Dave Grohl, Nicest Guy in Rock "Ich klinge wie der absolute Nerd!"
15.09.2017, 11:46 Uhr
Mister Nice Guy: Dave Grohl.
(Foto: imago/APP-Photo)
20 Jahre ist es her, dass die Foo Fighters mit ihrem zweiten Album "The Colour And The Shape" den großen Durchbruch schafften. Seitdem ist die Band aus der Rocklandschaft nicht mehr wegzudenken. Sänger Dave Grohl gilt ganz nebenbei als "Nicest Guy in Rock" - erst recht, seit er 2015 bei einem Konzert im schwedischen Göteborg von der Bühne stürzte, sich das Bein brach und trotzdem tapfer weiterspielte. Den Rest der Tour absolvierte er mit Gipsbein und auf einem selbst entworfenen Thron sitzend. Danach allerdings war die Luft raus, die Band kündigte eine unbestimmte Auszeit an. Doch weil Grohl nicht gut im Nichtstun ist, erscheint mit "Concrete and Gold" nun das epische, neunte Album der US-Amerikaner. Im Interview verrät der 48-Jährige, ob er wirklich so nett ist, warum unsere Welt ihm Sorge bereitet und weshalb wir alle öfter "Imagine" von John Lennon hören sollten.
n-tv.de: Herr Grohl, können Sie uns etwas über sich verraten, das Sie nervt?
Dave Grohl: Definitiv der Klang meiner Stimme! Ich kann sie nicht ertragen. Schon immer, mein ganzes Leben. Ich bin ja dummerweise in der unglücklichen Situation, dass ich mir ständig selbst zuhören muss. Bei unserer DVD "Sonic Highways" musste ich ein paar Passagen erzählen. Ich klinge wie der absolute Nerd! Da stellen sich mir die Nackenhaare auf. Ansonsten, wenn es um Charakterzüge geht - ich erwische mich manchmal dabei, dass ich etwas zynisch und sarkastisch bin.
Ich frage deshalb, weil Sie als "Nicest Guy in Rock" gelten. Wie lebt es sich mit diesem Titel?
Ich schwöre Ihnen: ich habe keine Ahnung, wie ich zu diesem Titel gekommen bin. Es ist sehr schmeichelhaft, ich weiß es zu schätzen. Aber ich kenne so viele Musiker aus unterschiedlichen Bands, die supernett sind. Sie können den Titel gerne haben, ich habe die Nase voll (lacht). Im Ernst, ich habe absolut keinen Grund, mich zu beschweren in meinen Leben. Ich bin ein sehr glücklicher Mensch. Sich mit diesem Leben als Arschloch aufzuführen, wäre traurig und falsch.
Als bei dem Einsturz einer Mine in Tasmanien im Jahr 2006 zwei Arbeiter eingesperrt waren, schickten Sie ihnen eine persönliche Nachricht. Sie haben mit gebrochenem Bein ein Konzert zu Ende gespielt. Und als 1000 Italiener Ihren Song "Learn To Fly" nachspielten, damit die Foo Fighters ein Konzert in Cesena geben, kamen Sie der Bitte nach. Manche Menschen kritisieren Sie mittlerweile für Ihre Nettigkeit, werfen Ihnen Kalkül vor.
Keine gute Tat kommt ungestraft davon!
Wie erklären Sie sich das?
Es gibt einfach Leute, die von einem Rockstar nicht hören wollen, dass er nett und vernünftig ist. Rock'n'Roll ist für junge Leute. Man lebt schnell und stirbt früh. Ich will nicht jung sterben. Die Leute denken, es gehört dazu mit einer Flasche Jack Daniels in einer Limousine zu sitzen, voll auf Heroin und Koks, sich mit seinen Bandkollegen zu streiten, festgenommen zu werden und so einen Scheiß. So bin ich eben nicht. Aber man darf sich nicht so viele Gedanken machen, was andere Leute denken. Man kann nicht von jedem gemocht werden. Auch wenn die Welt natürlich viel besser wäre, wenn wir alle etwas netter zueinander wären.
