Von zart bis hart Winter-Musik
01.02.2011, 14:29 Uhr
Wir hinken ein wenig hinterher mit unseren Musik-Empfehlungen. Der Dschungel ist schuld, und die Winterdepression und die Dunkelheit, aus der wir uns langsam wieder zurückkämpfen. Zum Beispiel mit dieser empfehlenswerten Musik.
Wanda Jackson: The Party Ain't Over

Das kann man wohl laut sagen! Die Party der Wanda Jackson ist noch lange nicht vorbei! Sie ist so eine Art weiblicher Johnny Cash und Elvis in einer Person. Ja, wenn eine das sein könnte, dann sie. Wanda Jackson, die auch als "rechtmäßige Königin des Rockabilly" bezeichnet wird, ist als Siebzigerin heute noch so energetisch wie eh und je. Sie ist ein böses Mädchen geblieben, das sowohl damals als auch heute ein Timbre in der Stimme hat, dass Amy Winehouse als Klosterschülerin dastehen lässt. Zusammen mit White-Stripes-Mastermind Jack White ist ihr ein Album gelungen, das Fans jeden Alters begeistern kann. Schulnote: 2 (soe)

Lisa Bassenge: Nur Fort
Angenehm. Schöne Stimme, coole Arrangements, intelligente, witzige Texte. Junger Jazz? Deutsches Liedgut? Gutes deutsches Lied? Ja, alles. Unbefangen und selbstverständlich singt die Künstlerin lockere Eigenkompositionen und moderne Klassiker der deutschen Musikgeschichte - und das überwiegend in ihrer Muttersprache - so charmant, cool, relaxed und sophisticated, wie man es bisher noch kaum erlebt hat. War es die gute Luft und die angenehme Atmosphäre im grünen Berliner Bezirk Zehlendorf, der ihr zu dem glasklaren Sound verholfen hat? Bislang erschienen vier Studioalben und eine Live-Platte, bislang dominierte auf allen Veröffentlichungen Englisch, die universelle Sprache des Pop. Auf "Nur Fort" wagen Bassenge und ihre Mannen nun einen anderen, überzeugenden Ansatz. Schulnote: 2+ (soe)

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DiddyDirtyMoney : Last Train To Paris

Er gehört tatsächlich seit fast 20 Jahren zu den größten Namen der Musikwelt - auch wenn er seinen Namen immer wieder ändert - sein Sound hat einfach Wiedererkennungswert. Sein neuestes Projekt - DiddyDirtyMoney - featuret die Neuentdeckung Skylar Grey, wurde produziert von Jay-Z und Alex Da Kid (u.a. verantwortlich für Eminem’s "Love The Way You Lie"). Diddy, wie wir ihn der Kürze halber mal nennen wollen, gibt Rück - und Ausblick, es geht um Fehlentscheidungen, um die Dinge, die wirklich zählen - und es geht darum, endlich nach Hause zurückzukehren. Er selbst findet: "An electro hip-hop soul funk experience blending elements of UK Grime, Techno and the 80’s of American HipHop". Mit dabei: T.I., Lil Wayne, Justin Timberlake, Usher, Drake, Chris Brown, Grace Jones u.v.m. Schulnote: 3+ (soe)

Johannes Oerding: Boxer
Liedermacher? Vielleicht? Oder Songwriter? Passt irgendwie besser, denn Liedermacher hört sich so nach Reinhard Mey an. Nichts gegen den Übervater aller Liedermacher, aber Johannes Oerding ist einfach zu lässig für das Wort "Liedermacher". Auch wenn seine Lieder alle deutsch und echt gut gemacht sind: Oerding ist ein junger, selbstbewusster Künstler mit Soul, Pop und Rock im Blut. Ihm gelingt sogar das große Kunststück, dass der Zuhörer gleichzeitig an Grönemeyer und Westernhagen denkt - ein Unding eigentlich, aber er wird bald in einem Atemzug mit den beiden Godfathers of German Music genannt werden. Multitalent Ina Müller findet ihn so süß, dass sie mal gleich mit ihm zusammen ist. Der Altersunterschied von 16 Jahren, Oerding ist 29, spielt keine Rolle bei den Vollblutmusikern. Noch Fragen? Reinhören! Schulnote. 2+ (soe)

I Blame Coco: The Constant
An wen erinnert die uns bloß? Keine Ahnung, irgendjemand wird schon ihr Vater sein. Egal, sie ist gut. Sehr jung, ein bisschen bockig wirkend, wie ein scheues Reh erstmal, bloß nicht an den erinnern wollend, an den sich alle erinnern, wenn sie ihren Namen hören - Coco Sumner - nein, sie will ihr eigenes Ding machen. Und das macht sie auf "The Constant". Nachdem sie schon ihr ganzes Leben mit Musik zu tun hat und im zarten Alter von 15 Jahren an dieser Platte gefeilt und sich an den für "mega" befundenen Texten und den dazugehörigen Klangwelten abgekämpft hatte, warf sie letzten Herbst alles über den Haufen und ging die Sache noch einmal ganz von vorne an – komplett nach ihren eigenen Vorgaben natürlich. Herausgekommen ist das Album einer jungen Künstlerin, von der wir noch viel hören werden. Schulnote: 2 (soe)
White Lies: Ritual
Schon bei ihrem Debütalbum "To Lose My Life" 2009 fischten die White Lies in den gleichen dunklen Gewässern wie etwa Interpol oder die Editors. Die Anleihen bei Joy Division und düsterem New-Wave-Sound der 80er Jahre waren unüberhörbar. Mit "Ritual" beschreiten die drei Briten diesen Weg konsequent weiter, ja, ziehen die Pathos- und Gothic-Schraube sogar noch ein Stück weiter an.
Dabei klingt das neue Album - auch das eine Analogie zum letzten Editors-Album - noch ein ganzes Stück weit elektronischer als das Debüt. Und noch massenkompatibler, weil perfekt durchproduziert. Kein Wunder, schließlich zeichnet für den Sound von "Ritual" kein Geringerer als Alan Moulder mitverantwortlich, der schon bei Bands wie Nine Inch Nails, Depeche Mode oder Marilyn Manson hinter den Reglern saß und zu den Top-Produzenten der Indie-Szene zählt.
Wenn Sänger Harry McVeigh beim Opener "Is Love" begleitet von elektronischen Klängen bedeutungsschwanger ansetzt, klingt das schon fast wie poppigere Sachen von Dead can Dance. Und auch sonst werden Erinnerungen an einstige Synthie-Goth-Pioniere wie Clan of Xymox mehr als nur wachgeküsst - auch wenn bei den White Lies die Gitarren schon noch deutlich stärker zum Tragen kommen. Wer die beiden vorgenannten Bands kennt, wird vielleicht ungefähr ahnen, in welche Richtung "Ritual" geht. Wer nicht, der sollte sich die Inspirationsquellen der White Lies mal anhören - jedenfalls wenn er auf diesen düsteren Indie-Sound steht. Wollte man den drei Briten Böses, dann könnte man ihnen wie schon bei "To Lose My Life" vorwerfen, dass sie bei anderen gnadenlos abkupfern. Will man ihnen indes Gutes, dann kann man ihnen anrechnen, dass sie die Musik ihrer Vorbilder in einem zeitgemäßen Soundgewand in die Moderne transportieren. Und wir wollen ihnen hier mal nur Gutes. Schulnote: 2 (vpr)
Quelle: ntv.de