Musik

Eigentlich ein netter Mensch Sinead O'Connor - ganz schön aufgeräumt

Was ein mehr Haare und weniger Kilos ausmachen ... Sinead O'Connor steht zu ihrem Fake-Cover.

Was ein mehr Haare und weniger Kilos ausmachen ... Sinead O'Connor steht zu ihrem Fake-Cover.

Das Aufsehen, für das die Irin in den letzten Jahren sorgte, entsprang eher dem Obskuritätenkabinett als der Qualität ihres Schaffens. Doch der Achtungserfolg wurde überlagert von gesundheitlichen Problemen. Nun ist Sinead O'Connor mit einem guten Album wieder da.

Sinead O'Connor gelang 1990 mit dem Prince-Cover "Nothing compares 2 U" ihr erster und - wie sich herausstellen sollte - einziger Welthit. Mit dem Album "How about I be me (and you be you)?" feiert sie nun ein kleines Comeback. Doch der Achtungserfolg wurde überlagert von gesundheitlich bedingten Unzuverlässigkeiten (wegen mentaler Probleme musste sie 2012 eine Deutschlandtournee abbrechen) oder einem sehr öffentlich ausgetragenen Streit mit Miley Cyrus über die Frage, ob sich das Mädchen unziemlich geriert oder Kunst macht. Nun gut. Jetzt nimmt die Vierfachmutter (drei Söhne, eine Tochter, die vier Kinder haben jeweils unterschiedliche Väter) einen neuen Anlauf mit einer erstaunlich guten Platte. "I’m not Bossy, I’m the Boss" ist sehr abwechslungsreich bis zugänglich und somit längst nicht mehr so verquer wie einige ihrer früheren Werke. Soul, Blues und vor allem Pop sind neben O’Connors nach wie vor beeindruckendem Gesang die Fundamente des Albums, das ursprünglich "The Vishnu Room" hätte heißen sollen.

n-tv.de: Sinead, warum haben Sie Ihr Album in letzter Minute umbenannt in "I'm not Bossy, I'm the Boss"?

Sinead O’Connor: Wegen der "Ban Bossy"-Kampagne der Facebook-Topmanagerin Sheryl Sandberg, die mich ungemein beeindruckt hat. Sandberg möchte mit ihrer Aktion Mädchen und junge Frauen ermutigen, Führungspositionen zu übernehmen sowie, allgemeiner gesprochen, sich einfach mehr zuzutrauen. Mir spricht diese Kampagne aus der Seele.

Weshalb?

Weil ich es erlebt habe und bis heute erlebe, dass Frauen im Geschäftsleben nicht ernst genommen werden. Da ich keine andere Branche kenne, kann ich nur über das Musikbusiness sprechen, und dort wirst du niedergemacht, wenn du deinen Mund aufmachst. Früher war die Frauenfeindlichkeit offener und aggressiver, heute ist sie versteckter. Als ich so alt war wie meine Tochter Roisin jetzt, also 18, habe ich nie jemanden gehabt, der mir sagte, es sei in Ordnung, durchsetzungsstark zu sein. Also war ich schwach, habe mich dominieren lassen, viele Fehler gemacht.

Würden Sie Ihrer Tochter empfehlen, ebenfalls eine Karriere im Musikbusiness anzustreben?

Auf gar keinen Fall! Ich hätte Angst, dass sie so behandelt wird, wie ich damals behandelt wurde. Oder dass man sie fertigmacht, nur weil sie die Tochter von Sinead O’Connor ist. Wissen Sie, ich stehe im Ruf, eine notorische Querulantin zu sein. Die meisten Menschen halten mich sogar schlicht für verrückt. Dabei sage ich nur meine Meinung.

Mama, don't preach?

Mama, don't preach?

(Foto: picture alliance / dpa)

Naja, Sie haben sehr öffentlich gegen Papst Johannas Paul II. gewettert, Sie beschimpfen Miley Cyrus, Sie verkünden Ihren Rücktritt, Sie treten vom Rücktritt zurück, Sie diagnostizieren sich selbst eine bipolare Störung und widerrufen diese Einschätzung später. Man kann schon etwas verwundert auf Sie blicken, oder?

Ich bin möglicherweise nicht immer diplomatisch. Dabei bin ich eigentlich ein netter Mensch. Ich streite mich überhaupt nicht gern. Höchstens mit Anwälten und Managertypen, die immer versuchen, mich auszunutzen und über den Tisch zu ziehen. Leider wusste ich nicht immer, was ich wollte und was meine Ziele im Leben sind. Manchmal lief es auch einfach unglücklich. Ich höre zum Beispiel aus Deutschland, dass die Konzertpromoter mich nicht mehr buchen wollen. Weil ich vor zwei Jahren eine Tournee nicht zu Ende spielen konnte, da ich ein Medikament nicht vertrug. Ich bin also nicht willkommen in Deutschland, dabei würde ich sehr gerne bei euch spielen.

Wer sagt, dass Sie nicht willkommen sind?

