Das Doppelleben eines Musikers Van Dyke zwischen Liebe und Leiden
01.09.2014, 17:45 Uhr
"Du trägst keine Liebe in dir" gilt nicht für den Herrn van Dyke.
(Foto: imago/Future Image)
Als Solist mit englischsprachigen Songs hat Michel van Dyke Ende der Achtziger angefangen. Zuletzt hinterließ der in Hamburg lebende Holländer als Kopf der Sixties-Popband Ruben Cossani bleibenden Eindruck. Mit "Doppelleben" veröffentlicht der umtriebige Produzent, Autor und Arrangeur nun sein erstes Soloalbum seit zehn Jahren mit peppigem Songwriter-Pop. Frauen beeindruckt der 53-Jährige aber lieber mit den Hits, die er für andere Leute geschrieben hat.
n-tv.de: Herr van Dyke, auf Ihrem Album singen Sie: "Ich bin den Frauen zugeneigt, sonst hab ich nichts erreicht". Sind Sie ein Schwerenöter?
Michel van Dyke: Ach, dass man den Frauen zuneigt ist, heißt ja nicht, dass das andersrum auch so ist und erwidert wird. Was mich und die Frauen betrifft, habe ich eher das Problem, dass ich mich zu schnell verliebe und mir dann selbst etwas vormache.
Sind Sie denn eher der schüchterne Typ?
Nein, eigentlich bin ich zu dem geworden, was ich immer an meinem Vater gehasst habe. Der hat ständig mit Frauen geflirtet - und ich stand als kleiner Junge daneben und habe mich entsetzlich geschämt. Ich war damals in der Pubertät, da ist der Vater sowieso eher peinlich. Wenn ich mit meinen erwachsenen Söhnen heute ein Bierchen trinken gehe, frage ich mich manchmal, wie die das bei mir empfinden, wenn ich mit Frauen ins Gespräch komme. Bis jetzt habe ich allerdings noch keine Anzeichen wahrgenommen, dass ihnen mein Verhalten unangenehm ist.
Im Eröffnungslied "Ging in die Welt hinaus" erzählen Sie, dass Sie eines Morgens bei einer Dame unter einem Dieter-Bohlen-Poster aufgewacht sind. So schlimm?
Ha! Zum Glück entspringt das meiner Fantasie, aber ich war nah dran, die Geschichte so zu erleben. Ich bin mit einer Frau mitgegangen, es ist aber nie zum Äußersten gekommen, weil ich rechtzeitig abgehauen bin. Ich stand dann irgendwo in der Walachei, musste nach Hause kommen, aber habe kein Taxi gekriegt. Ein bisschen Wahrheit steckt also immer in dem, was ich erzähle. Über die Jahre haben sich so viele Anekdoten angesammelt, die sich alle unbewusst ins Storytelling mischen.
Im gleichen Song erzählen Sie einer blonden Dame, dass Sie Rockstar sind. Tun Sie so etwas wirklich, um Damen zu beeindrucken?
Natürlich nicht! Denn so was zu erzählen ist immer peinlich! Selbst wenn ich betrunken bin, würde ich nie so auf die Kacke hauen. Aber ich habe leider festgestellt, dass es schon große Wirkung zeigt, wenn ich erwähne, dass ich den Hit "Du trägst keine Liebe in dir" für die Popband Echt geschrieben habe.
Wann ziehen Sie diesen Joker?
Wenn ich ernsthaft an einer Frau interessiert bin, aber sie noch spürbar unentschlossen ist, ob ich für sie interessant bin oder nicht. Ich muss also wirklich verzweifelt sein! (lacht) Aber wenn man so etwas in petto hat, kann man das auch ruhig mal auspacken.
Und die Reaktionen darauf?
Am häufigsten kommt: "Echt? Mit dem Lied verbinde ich meine Jugend!" Das empfinde ich immer als großes Kompliment! Und das zeigt mir auch, dass der Song bleibende Wirkung hat.
Fragen Sie sich trotzdem manchmal, warum Ihnen als Solist der Riesenhit bisher verwehrt blieb?
Nein, eigentlich nicht, weil ich Erfolg anders definiere. Für mich überdauert Erfolg seine Zeit. Ein Nummer-1-Hit unter meinem Namen, der in einem Jahr vergessen ist, ist mir weniger wichtig, als für eine Band einen Song geschrieben zu haben, der zum Evergreen geworden ist.
Nun klingt Ihr neues Album "Doppelleben" sehr anders. Man könnte sogar sagen, Michel van Dyke hat sich einer musikalischen Verjüngungskur unterzogen und will es noch mal wissen!
Danke, das sehe ich als Kompliment. Denn für mich durften Beats bisher nie knallen, weil sie im Radio immer geknallt haben. Da hatte ich mir über die Jahre selbst Dogmen geschaffen und mich ausschließlich der Mischung aus Chansons und Beatles ähnlicher Popmusik mit Sixties-Anleihen gewidmet. Aber nach dem Ende meiner Band Ruben Cossani war für mich klar, dass ich eine Zäsur brauche, ich etwas Neues machen muss.
