Tom Schilling wird zum Musiker "Modern Talking hatten ihre Berechtigung"
21.04.2017, 16:13 Uhr
Tauscht die Leinwand mal eben gegen die Bühne ein: Tom Schilling.
(Foto: Alexandra Kinga Fekete / Embessy of Music)
Schauspieler, die Musik machen, werden schon lange nicht mehr als Exoten bezeichnet. Nach Jan Josef Liefers, Anna Loos, Yvonne Catterfeld und zuletzt Matthias Schweighöfer geht nun auch Tom Schilling mit einem Album an den Start. Aber trotzdem spitzt man als Hörer immer besonders die Ohren, wenn eine TV- und Kino-Figur plötzlich zur Gitarre greift - oder wie im Fall von Tom Schilling zum Mikrofon.
Die Fragen liegen auf der Hand: Warum spielt die Musik auf einmal eine so große Rolle im Leben eines Schauspielers, dass er die ganze Welt daran teilhaben lassen möchte? Soll lediglich ein weiterer Marketing-Pfad gewinnbringend gepflastert werden? Oder ist die Musik einfach nur ein zusätzliches Ventil um die grenzenlose Kreativität eines Entertainment-Tausendsassas ins Freie zu geleiten?
n-tv.de traf sich mit Tom Schilling kurz vor der Veröffentlichung seines Albums "Vilnius" zum Interview und sprach mit ihm über künstlerische Verwirrspiele, Klangwelten in Moll und Modern Talking.
n-tv.de: Tom, die Tage vor einer bevorstehenden Filmpremiere oder die Zeit vor der Veröffentlichung eines Albums - welche Phase empfindest du als spannender?
Tom Schilling: Eine Filmpremiere ist natürlich immer etwas Besonderes. Aber um ehrlich zu sein, legen die Tage vor der Veröffentlichung meines Albums in puncto Anspannung nochmal eine Schippe drauf. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man als Schauspieler innerhalb einer Filmproduktion nur ein Rädchen von vielen ist. Das Album hingegen stammt kompositorisch und textlich zu 90 Prozent aus meiner Feder. Da hat man dann doch ein anderes Verantwortungsgefühl.
Du hast das Album zusammen mit den "Jazz Kids" aufgenommen. So richtig jazzig klingt das Album aber nicht. Warum heißt die Band wie sie heißt?
Die "Jazz Kids" heißen "Jazz Kids" weil sie alle studierte Jazzer sind. Und sie sind alle wahnsinnig jung. Die Tatsache, dass sie mit mir zusammen eher schwere und melancholische Töne anschlagen, macht die Sache natürlich umso spannender, wie ich finde. Ich mag Verwirrspiele. Gegensätze haben mich schon immer fasziniert. Und mit dem Bandnamen treffen wir diesbezüglich voll ins Schwarze.
Mit der Musik hingegen bewegst du dich eher abseits des Rampenlichts.

Die Gruppe, die Schilling begleitet, nennt sich The Jazz Kids.
(Foto: Alexandra Kinga Fekete / Embessy of Music)
Und das ganz bewusst. Ich wollte keine Kalkül-Platte produzieren, nur um meinen Namen in einem weiteren Kunstbereich glänzen zu sehen. Sicher, ich hätte mir auch einfach ein Major-Label suchen können, das mir ein perfektes Charts-Paket schnürt, inklusive Ghostwriter und vorgefertigtem Cover. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte all die Texte, die sich bei mir über die letzten Jahre angesammelt haben, in ein Klang-Korsett stecken, das passt.
Hast du dir im Vorfeld Tipps von Matthias Schweighöfer oder Robert Stadlober geholt?
Nein. (lacht) Ich habe mir die Leute, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sehr sorgfältig ausgesucht. Ich wollte beispielsweise unheimlich gerne mit Moses Schneider arbeiten. Der hat viele meiner Lieblingsalben produziert. Und wenn man Moses Schneider für sich gewinnen kann, dann holt man sich bei ihm natürlich lieber Ratschläge ab.
Lieber als …?
… bei einem Matthias Schweighöfer. (lacht)
Mir kam zu Ohren, dass du deine ersten musikalischen Gehversuche zu den Klängen von Modern Talking und Rammstein unternommen hast. Ziemlich skurriler Mix, oder?
Das stimmt ja so auch nicht ganz. Modern Talking habe ich gehört, da war ich neun. Und meine Rammstein-Zeit war so mit 14 oder 15. Das ist also alles schon ziemlich lange her, wenngleich ich sagen muss, dass mich die Lyrik von Till Lindemann in ihrer Klangfarbe auch heute noch fasziniert.
Und was ist aus deiner Liebe zu Modern Talking geworden?

