Kino

Harvey Weinstein geht auf Oscar-Jagd Der Allmächtige von Hollywood

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(Foto: ASSOCIATED PRESS)

In Sachen Oscar macht ihm niemand was vor: Kein Hollywood-Produzent sammelt so erfolgreich Nominierungen und Trophäen wie Harvey Weinstein. Nach der beinahe-Pleite seiner Firma gelang ihm zuletzt mit dem Außenseiter "The Artist" ein Coup. Seine umstrittenen Methoden ernten allerdings auch harsche Kritik. In diesem Jahr hat er zwei heiße Eisen im Feuer.

"Gott." Ihn wollte Meryl Streep in ihrer Dankesrede nicht vergessen, als sie im vergangenen Jahr den Golden Globe als beste Schauspielerin entgegennahm. Doch sie meinte gar nicht den Allmächtigen aus der Bibel. Sie meinte den Allmächtigen aus Hollywood: Harvey Weinstein. Und Streep schob noch etwas hinterher: Sie nannte ihn "Punisher" - den Bestrafer. Das sind die beiden Seiten von Weinstein: der verehrte Filmverleiher und Produzent, der das Kino liebt und überall seine Finger im Spiel zu haben scheint, und der knallharte Geschäftsmann, der launische Tyrann, der seine Filme so haben will, wie sie ihm passen, und der sie aggressiv bewirbt.

Junge Filmemacher wie Quentin Tarantino machte Weinstein bekannt und öffnete ihnen die Tore nach Hollywood.

Junge Filmemacher wie Quentin Tarantino machte Weinstein bekannt und öffnete ihnen die Tore nach Hollywood.

(Foto: Associated Press)

Oder vermarktet er sie nur genial? Gerade in der Oscar-Saison wird das in jedem Jahr sichtbar. Von den Filmen, die in diesem Jahr für den Oscar für den besten Film nominiert sind, verleiht Weinstein zwei, die beide schon Golden-Globe-prämiert sind: "Silver Linings" von David O. Russell, den Weinstein auch selbst produziert hat, und "Django Unchained" von Quentin Tarantino, mit Christoph Waltz. Wer in den letzten Wochen einschlägige Film- und Entertainmentportale in den USA besuchte, kam um Werbung für die beiden Streifen kaum herum. Gezielt will Weinstein die Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die die Oscars vergibt, ansprechen.

Kampagnen-Manager und Geschenke

Der Filmproduzent weiß, welche Bedeutung die Auszeichnung hat. In Zeiten, in denen Internet und Tauschbörsen der Filmindustrie arg zusetzen, wird der Goldjunge immer wichtiger, als Qualitäts-Prädikat und Marketing-Hilfe: Ein Oscar-Erfolg verändere den wirtschaftlichen Erfolg eines Films, sagte er einmal. Kein Wunder also, dass Weinstein die von ihm vertriebenen oder produzierten Filme aggressiv bewirbt. Und das nicht nur mit Anzeigen. Er heuert Kampagnen-Berater an, schmeißt glamouröse Partys, trifft sich mit etlichen Menschen aus der Filmbranche und verschickt DVD-Geschenke an die Akademie-Mitglieder. Kritiker werfen ihm dagegen vor, Konkurrenten gezielt ins schlechte Licht zu rücken und Spione in Akademie-Vorführungen zu schicken, wo sie die Stimmung testen sollen. Zudem gibt es immer wieder Vorwürfe, er habe Filmemacher unter Druck gesetzt oder Filme eigenmächtig geschnitten.

Weinstein mit seiner zweiten Ehefrau Georgina Chapman. Insgesamt hat er vier Kinder.

