Schminken sollen sich andere Stefanie Heinzmann setzt auf Natürlichkeit
27.03.2015, 14:09 Uhr
She's got the power!
Sommersprossen en masse, eine große Brille auf der Nase und drei Piercings im Gesicht: Stefanie Heinzmann zeigt der aufgetakelten Pop-Konkurrenz nur allzu gerne den Styling-Stinkefinger. Und, dass man auch ohne Barbie-Attitüde weiterkommt.
Die Teilnahme an einer Castingshow ist in der Regel Gift für eine langfristige Pop-Karriere. Oder wer erinnert sich heute noch an Namen wie Andreas Klaws, Tobias Regner oder Elli Erl? Auch zusammengeschusterte Bands wie Nu Pagadi, Overground oder Room2012 spazierten nach ihrer Krönung bestenfalls ein halbes Jahr lang über rote Teppiche. Es gibt aber auch Ausnahmen. Stefanie Heinzmann beispielsweise. Auch sie triumphierte einst auf einer Castingshow-Bühne (SSDSDSSWEMUGABRTLAD). Doch im Gegensatz zu vielen anderen Retorten-Künstlern bewies die quirlige Schweizerin einen langen Atem. Dieser Tage veröffentlicht Stefanie Heinzmann unter dem Titel "Chance Of Rain" bereits ihr viertes Studioalbum. n-tv.de sprach mit der Sängerin über Schockmomente, die Kraft der Natürlichkeit und die Angst vor vermeintlich großen Hürden.
n-tv.de: Stefanie, bevor wir über dein neues Album "Chance Of Rain" sprechen, würde ich mit dir gerne kurz über den ESC-Vorentscheid reden. Du warst vor Ort; bist auch selbst aufgetreten. Kurz nach deinem Auftritt versetzte der eigentliche Sieger Andreas Kümmert die halbe Nation in einen Schockzustand. Wie hast du den Moment seines Rückziehers erlebt?
Stefanie Heinzmann: Wir waren zu der Zeit gerade hinter der Bühne und sollten uns für ein gemeinsames Abschlussfoto bereithalten. Hinter der Bühne hat man absolut nichts gehört. Das Einzige, das wir mitbekamen waren die Zuschauer. Als wir dann die lauten Buh-Rufe hörten, dachten wir uns: Was ist denn jetzt passiert? Wir bekamen aber von den Hintergründen nichts mit. Irgendwann bekam dann mein Schlagzeuger eine SMS, in der stand: Er hat abgelehnt! Wir waren natürlich alle total überrascht und schockiert. Mit so etwas rechnet ja keiner.
Hat sich da im Laufe der Show hinter den Kulissen nichts angedeutet?
Nein, überhaupt nicht. Ich kenne Andreas jetzt auch nicht so gut, dass ich mir vielleicht ein Bild von seinem Gemütszustand hätte machen können.
Kannst du seine Entscheidung denn nachvollziehen?
Eigentlich geht man ja davon aus, dass man auch gewinnen will, wenn man bei so einer Sache mitmacht.
Klingt eher nach Unverständnis.
Es ist halt schwierig. Ich kann nicht in seinen Kopf sehen. Ich weiß nicht, was in ihm vorgegangen ist. Letztlich muss das jeder mit sich selbst ausmachen. Wenn es zu viel ist, dann ist es zu viel. Das sollte man dann auch respektieren. Ich bin auch kein Mensch, der sich gerne an irgendwelchen Spekulationen beteiligt. So ticke ich nicht. Das ist nicht mein Ding. Ich finde, man sollte ihm jetzt einfach Zeit geben und ihn erst einmal in Ruhe lassen.
Du bist ja nun auch schon lange mit dabei. Hattest du schon mal eine Phase, in der du keine Lust mehr auf ein Leben im Rampenlicht hattest?
Nein. Ich liebe meinen Job (lacht). Auch den ganzen Stress. Das macht mir nichts aus.
Komme, was da wolle?
Absolut (lacht). Ich meine, natürlich gab es auch mal Momente, in denen ich ein bisschen runterfahren musste. Aber ich kam nie an einen Punkt, an dem ich Grundsätzliches hinterfragte. Dafür macht mir das große Ganze einfach viel zu viel Spaß.