Und wie finden Ihre Söhne das?
Cool! Ich mache natürlich meine Platten nicht, um meinen Jungs zu gefallen. Aber diesmal übe ich mich sogar im Sprechgesang! Das erinnert ein bisschen an Mike Skinner und The Streets - die fand ich immer klasse. Jetzt können meine Söhne also nicht mehr sagen: "Papa, du machst doch Opa-Musik!"
Als Musiker ist man doch eh Berufsjugendlicher, oder?
Klar, und das ist für sie natürlich groß, wenn sie merken, ihre Freunde finden mich auch cool. Ich entdecke Musik auch oft durch meine Söhne. Meinem 19-Jährigen entgeht gar nichts, durch ihn habe ich James Blake und The National lieben gelernt.
Das Entdecken von neuen Bands wird nicht unbedingt einfacher mit den Jahren.
Stimmt. Aber jede Band, auch wenn sie retro ist, hat ihre Berechtigung. Als Franz Ferdinand Anfang der 2000er auftauchten, galten sie als die großen Erneuerer der Rockmusik. Mich erinnerte ihr Sound zwar an XTC, die Ende der Siebziger die Szene aufmischten. Es ist aber legitim, dass Bands das wiederentdecken. Das ist nun mal der Nachteil, wenn man älter wird: Man h at es so oder so ähnlich schon mal gehört.
Ein Titel Ihrer Platte heißt "Bestimmt was vergessen"! Wie chaotisch sind Sie?
Unfassbar chaotisch! Der Ausgangspunkt zu dem Song war, dass ich Linsensuppe gekocht habe, dann aber ganz schnell wegmusste. Als ich am nächsten Tag nach Hause kam, war die Tür aufgebrochen, es hatte einen Feuerwehreinsatz gegeben und die Polizei war vor Ort. Die Bude war total verraucht, den total verkohlten Kochtopf hatten sie noch stehen lassen. Ich habe zwei Wochen lang renoviert. Die zehnstündige Rauchentwicklung hing noch Monate in den Räumen. Das Außergewöhnliche ist, dass mir drei Monate später noch mal genau das Gleiche passiert ist!
Nicht Ihr Ernst!?
Doch, auch wieder mit Linsensuppe! Seitdem koche ich keine Linsensuppe mehr. Und seitdem habe ich einen Tick: Selbst wenn ich weiß, dass ich mir morgens kein Ei gekocht habe, gehe ich in dem Moment, wo ich die Tür abschließen will, trotzdem noch mal zum Herd und schaue nach, ob er ausgeschaltet ist. Das beruhigt mich. Und so ein Tick ist besser, als dass die Wohnung abbrennt.
Um einen verlegten Autoschlüssel wiederzufinden, hilft aber auch das nicht!
Aus dem Grund habe ich mein Schlüsselbund so dick gemacht, dass ich ihn nicht mehr übersehen kann. Man gewöhnt sich an Vergesslichkeit. Mich hat sie meine ganze Karriere begleitet. Meine Schusseligkeit liegt aber auch daran, dass ich in eine komplett andere Welt abtauche und alles um mich herum ausblende, wenn ich im Entstehungsprozess eines Albums bin.
Womit hat es denn angefangen?
Ich habe Ende der Achtziger die Weiß-Pressung meines allerersten Albums in einer Oben-Ohne-Bar in Hamburg liegengelassen! Das war mir ungeheuer peinlich. Ich wollte damals das Ereignis der Veröffentlichung gebührend feiern und ging mit der unbetitelten Schallplatte unterm Arm in die Strip-Bar. Ich habe die Rarität nie wiedergesehen und mich auch zu sehr geschämt, um mich in dem Etablissement noch mal blicken zu lassen.
Haben Sie auch schon mal Ihr eigenes Konzert vergessen?
In der Tat. Das war in den Neunzigern in Osterholz. Meine Band stand vor meiner Haustür in Hamburg, um mich abzuholen, aber ich war irgendwo in der Stadt verschollen. Ich habe damals mit Echt-Produzent Franz Plasa zusammengewohnt und bat ihn, mir seinen alten Mercedes zu leihen. Auf der Autobahn stellte ich fest, dass ich mein Geld vergessen hatte und der Tank leer war. Ich habe dann den Tankstellenbesitzer mit viel Mühe überredet, meinen Synthesizer in Zahlung zu nehmen. Dummerweise habe ich dann Benzin statt Diesel getankt. Nach 100 Metern auf der Autobahn blieb ich liegen, wurde vom ADAC abgeschleppt und bin dann in die falsche Richtung weitergetrampt. Irgendwann stand ich dann an der dänischen Grenze.
Und das Konzert fand ohne Sie statt?
Leider ja. Der Bassist hat gesungen. Die Band war stinksauer, aber als die anderen meine Geschichte hörten, haben sie gelacht und mich doch nicht rausgeschmissen.
Mit Michel van Dyke sprach Katja Schwemmers
Die CD von Michel van Dyke "Doppelleben" (Warner) erscheint am 29. August - bei Amazon bestellen
Quelle: ntv.de