoney vor einer Dekade in den Schoß der SubPop-Familie zurückkehrten, schließt sich nun auch für die Whigs der Kreis, die Fäden laufen wieder einmal in Seattle zusammen.
Und auch, wenn man die Reunion - mit nur noch zwei Originalmitgliedern - vielleicht etwas weniger euphorisch sieht als der geneigte Die-Hard-Fan - spätestens wenn sich die Nadel ins schwarze Gold senkt und mit "Parked Outside" der erste Song erklingt, ist das alte Fieber wieder da. Der Auftakt ist ein maskuliner Bluesbrocken, der zum Chorus hin mächtig Dampf ablässt. Mit "Matamoros" folgt einer dieser vertrackt-hinterlistigen Grower, als hätte Prince mit den Queens of the Stone Age gejammt. Soulsänger Van Hunt verziert "It Kills" und noch ein Musiker ist an Bord, dessen einstige Band sich gerne einmal in die 90er-Riege der Comeback einreihen könnte: Chavez-Gitarrist Clay Tarver von der einstigen Underground-Heroen von Bullet LaVolta. Zu viel Namedropping? Nichts Neues im Hause Afghan Whigs. Ähnlich wie Josh Homme, ist auch Dulli ein bestens vernetzter, respektierter und, ja doch, ziemlich cooler Typ, von dem man sich gern - und das quer durch die Stile - ins Boot holen lässt. Vor einiger Zeit jammten die Whigs ihren Song "Something Hot" mit keinem Geringeren als Usher.
Auch wenn Dulli bekundet, dass weder die Twilight Singers noch die Gutter Twins Geschichte sind, gehört die Bühne jetzt jedoch erst einmal wieder den Afghan Whigs. Im Sommer führt ihr Tourplan sie auch nach Deutschland, leider jedoch nur für ein Date - am 2. Juli in den Berliner C-Club. Hin da!
Quelle: ntv.de