Weinstein mit seiner zweiten Ehefrau Georgina Chapman. Insgesamt hat er vier Kinder.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Seine Oscar-Strategie, die inzwischen auch andere Studios nachahmen, hat aber Erfolg. Das konnte man in den vergangenen Jahren sehen: 2012 vereinten Weinsteins Filme 16 Nominierungen auf sich. Das ist kein Rekord, aber sehr beachtlich abseits der großen Blockbuster-Studios. Neben "My Week with Marilyn" und "Die Eiserne Lady" war das vor allem der große Abräumer "The Artist", der unter anderem die Oscars für Film, Regie und Hauptdarsteller einheimste. Die gleichen Preise gingen im Jahr zuvor an "The King's Speech" - auch der natürlich aus dem Hause Weinstein.

Ein schwarz-weißer Stummfilm aus Frankreich und ein britischer Streifen über  einen stotternden König - das sind auf den ersten Blick nicht die heißesten Oscar-Anwärter. Doch gerade weil er sich für kleine Filme einsetzt, sieht Weinstein seine Kampagnen auch gerechtfertigt: "Ein Film wie 'The Artist', der 14 Millionen gekostet hat, tritt gegen Filme an, die 140 Millionen kosten. Wie soll David Goliath schlagen?", sagte der Produzent im vergangenen Jahr.

Weinsteins jüngster Coup war "The Artist" von Produzent Thomas Langmann (l.) und mit Hauptdarsteller Jean Dujardin (M.) - beide gewannen den Oscar.

Weinsteins jüngster Coup war "The Artist" von Produzent Thomas Langmann (l.) und mit Hauptdarsteller Jean Dujardin (M.) - beide gewannen den Oscar.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Vor einigen Jahren verbot die Akademie zumindest die von den Studios veranstalteten ausschweifenden Partys im Rahmen von Oscar-Kampagnen. Sie finden nun in kleinerem, privatem Rahmen statt. So wurden 2009 mehrere Partys zu Ehren von Penelope Cruz' Oscar-Nominierung gefeiert. Den Preis bekam sie dann auch, für ihre Nebenrolle in "Vicky Christina Barcelona" von Woody Allen. Zu den produzierenden Studios gehörte: The Weinstein Company.

Man kann deshalb den Filmen und Schauspielern natürlich nicht ihre Qualität absprechen: Penelope Cruz wurde für ihre Rolle mit Preisen überhäuft, "The King's Speech" und "The Artist" waren internationale Abräumer. Aber der Oscar untermauerte zumindest ihre Popularität und half den europäischen Produktionen an den Kinokassen in den USA ordentlich nach. Für kleine Produktionen ist das überlebenswichtig. Auch das ist Weinstein: Er hat ein Gespür für gute Filme, und seien sie noch so klein und abwegig. Ist er erst einmal von ihnen überzeugt, zieht er sie wie ein Baby groß.

Dabei überschreitet er durchaus Grenzen. Legendär ist die Geschichte um den japanischen Zeichentrickfilm "Prinzessin Mononoke" des Zeichners Hayao Miyazaki. Als Weinstein die Verleihrechte für Nordamerika erwarb und vorschlug, den Film zu schneiden, sandte Produzent Toshio Suzuki ihm ein Samurai-Schwert mit dem Hinweis: "Keine Schnitte". Weinstein aber sah die Änderungen als gerechtfertigt an, da der Film viele Begriffe der japanischen Mythologie verwendet, die für das amerikanische Publikum unverständlich sind. Weinstein betonte einmal, er schneide nicht aus Spaß, sondern um Filme erfolgreich zu machen.

Den großen Spielberg geschlagen

Diese Strategie, kleine unabhängige Filme groß rauszubringen, verfolgt der 1952 geborene Weinstein schon seit Jahren. 1979 gründete er zusammen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Bob den Filmverleih Miramax (nach deren Eltern Miriam und Max). Den ersten großen Erfolg feierten sie mit "Sex, Lügen und Video" von Steven Soderbergh. Bald wurde Miramax zum führenden Verleih von US-Independent-Streifen, denen er das Tor nach Hollywood öffnete, aber auch weltweiter Produktionen wie "Cinema Paradiso", "Das Piano" oder "Der Postmann".

