Neues Album "The Getaway" Easy Listening mit den Red Hot Chili Peppers
17.06.2016, 15:52 Uhr
Die Red Hot Chili Peppers - der Hund gehört nicht zur Band.
(Foto: Steve Keros / Warner Music)
Über 30 Jahre im Geschäft, mehr als 80 Millionen verkaufte Alben, Coolness in Reinkultur - die Red Hot Chili Peppers gehören längst zu den Bands, die über den Dingen stehen. Umso mehr wird hingehört, wenn sie sich nach fünf Jahren zurückmelden.
Meine Güte, was haben die Red Hot Chili Peppers nicht schon für Alben veröffentlicht. Angefangen beim Jahrhundertwerk "Blood Sugar Sex Magic" über ihren Bestseller "Californication" bis hin zum mit einem Grammy dotierten Doppelalbum "Stadium Arcadium". Die Zahl der Hymnen, die Sänger Anthony Kiedis, Bassist Flea und ihre vor allem an der Gitarre immer wieder wechselnden Mitstreiter eingespielt haben, ist kaum zu bemessen. Da sei ihnen auch verziehen, dass ihnen auch mal ein Griff ins Klo unterlaufen ist - 1995 mit dem Album "One Hot Minute", ihrem zweifellos schwächsten Werk, seit sie sich Anfang der 90er dazu anschickten, für immer einen Platz im Rock-Olymp einzunehmen.
Mittlerweile ist die Band, die einst nur mit ein paar Socken über ihren Genitalien für Wirbel sorgte, so gut wie über jede Kritik erhaben. Und sie kann es sich erlauben, mal eben zwischen zwei Alben schlappe fünf Jahre ins Land ziehen zu lassen. 2011 erschien mit "I'm With You" das bis dato letzte und von der Kritik wieder einmal gefeierte Album des Quartetts, zu dem seit 1988 auch Drummer Chad Smith und seit 2010 der neueste Gitarrero Josh Klinghoffer gehören. Erst jetzt gibt es mit "The Getaway" den Nachfolger, allerdings auch, weil sich Flea beim Snowboarden den Arm brach und mit dem Bassspiel für Monate pausieren musste.
Goodbye Rick Rubin
13 Songs umfasst das mittlerweile elfte Studioalbum der Chili Peppers, das insbesondere hinter den Kulissen eine bahnbrechende Neuerung mit sich bringt. Erstmals seit 25 Jahren, seit 1991, seit "Blood Sugar Sex Magic", seit sechs Alben in Folge zeichnet bei "The Getaway" nicht Produzentenlegende Rick Rubin für den Sound der Band verantwortlich. Stattdessen nahm sich mit Danger Mouse, wie sich Brian Burton mit Künstlernamen nennt, ein etwas neuerer Stern am Produzentenhimmel der Arbeit an den Reglern an. Der 36-Jährige, der in der Vergangenheit unter anderem Werke von den Gorillaz, Gnarls Barkley und den Black Keys produziert hat, hat bereits schlappe fünf Grammys im Regal stehen.
Und Danger Mouse hat "The Getaway" deutlich seinen Stempel aufgedrückt - in Form einer Rolle rückwärts. So viel Funk, so viel von Flea malträtierten Slap Bass und so viel 70er-Jahre-Flair gab es bei den Red Hot Chili Peppers seit ihren noch wenig beachteten Anfangstagen nicht mehr. Doch sogar Soul-Anleihen wie bei der ersten Single-Auskopplung "Dark Necessities", elektronische Spielereien wie bei "Go Robot" oder sanfte Pianoklänge sind auf dem Album zu hören - bei "Sick Love" sitzt tatsächlich kein Geringerer als Elton John an den Tasten.
Der alte Ohrschmeichler Anthony Kiedis
Eines bleibt dabei allerdings weitgehend auf der Strecke: der Elan und der Bums. "The Getaway" sei eine "sehr emotionale Platte", meinte Kiedis. Man könnte das Album auch als ausgesprochen sanft, sphärisch und zurückgenommen für die Red Hot Chili Peppers beschreiben. Tanzflächenfüller der Marke "Give It Away", "Around The World" oder "By The Way" sucht man auf der Scheibe vergebens. Bis es überhaupt mal etwas brachialer zur Sache geht, muss man schon bis zu den Liedern neun und zehn - "Detroit" und "This Ticonderoga" - warten. Bis dahin lullt einen Kiedis mit seiner bewährten Ohrschmeichler-Stimme über weite Strecken gefällig ein. "The Getaway" ist Easy Listening im besten Sinne. Vielleicht, weil Kiedis, Flea und ihren Mitstreitern einfach mal danach war. Oder vielleicht, weil das den mittlerweile Mittfünfzigern besser zu Gesicht steht als musikalische Durchdreh-Attacken.
Der Resonanz auf "The Getaway" tut das keinen Abbruch. Das Werk wird in internationalen Rezensionen wieder einmal überwiegend gefeiert. Zu den früheren Meisterwerken der Band vollkommen aufschließen kann es jedoch nicht. Die Gruppe wird das wenig jucken. Auch über diese Kritik sind die Red Hot Chili Peppers nun einmal vollkommen erhaben.
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Quelle: ntv.de