Bisher kannte man Tom Schilling nur als Schauspieler - etwa im Kultstreifen "Oh Boy!".
(Foto: picture alliance / dpa)
Na ja, da ist natürlich nicht mehr so viel übriggeblieben. Aber auch Modern Talking hatten ihre Berechtigung. Was viele nicht wissen: Die haben alle ihre Hits in Moll geschrieben. Das kann auch nicht jeder.
Respekt.
Auf jeden Fall.
Welche Bands kamen danach?
So richtig mit Musik beschäftigt habe ich mich, als ich Nick Cave und Element Of Crime für mich entdeckt habe. Die waren der Schlüssel. Nick Cave höre ich auch heute noch rauf und runter. Und Element Of Crime sind hierzulande einfach eine Macht, wenn es um melancholische Tiefe geht.
Das ist ja alles schon ziemlich lange her. Warum hat es mit den ersten Songs so lange gedauert?
Vor fünf oder sechs Jahren war ich schon einmal nah dran.
Was ist passiert?
Man wollte mich damals in eine Schublade packen. Das gefiel mir aber nicht.
Was für eine Schublade?

Das Album "Vilnius" von Tom Schilling & The Jazz Kids ist ab sofort erhältlich.
(Foto: Embassy of Music)
Unwichtig. Wichtig ist nur, dass ich damals nicht schwach wurde. Ich meine, ich bin schon immer irgendwie anders gewesen. Mir war schon als Kind wichtig, dass ich nicht so ticke wie alle anderen. Und als man mir dann erzählen wollte, wie alles laufen wird, gingen bei mir sofort die Alarmglocken los. Diesmal habe ich alle Freiheiten bekommen. Das war mir unheimlich wichtig. So konnte ich mich musikalisch komplett entfalten.
Nervt es dich eigentlich, dass Schauspieler, die mit dem Musikmachen anfangen, erst einmal kritisch beäugt werden?
Ich bin da ein bisschen zerrissen. Einerseits kann ich die Leute verstehen, die sich fragen: Warum muss ein Schauspieler jetzt auch noch ein Album aufnehmen? Es gibt ja genügend Beispiele, die belegen, dass bei einem derartigen Prozess mitunter nur die Vermarktung im Fokus steht. Andererseits liegen beide Kunstbereiche so nah beieinander. Schon in der Dreigroschenoper wurde Schauspiel mit Musik vereint. Das kann also durchaus Sinn machen. Und wenn man sich nichts diktieren lässt und der Entwicklung Zeit gibt, dann kann richtig Gutes dabei entstehen.
So wie in Form von "Vilnius"?
Es wird bestimmt auch Menschen geben, die mit dem Album nichts anfangen können. Ich hingegen bin total happy mit dem Ergebnis und sehr zufrieden. Und nur das zählt für mich. Wie gesagt: Ich hatte zu keiner Zeit die Charts im Blick als ich mit den Jungs im Studio stand. Es ging mir lediglich um die Verschmelzung meiner Gefühle mit entsprechend melancholischen Klängen. Nur darum ging es. Und ich finde, dass wir das toll hinbekommen haben.
Mit Tom Schilling sprach Kai Butterweck
Das Album "Vilnius" bei Amazon bestellen oder bei iTunes downloaden
Quelle: ntv.de