Einen eigenen Oscar erhielt Weinstein (3.v.l.) als Produzent von "Shakespeare In Love" mit Gwyneth Paltrow.

Einen eigenen Oscar erhielt Weinstein (3.v.l.) als Produzent von "Shakespeare In Love" mit Gwyneth Paltrow.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Als Disney 1993 Miramax kaufte, waren die Weinsteins endlich im großen Geschäft angekommen. Ihr Budget betrug nun 700 Millionen US-Dollar, mit dem sie junge Stars wie Ben Affleck, Jude Law, Gwyneth Paltrow und Quentin Tarantino aufbauen sollten. Nichts leichter als das: Nachdem sie bereits "Reservoir Dogs" produziert hatten, brachten sie 1994 auch Quentin Tarantinos bahnbrechenden Film "Pulp Fiction" heraus und vertrieben seitdem alle seine Filme. Hinzu kamen Independent-Hits wie "Smoke", "Flirting with Disaster" und "Good Will Hunting", der zwei Oscars gewann.

Zu Weinsteins großem Triumph wurde 1997: "Der Englische Patient" heimste neun Oscars ein, darunter für den besten Film, andere Miramax-Filme drei weitere. Zwei Jahre später setzte er noch eins drauf: Die Romanze "Shakespeare in Love", die er auch co-produzierte, setzte sich bei der Oscar-Verleihung gegen den großen Favoriten "Der Soldat James Ryan" von Steven Spielberg und mit Tom Hanks durch. Hollywood war geschockt, Weinsteins hatte seinen ersten eigenen Oscar in der Hand. Erfolge wie "Scream", "Chicago" (Oscar als bester Film) und "Aviator" folgten.

Das Comeback

Aber die Zusammenarbeit mit Disney funktionierte nicht immer reibungslos. 1996 gab Miramax das "Herr der Ringe"-Projekt von Peter Jackson auf, weil es Disney zu riskant und teuer erschien. Die Religions-Komödie "Dogma" konnte Miramax nur gegen Disneys Protest herausbringen. Im Streit um die Veröffentlichung von Michael Moores politischer Doku "Fahrenheit 9/11" überwarfen sich schließlich 2005 die Brüder Weinstein mit Disney und verließen Miramax. Die Bilanz der Firma seit Anfang der 90er Jahre: 249 Oscar-Nominierungen und 60 Gewinner.

Mit der Abfindung gründeten Harvey und Bob eine neue Firma: The Weinstein Company. Doch sie hatten nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten von Disney. Man veröffentlichte kleine Filme wie "Lucky Number Slevin", "Mord und Margaritas" und "Bobby" und erlebte mehrere Misserfolge. Man war hoch verschuldet, der Ruin drohte trotz kleiner (Oscar-) Erfolge mit "Vicky Christina Barcelona" und "Der Vorleser". Erst im neuen Jahrzehnt ging es wieder aufwärts: "Inglourious Basterds" von Tarantino war nicht nur ein Kassenerfolg, sondern holte 2010 auch den Oscar für Christoph Waltz. Im Jahr darauf wurde "The Fighter" zweifach ausgezeichnet. Das war 2011, als auch "The King's Speech" abräumte. Dann folgte der Triumph mit "The Artist".

Weinstein ist also wieder da. In diesem Jahr schickt er zwei Filme ins Rennen. "Silver Linings" ist für acht Academy Awards nominiert, "Django Unchained" für fünf. Sie haben durchaus Chancen auf mehrere Trophäen, auch wenn "Argo" von Ben Affleck mittlerweile als Favorit gilt. Aber selbst wenn dieser Streifen der große Gewinner wird, kann sich Weinstein in gewisser Weise freuen. Denn Affleck, der seinen ersten Oscar für "Good Will Hunting" gewann, sagte vor einigen Jahren, dass Harvey Weinstein ihm seine Karriere erst ermöglicht hätte. Der Allmächtige von Hollywood hat seine Finger eben überall im Spiel.

Quelle: ntv.de

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