"Concrete and Gold", das neue Album Ihrer Band, ist davon inspiriert, was in der Welt aktuell los ist. Mit welchem Gefühl beobachten Sie das Geschehen?
Wir waren nie eine total politische Band, aber wenn es uns persönlich bewegte, haben wir immer mal wieder Ausflüge in solche Gefilde unternommen. Ich halte es nicht für unsere Verpflichtung oder eine Priorität - aber bei diesem Album konnte ich einfach nicht anders. Als ich mich mit den Texten befasste, fing es hier im Land an, sich politisch richtig aufzuheizen. Das wirkte sich auch auf mich und meine Familie aus. Ich habe drei kleine Töchter, natürlich mache ich mir Gedanken, in was für einer Welt sie aufwachsen müssen.
Was besorgt Sie als Vater am meisten?
Dass es Dinge gibt, die rationalem, mitfühlendem menschlichen Verhalten im Weg stehen. Geld zum Beispiel, Religion oder Politik. Wenn man all das ausblendet, sind wir schließlich alle gleich. Und ich glaube nicht daran, dass diese Dinge uns davon abhalten, übereinander herzufallen und einander zu töten. Also weg mit dem ganzen Scheiß. Wir müssen in der Lage sein, zu koexistieren. Nur dann können wir überleben. Ich finde ja, die Menschen sollten gezwungen werden, sich mindestens einmal am Tag "Imagine" von John Lennon anzuhören
Warum das?
In diesem Song steckt alles drin! Wenn wir dem Rat von John Lennon folgen, wird am Ende vielleicht alles gut.
Welcher Song Ihres neuen Albums kann die Welt ein Stück besser machen?
Puh, keine Ahnung! Sie machen zumindest meine Welt etwas besser. "The Sky Is A Neighbourhood" entstand auf Hawaii, ich hatte zwei Flaschen Wein getrunken, lag auf dem Boden und blickte in den Nachthimmel. Ich stellte mir vor, dass es auf jedem dieser Planeten Leben gibt. Dass wir uns nicht nur unseren winzigen Planeten teilen müssen, sondern das ganze Universum. Und dass wir deshalb vielleicht etwas rücksichtsvoller sein sollten. Jeder hat mal irgendwo gelebt, wo er einen superlauten Nachbarn hatte, der einen in den Wahnsinn getrieben hat. Manchmal denke ich, dass aufs Universum bezogen wir Menschen dieser laute Nachbar sind.
Machen Sie das oft, in den Nachthimmel schauen?
Ich liebe es! Denn dabei realisiert man, wie winzig klein wir und unser Sonnensystem sind. Das lehrt Demut. Es gibt ein ganz wunderbares Zitat von Neil deGrasse Tyson. Er ist Wissenschaftler und Astrophysiker und wurde mal gefragt, was das Erstaunlichste an unserem Universum sei.
Was war seine Antwort?
Vereinfacht gesagt: Dass all diese Planeten und Sterne aus einer riesigen Materie entstanden sind, die im Universum verstreut wurden. Das heißt, wir sind alle miteinander verbunden. Wenn man in den Nachthimmel blickt, sollte man also keine Ferne empfinden, sondern sich mit dem Universum verbunden fühlen. Denn alles, was man sieht, hat den gleichen Ursprung. Darüber denke ich oft nach. Ich kann das übrigens nur empfehlen, nachts in den Himmel zu gucken. Man sieht Dinge, von denen man nie gedacht hätte, dass man sie mal sehen würde: Sternschnuppen, Satelliten, Nordlichter. Einfach mal kurz das blöde Telefon zur Seite legen und hochgucken.
Wo ist der Himmel nachts am schönsten?
Auf Hawaii und in Island. Auf Hawaii trennen dich in alle Richtungen mehr als 3500 Kilometer Ozean vom Rest der Zivilisation, die Luft ist so frisch und sauber. Auf Mauna Kea, einem der beiden Berge auf Big Island, steht eins der bedeutendsten Observatorien der Gegenwart, weil man von dort einen so tollen Blick auf das All hat. Und in Island kann man mit etwas Glück die Nordlichter sehen. Das ist einfach nur magisch.
