Der Pop des Sommers Gossling heißt eigentlich anders
26.07.2014, 15:57 Uhr
Gossling heißt in Wirklichkeit Helen Croome, kommt aus der australischen Metropole Melbourne und präsentiert sich auf ihrem Album "Harvest of Gold" als die originellste neue Popsängerin des Sommers.
Als Kind fand Helen Croome ihre Stimme so komisch, dass es ihr irgendwann unangenehm war, im Kinderchor zu singen - obwohl sie damals schon viel Spaß daran hatte - und stattdessen Klarinettenunterricht nahm. "Mir war auf der einen Seite immer schon klar, dass meine Stimme besonders ist", sagt Croome. Wir rufen sie in Melbourne an, wo sie seit dem Abitur lebt (Helen stammt aus einem Dorf in Victoria, dessen Hauptstadt Melbourne ist), sie sitzt in der Wohnung einer Freundin, die gerade Thaihühnchen kocht, später will man noch ein bisschen ausgehen. "Ich war dennoch davon überzeugt, dass ich nicht zum Singen tauge. Aber seit dem Studium sang ich mehr und mehr und irgendwann stand für mich fest, dass meine Stimme und ich jetzt Freunde waren."
Wäre Helens Stimme ein Mensch, dann hätte man es hier mit einem zwar abgeklärten, aber kindlichen Gemüt zu tun, mit einer verpeilt-drollig-süßen Person, einem manchmal tiefsinnigen Sonnenscheinchen. Mit Björk, Julia Stone oder Joanna Newsom wurde ihr etwas ulkiger Gesangsstil schon verglichen, doch Gossling singt in allererster Linie wie Gossling, "und das finde ich mittlerweile echt cool."
31 Jahre ist Helen Croome alt, sie studiert zunächst Psychologie und Soziologie, "was mich nach einem Jahr langweilte", sie sattelt um, will Musikerin werden und ihrem damals größten Idol, dem zurückgezogen lebenden irischen Singer/Songwriter Damien Rice, nacheifern. "Damien schreibt wunderschöne, sich vom Rest absetzende Melodien, die von einer starken Stimme getragen werden. Außerdem sind seine Lieder sehr cineastisch, man hört sie und träumt in Bildern. Das war und ist auch ein großer Ehrgeiz bei meinen eigenen Liedern." Helen schließt ein Kompositionsstudium ab (sie spielt auch Klavier und Gitarre) und versucht sich anfangs ohne irgendeinen Erfolg als Filmmusikkomponistin. "Das war eine Männerwirtschaft, die auf Netzwerken basiert. Auf ein Mädchen, das frisch von der Uni kam, haben die nicht gewartet."
Name zu Ehren ihrer Oma
Also nennt Helen sich Gossling - zu Ehren ihrer vor Jahren verstorbenen Oma, deren Mädchenname Goss war und "die in meiner Musik jetzt so ein bisschen weiterlebt" - und baut sich ihr eigenes Netzwerk. Sie tritt zunächst als akustisches Emo-Folk-Mädchen in Erscheinung, hat als Gastsängerin bei den Aussie-Rapstars 360 ein paar Hits und ist die Stimme eines Woolworth-Werbesongs. Auch der in Australien sehr populäre Alternativ-Radiosender "Triple J" spielt Gosslings Songs sehr eifrig. "Außerdem war mir klar, dass ich sehr viel live spielen muss. Australien ist ein großes Land."
Wenn Helen zu Hause ist, bastelt sie an ihren Songs, jahrelang. Zunehmend baut sie cleveren Synthiepop in ihr Schaffen ein, und veröffentlicht nach drei EPs im vergangenen Herbst unter großem Kritikerapplaus das Album "Harvest of Gold", das jetzt auch hierzulande erscheint. "Ich höre viel Goldfrapp oder Lykke Li, die sehr gut synthetische Sounds mit akustischen Elementen kombinieren, und ich dachte, das kann ich vielleicht auch."
Erstklassige Pop-Platte
Und ob: "Harvest of Gold" ist eine erstklassige Pop-Platte , manchmal verträumt ("Songs of Summer"), manchmal tanzfulminant ("Never Expire"), textlich sich sehr bildhaft mit vergänglicher Liebe befassend (so gut wie jeder Song). In "Harvest of Gold", gleichzeitig die Single, vergleicht Croome eine Liebesbeziehung beispielsweise mit einem Weizenfeld: "Du säst die Körner aus, guckst dem Weizen beim Wachsen zu und am Ende erntest du". Das Ende der Liebe als Höhepunkt der Beziehung? Hmm. "Das ist so typisch ich. Ich stehe auf diesen traurigen Drall in meinen Liedern."
Dass die Liebe für Gossling bislang ein eher temporärer erfolgreiches Phänomen ist, unterstreicht sie auch in "Big Love" - ein Song, der sogar eine Art Botschaft hat. "Die großen Lieben sind die großen Dramen im Leben. Man verbeißt sich darin, und am Ende steht man doch allein und betrübt da. Ich habe das ein paar Mal mitgemacht, bin es leid und vergnüge mich bis auf weiteres lieber mit zwanglosen, kleinen Liebeleien."
Sie kichert. Und kichert. Was sich auch super anhört. Zeit fürs Hühnchen und für die Melbourner Nacht.
Mit Helen "Gossling" Croome sprach Steffen Rüth
Quelle: ntv.de