Ich habe gerade das Cover deiner neuen Single "In The End" vor Augen. Nur dein Gesicht in Nahaufnahme. Keine Schminke, kein Firlefanz. Hast du vielleicht auch deshalb so viel Freude am Job, weil du dir in all den Jahren deine Natürlichkeit bewahrt hast?
Keine Ahnung (lacht). So bin ich nun mal. Ich mag einfach keine Schminke. Ich stehe auch nicht auf opulente Klamotten. Ich sitze hier in Leggins und mit Sneakers an den Füßen. Das bin ich. Gut möglich, dass es mir anders gehen würde, wenn ich jetzt irgendwas anhaben würde, das mir eigentlich gar nicht gefällt.
Du würdest dir dahingehend auch nicht reinreden lassen?
Nein, niemals. Versteh' mich nicht falsch, ich bin keineswegs beratungsresistent. Wenn ich zur Echo-Verleihung gehe, dann bin ich schon dankbar dafür, dass ich Leute um mich herum habe, dir mir in punkto Garderobe den einen oder anderen hilfreichen Tipp geben. Das passt ja dann auch zum Anlass. Ansonsten bin ich aber die Einzige, die über mein Outfit entscheidet.
Wie sieht es denn mit der Musik aus? Auf deinem neuen Album geht es ungewohnt elektronisch zu. War das auch allein deine Entscheidung?
Ja, wobei mir in punkto Sound lange Zeit nicht so richtig klar war, in welche Richtung es gehen sollte. Ich wusste eigentlich nur, dass ich ein bisschen weg wollte vom klassischen Motown-Sound. Ich habe dann glücklicherweise in London zwei Produzenten ausfindig machen können, die mir fünf Demos vorgespielt haben, von denen ich sofort begeistert war. Das klang halt alles sehr elektronisch, aber trotzdem auch organisch. Das hat mich irgendwie sofort gepackt.
Von London ging es dann direkt nach Nashville?
Ja, so ungefähr. Das war schon ziemlich beängstigend (lacht).
Was hat dir denn Angst bereitet?
Ich bin halt ganz alleine nach Nashville geflogen. Das ist ja nicht irgendein x-beliebiger Ort. Da hatte ich schon ein bisschen die Hosen voll.
Mit einem Lächeln im Gesicht dann wieder nach Hause gekommen?
Oh ja (lacht). Mir haben natürlich völlig umsonst die Beine gezittert. Die Songwriting-Sessions waren fantastisch. Letztlich sind sogar zwei der wichtigsten Songs des Albums in Nashville entstanden.
Würdest du dich demnach als jemanden bezeichnen, der sich mitunter auch mal selbst im Wege steht?
Definitiv. Das ist oftmals total anstrengend. Vor allem, weil ich mittlerweile weiß, dass sich die meisten Ängste ganz schnell wieder in Luft auflösen. Dann denke ich mir immer: Boah, warum habe ich mir jetzt schon wieder so einen Kopf gemacht! Ist doch alles halb so wild.
Hast du im Vorfeld deiner Kollaborationen mit Joss Stone und Lionel Richie ähnliche Ängste ausstehen müssen?
Nein, da war die Vorfreude einfach um ein Vielfaches größer (lacht).
Das sind ja schon Business-Größen, die sich nicht für jeden einfach mal so Zeit nehmen. Könnte man diese Zusammenarbeit noch irgendwie übertreffen?
Nein, ich glaube nicht. Ich habe ja auch schon mit Tower Of Power gemeinsam musiziert. Das sind alles Künstler, die in völlig anderen Sphären schweben. Hätte mir vor acht Jahren irgendeiner erzählt, dass ich mal mit diesen Menschen zusammenarbeiten werde, den hätte ich direkt einweisen lassen (lacht).
Hättest du auch Leute für verrückt erklärt, die dir einen Juroren-Job innerhalb einer großen Castingshow prophezeit hätten?
Ja, die hätte ich gleich hinterhergeschickt.
Geht's denn mit deinem X-Factor-Engagement dieses Jahr in die dritte Runde?
Da weiß, ehrlich gesagt, noch niemand so richtig, ob und wie es weitergeht. Ich würde mich aber freuen; denn in meinen Augen ist es ein tolles Format, das sich in punkto Glaubwürdigkeit und Leidenschaft von vielen anderen ziemlich abhebt.
Mit Stefanie Heinzmann sprach Kai Butterweck
Quelle: ntv.de