In dem Song "Run" geht es darum, an einen perfekten Ort zu flüchten. Ist Ihnen manchmal danach, einfach wegzulaufen?

Am vergangenen Wochenende traten die Foo Fighters beim Lollapalooza-Festival in Berlin auf.
(Foto: imago/APP-Photo)
Ständig! Das war der erste Text, den ich für dieses Album geschrieben habe. Er beschreibt das Gefühl, diese beklemmende dunkle Wolke über unserer Welt zu spüren und sich zu fragen: Wenn ich rennen müsste, wohin könnte ich gehen? Wo kann ich meine eigene Welt schaffen? Dieses Gefühl kenne ich noch aus meiner Jugend. Ich war ein kleiner Punkrock-Teenager in einem wirklich konservativen Teil im Norden von Virginia. Ich fühlte mich missverstanden und einsam. Und dieses Gefühl habe ich heute noch. Es muss doch einen Ort geben, an dem Liebe und Mitgefühl regieren.
Das wäre schön!
Es muss ihn geben. Deswegen scheint im letzten Stück des Albums auch die Hoffnung durch. Das ist oft so bei den Foo Fighters: Die Stimmung oder das Thema unserer Alben ist vielleicht melancholisch, aber ich versuche immer ein bisschen Licht da reinzubringen. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.
Eigentlich wollten Sie sich nach der letzten Tour, auf der Sie sich das Bein brachen, eine Auszeit nehmen. Nun stehen Sie doch schon wieder auf der Bühne. Sind Sie eine rastlose Seele?
Absolut. Nach der Tour war ich erschöpft - mental, emotional und körperlich. Also sagte ich den anderen Jungs, dass wir eine Pause einlegen müssen. Aber ich bin nun mal mit ihnen aufgewachsen, sie sind auch jenseits der Musik und dem ganzen Drumherum meine besten Freunde. Klar habe ich Freunde außerhalb der Band, aber diese Jungs sind meine echten Freunde. Ein Jahr mit etwas zu pausieren, das ein so großer Teil deines Lebens ist, ist gar nicht so einfach. Und nach sechs Monaten habe ich es einfach vermisst.
Was wollten Sie mit diesem Album musikalisch erreichen?
Auf unserer letzten Platte waren die Songs sehr simpel, dieses Mal wollten wir das Gegenteil: Die Songs sollten so groß klingen, wie es nur geht. Größer als alles, was wir zuvor gemacht haben. Wir haben mit Greg Kurstin aufgenommen, der sonst mit Adele, Beyoncé oder Pink arbeitet, aber auch mit einer Band namens The Bird and the Bee, die ich liebe. Greg hat einen unglaublichen Sinn für Melodien, Harmonien, Komposition, Arrangements. Ich dachte mir: Ich kann mich um die fetten Riffs kümmern. Wenn Greg sie um dieses Bird-and-the-Bee-Ding ergänzt, dann kommt dabei das Album raus, das ich immer machen wollte.
Sie haben im Laufe der Jahre mit Paul McCartney, Lemmy und David Bowie gespielt, in Ihrer Heimatstadt gibt es eine Dave-Grohl-Alley und Sie waren in der Muppet Show. Was treibt Sie eigentlich noch an?
Das, was mich als Teenager dazu gebracht hat, Musik zu machen. Früher hatte ich meinen Kassettenrekorder. Erst nahm ich damit die Gitarre auf, anschließend meinen Gesang und dann spielte ich Schlagzeug auf Töpfen und Pfannen. Am Ende hatte ich einen Song mit drei Spuren. Da war ich gerade mal 12. Dieses Gefühl, selbst einen Song geschrieben zu haben, etwas aus dem Nichts geschaffen zu haben, ist unglaublich. Es hält ein ganzes Leben.
Mit Dave Grohl von den Foo Fighters sprach Nadine Wenzlick
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Quelle: ntv.de