Mein Ex-Manager. Ich hoffe sehr, dass das gar nicht stimmt, was er sagt.

Haben Sie als Mutter von vier Kindern, von denen zwei noch relativ jung sind, auch Sheryl Sandbergs Buch "Lean In" gelesen, in dem sie von Frauen mehr Biss und Ehrgeiz fordert, damit sie trotz Familie die Karriere nicht vernachlässigen?

Nur Auszüge. Ich finde, bei dem Thema muss jede Frau selbst entscheiden. Es ist in Ordnung, mit den Kindern zu Hause zu bleiben. Es ist genauso in Ordnung, wieder möglichst schnell voll arbeiten zu gehen. Nicht jede Frau kann ja zwischen den beiden Alternativen komplett frei wählen. Bei mir war es stets so, dass ich die Haupternährerin meiner Kinder war - und nach wie vor bin. Natürlich sind mir die Kinder das absolut Wichtigste im Leben, doch auch für mich ist es mit der Arbeit eine Frage der richtigen Balance.

Mögen Ihre Kinder die Musik der Mutter?

Insgeheim würde es mich freuen, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass es ihr Ding ist. Ich brüste mich vor meinen Kindern nicht mit meinen Songs. Das würde mich bloß noch uncooler erscheinen lassen, als ich ohnehin schon für sie bin (lacht).

Die Songs auf "Bossy" sind überwiegend romantischen und sexuellen Inhalts. War das beabsichtigt, so erotisch rüberzukommen?

Ich erzähle meine Geschichten bis auf zwei autobiografische Songs aus dem Blickwinkel erfundener Frauenfiguren, und ja, das mit dem Sex gehört zum Konzept der Platte. Ich wollte ein Popalbum machen, überhaupt das erste Pop-Album meiner Karriere - auch wenn natürlich Grunge, Blues, Gitarrenrock tragende Elemente auf dem Album sind. Und Popsongs handeln nun einmal vom Sex und von der Liebe. Weil das die Themen sind, die die Menschen am meisten beschäftigen.

War "Nothing Compares 2 U" keine Popmusik?

Schon. Aber das Lied stach auf dem Album "I do not want what I haven’t got" heraus. Das Album als solches hatte mit Pop nicht viel zu tun.

Haben Sie sich für "Bossy" an aktueller Popmusik orientiert?

Nein, überhaupt nicht. Seit Jahren höre ich so gut wie nichts anderes als Blues. Allerdings nicht den traurigen Blues, sondern den Chicago Blues, Buddy Guy und solche Leute. Die machen ungeheuer funky und sexy Musik, da habe ich mir einiges abgeschaut.

Im autobiografischen Stück "How about I be me" sagen Sie, Sie möchten "Liebe machen wie eine richtige Frau". Was bedeutet das?

Vier Kinder, vier Männer, viele Wünsche.

Vier Kinder, vier Männer, viele Wünsche.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Das bedeutet, dass ich mich für meine sexuellen Wünsche weder rechtfertigen noch schämen möchte. Ich habe in einer irischen Zeitung vor einiger Zeit ein paar Artikel zum Thema Sex veröffentlicht, die zwar nicht schockierend, für irische Verhältnisse aber dennoch recht frech waren. Danach hagelte es wütende Proteste. Meine Güte, die Iren sind bei dem Thema so ein rückständiges Volk. Man unterdrückt, befeuert von der ewig gestrigen katholischen Kirche, die Wünsche der Frauen, über vieles redet man erst gar nicht. Was die sexuellen Gelüste von Frauen angeht, reagieren die Iren immer völlig verstört. Ich lasse mich aber nicht sexuell begrenzen. Ich kann mit so vielen Männern und Frauen intim sein, wie ich will. Oder auch mit gar niemanden. Alles meine Sache, ich bin eine erwachsene Frau.  Diese ganze Zensur, dieses Bewerten und Naserümpfen, das muss endlich aufhören.

Sind Sie ein Vorbild für andere Frauen?

So sehe ich mich nicht. Um ein Vorbild zu sein, bin ich nicht stark und laut genug. Meine Rolle ist lediglich die Rolle einer unangepassten Frau.

Auf dem Albumcover tragen Sie eine schwarze Perücke und sind zudem schlanker als in Wirklichkeit. Was soll das?

Ich sage nur: Die Ökonomie der Aufmerksamkeit. Als wir die Pressemeldung mit dem alten Cover, das mich in natura, mit meiner normalen Figur und mit Glatzkopf zeigt, rausschickten, berichteten genau drei Medien darüber. Wir änderten spontan das Cover, und nun berichtet das gesamte Universum darüber. Ich hätte nicht gedacht, dass ein paar Haare so einen Unterschied machen können.

Tragen Sie die Perücke künftig auch bei TV-Auftritten oder auf der Bühne?

Nein. Das Cover reicht. Ich fühle mich mit Glatze viel wohler als ohne.

Mit Sinead O'Connor sprach Steffen Rüth

Album "I’m not Bossy, I’m the Boss" ab 8. August bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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