Deutsch-polnischer "Polizeiruf" Atomkraft? Ja, bitte!
28.12.2019, 14:45 Uhr
Verfolgt einen wichtigen Prozess: Kommissarin Lenski (Maria Simon).
(Foto: rbb/Degeto/Oliver Feist)
Wenn sich ein Sonntagabendkrimi in nur 90 Minuten um Energiewende, Pressefreiheit, die Probleme der ultraharten polnischen Justizreform, übermächtige Konzerne, Seitensprünge und Eifersucht kümmern möchte, kann das eigentlich nur schiefgehen. Oder etwa doch nicht?
Polen ist das schmutzigste Land innerhalb der Europäischen Union: Rund 80 Prozent ihrer Energie gewinnen unsere Nachbarn aus Kohle. Sowohl in der Realität als auch im neuen grenzüberschreitenden "Polizeiruf" wollen die Polen deswegen den Teufel mit dem Beelzebub austreiben - rein in die Kernenergie, um von der Kohle wegzukommen. Bleibt nur zu hoffen, dass es wenigstens bei der Planung der echten polnischen Meiler sauberer zugeht als im Sonntagabendkrimi.
In "Tod einer Journalistin" versucht der multinationale Energiekonzern Ergatome nämlich mit allen Mitteln, im deutsch-polnischen Grenzland ein Atomkraftwerk zu bauen - Erpressung und Auftragsmord inklusive. Das wissen die Zuschauer bereits nach einer ungewöhnlich langen Einleitung, in der die investigative Journalistin Anne Gerling (Antje Traue) Schockierendes über einen anstehenden Prozess gegen Ergatome erfährt, dann mit dem zuständigen polnischen Richter schläft - und sich schließlich mit ihrem Auto um einen brandenburgischen Baum wickelt, während ein Killer sie durch ein Scharfschützengewehr beobachtet. Ganz schön viel los im Grenzgebiet, und das glücklicherweise nicht nur zu Beginn des Films.
Die Kommissare Lenski (Maria Simon) und Raczek (Lucas Gregorowicz) wundern sich zwar zunächst, warum ausgerechnet die Kriminalpolizei zu einem scheinbar ganz normalen Unfallort gerufen wird, entdecken aber schnell, dass gleich zwei gelöste Radmuttern kaum Zufall sein können - und verbinden Gerlings Tod schnell mit ihrer Arbeit. Die Journalistin war den kriminellen Machenschaften von Ergatome auf der Schliche und wollte offenbar pünktlich zur Gerichtsverhandlung die Bombe platzen lassen. Zusammen mit Gerlings Vater (Max Herbrechter), der ebenfalls als investigativer Journalist arbeitet, ermitteln Lenski und Raczek in einem Wettlauf gegen die Zeit und einen gnadenlosen Auftragsmörder.
Sparsame Schusswechsel, abgekaute Fingernägel
"Tod einer Journalistin" erhöht pünktlich zum Jahresabschluss noch einmal kräftig die Schlagzahl und bringt eine beeindruckende Menge an Themen mit: Energiewende, Pressefreiheit, die Probleme der ultraharten polnischen Justizreform, übermächtige Konzerne, Seitensprünge und Eifersucht. Das alles in gerade mal 90 Minuten unterbringen zu wollen ist alles andere als einfach, man könnte auch sagen: eine Einladung zum Scheitern. Der Grenz-"Polizeiruf" bringt die Themen allerdings nicht nur unter, sondern versteht es auch, sie so geschickt miteinander zu verweben, dass keines davon aufgesetzt wirkt.
Und wer keine Lust auf Hintergründe und Politisches hat, muss sich ebenfalls nicht sorgen: "Tod einer Journalistin" funktioniert auch als spannender Fernsehthriller einwandfrei - es ist immer ein gutes Zeichen, wenn man als Zuschauer trotz sparsamer Schusswechsel an den Fingernägeln knabbert. Nur nicht für die Fingernägel, aber dafür gibt es ja Nüsschen. Unser Tipp: Besorgen Sie sich für diesen "Polizeiruf" eine etwas größere Schale, es lohnt sich.
Quelle: ntv.de