Sex, Sekten, Super-GAU "Kaboom": Die Welt wird explodieren
28.10.2011, 07:17 Uhr
Thor denkt selbst im Traum nur an das Eine.
Sexuelle Irrungen, paranormale Elemente, knallbunte und überdrehte Schauspiel-Charaktere - wie passt das zum Weltuntergang? Durch eine Highschool-Story, eine wie aus dem Leben gegriffene Endzeit-Verschwörungstheorie und den Regisseur Gregg Araki. "Kaboom"!
Willkommen in Smiths Leben: Smith (Thomas Dekker; "A Nightmare On Elm Street") ist 18. Er ist ohne Vater aufgewachsen und gerade aufs College gekommen. Und dort dreht sich alles - wie sollte es auch anders sein - nur um Sex. Smith ist schwul, was man ihm ansieht. Aber er könnte auch bi sein, wie er selbst sagt. Fakt ist aber, er steht auf seinen Zimmergenossen Thor (Chris Zylka, "Piranha 3D"). Surfer, blond und scheinbar nichts im Kopf. Der poppt sich allerdings jede Nacht durch ein anderes Bett auf dem Campus und ist trotz einer nach Farben geordneten Flip-Flop-Sammlung ein Hetero.
Das macht Smith zu schaffen und so quatscht er darüber mit Stella (Haley Bennett; "The Hole"). Sie ist Smiths älteste Freundin. Die beiden kennen sich schon von der Highschool und reden über alles, natürlich am liebsten über Sex. Ohne Tabus. Stella selbst ist lesbisch und Vegetarierin, auch wenn Letzteres keine weitere Rolle spielt. Stella überredet Smith, mit zu einer Party zu kommen, wo sie Loreley (Roxane Mesquida; "Rubber", "Sheitan") aufreißen will. Smith geht mit und lernt London (Juno Temple; "Die drei Musketiere") auf dem Klo kennen, als er sich die Schuhe säubert, die ihm eine gut aussehende Rothaarige (Nicole Laliberte; "Dinner für Spinner") im Vollsuff vollgekotzt hat. Ohne langes Federlesen landet Stella im Bett mit Loreley und Smith darf bei London ran.
Das Leben könnte so schön sein: Partys, Sex und Drogen von Messias (James Duval; "Donnie Darko"). Wenn da nicht die Alpträume wären, die Smith in letzter Zeit, so kurz vor seinem 19. Geburtstag, immer wieder heimsuchen. Er sieht die unbekannte Rothaarige, eine rote Mülltonne und eine Tür mit der Zahl 19. Verworrener wird alles zudem noch durch die Tatsache, dass es die Rothaarige gar nicht zu geben scheint, obwohl Smith gesehen hat, wie sie von drei Männern mit Tiermasken gekidnappt worden ist. Zu allem Überfluss ist Stellas Geliebte Loreley auch noch eine Hexe, ohne Besen zwar, aber dafür mit übernatürlichen Fähigkeiten.
Vollkommen politisch unkorrekt
Ab jetzt beginnt der Film "Kaboom" des Regisseurs Gregg Araki erst richtig. Konnte sich der Zuschauer bis hierhin noch fragen, was das Ganze eigentlich soll, wird er nun in einen Genrestrudel gerissen, der seinesgleichen sucht: Anfänglich eine Highschool-Schmonzette und -Persiflage, entwickelt sich "Kaboom" zu einer Mischung aus Verschwörungsthriller, Krimi, Fantasy-Horror, Drama, Love Story, Porno und Komödie. Der Zuschauer fühlt sich wie in einer "Akte X"-Folge, die mit "Donnie Darko“ gekreuzt wurde und der David Lynch den letzten Schliff verpasst hat.
"Kaboom" kommt vollkommen politisch unkorrekt daher, im knallbunten 80s-Style, überzeichnet und überdreht gleichermaßen. Er nimmt Anleihen bei "Charmed", was allein schon der Charakter und das Aussehen von Loreley verdeutlicht, die unweigerlich an Prue Halliwell (Shannon Doherty) erinnert. Die anderen Darsteller sind so unnatürlich gut aussehend, wie es sie nur in US-Highschool-Filmen zu geben scheint. Selbst nach unzähligen durchgemachten Nächten am Stück sehen Smith, Stella und London aus, als ob sie gerade frisch geduscht, geschniegelt und gebügelt zum Vorstellungsgespräch gehen wollten. Einzig die Sprache der Darsteller konterkariert dieses Bild: "Ficken" und "Scheiße" sind die meistgenannten Wörter des Films.
Etwas Geduld ist gefragt
Anfangs weiß der Zuschauer nicht, worauf er sich bei "Kaboom" einlässt. Der Drang, einfach den Auswurfknopf am DVD- oder Blue-ray-Player zu drücken, ist auf alle Fälle da. Aber er sollte bekämpft werden. Es lohnt sich! Smith kommt über die verschollene Rothaarige "Irgendetwas" auf die Spur. Er weiß nur noch nicht, was es ist. Der Zuschauer erfährt es nach rund 75 Minuten. Dann beginnen die zehn "Wow"-Minuten von "Kaboom":
Wie sich herausstellt, ist Smiths Vater nicht tot, wie es ihm seine Mutter (Kelly Lynch, "Mr. Magoo", "Curly Sue") vor Jahren gesagt hat. Nein, er ist der "Erhabene", Führer der Untergrund-Sekte New Order - die nichts mit der abgefahrenen New-Wave-Band aus den 80ern zu tun hat - und die über ihren Untergrund-Status längst hinaus ist. Sie hat im Verborgenen eine Art Parallelgesellschaft aufgebaut, Politik und Wirtschaft infiltriert. Und Smith ist der "Auserkorene", der erstgeborene Sohn des "Erhabenen".
Ein großes "Kaboom"
Am Tag "0", so hat es der "Erhabene" geträumt, wird der auserkorene Sohn in die Sekte zurückkehren und die Welt, wie wir sie kennen, wird aufhören zu existieren. Am Tag "0", zufällig Smiths 19. Geburtstag, wird die Erde in einem "nuklearen Holocaust" zerstört werden und zu Müll der Geschichte. New Order werden die einzigen Überlebenden sein, dank des atombombensicher gebauten Bunkers "Secretum Sanctum" - und Smith "erbt das ganze Königreich" und wird "Prinz dieser neuen Welt".
Als der Messias Stella den Anfang davon erzählt, rät sie ihm, aufzuhören mit dem Kiffen. Er antwortet, er habe das Zeug noch nie angerührt: "Alles nur Tarnung." Der Messias gehört zu einer geheimen Untergrundbewegung namens "Der Widerstand". Das Ziel: New Order auslöschen. Die verschollene Rothaarige war Messias‘ Freundin. Sie wurde von der New Order getötet, weil sie eine Undercover-Agentin des FBI gewesen ist und Beweisvideos gedreht hat.
So erklären die letzten 10 Minuten des Films die vorherigen verschrobenen 75 - inklusive diverser "Aaahs" und "Ooohs". Und einem sprichwörtlichen "Kaboom" am Ende zu den Klängen von Placebos "See You At The Bitter End". Großes Kino, irgendwie.
Quelle: ntv.de