
Muss zusehen, wie seine Welt auseinandergerissen wird: Tomasz (Joshio Marlon).
(Foto: ARD)
Wäre mit "Ostern" nicht schon ein christliches Fest gemeint, man könnte man locker ein neues Krimi-Genre so betiteln: Mit "Heimatliebe" passt jedenfalls schon der zweite Sonntagabendkrimi innerhalb von 14 Tagen in diese Kategorie.
Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass die Magdeburger "Polizeiruf"-Ermittler zum Auftakt der Krimi-Saison in einem ostdeutschen Dorf aufräumen mussten, das mit ein wenig mehr Steppengras so auch im Mittleren Westen der USA hätte stehen können. Und am Sonntag möchte man sich am liebsten schon wieder einen breitkrempigen Hut aufsetzen und auf Zigarrenstumpen herumkauen, während man den "Polizeiruf"-Kollegen vom deutsch-polnischen Kommissariat beim Ermitteln zusieht. Was ist da nur los im Wilden Osten?

Nach der Einschulung direkt aufs Revier: Kommissarin Lenski (Maria Simon) muss ihre Tochter Alma mangels Babysitter auf der Arbeit parken.
Fangen wir von vorne an: Während Kommissar Raczek (Lucas Gregorowicz) nahe des polnischen Dorfs Zimowe Pole den Eigentümer eines abgetrennten Fingers sucht, muss sich seine Kollegin Lenski (Maria Simon) mit dem schwerbewaffneten und leicht reizbaren Jaschke (Waldemar Kobus) herumschlagen. Der wirkt zwar auf den ersten Blick wie ein Reichsbürger, möchte aber "nur" die ehemals preußische Provinz Brandenburg zurück ins Leben rufen - die blöderweise mittlerweile zu großen Teilen auf polnischem Staatsgebiet liegt. Ein Brandenbürger also.
Die beiden Erzählstränge führen unweigerlich auf den Hof eines polnischen Landwirts und seiner deutschen Frau. Die Kleinbauernfamilie wird vom Strohmann eines deutschen Agrarkonzerns mit allen legalen und illegalen Mitteln dazu genötigt, den Hof zu verkaufen - vergebens. Und dann spielt auch noch der nationalistische Bruder des Landwirts eine tragende Rolle, der wenig bis nichts von den Deutschen hält, die Frau seines Bruders gerne mal eine "Nazi-Schlampe" nennt und ansonsten auf abgeschnittene Gliedmaßen steht.
Wer durchhält, wird belohnt
Unschwer zu erkennen: In "Heimatliebe" kommt allerhand zusammen, jeder scheint seine eigenen Gesetze zu machen. Das wirkt bisweilen arg konstruiert, fügt sich am Ende aber doch einigermaßen schlüssig zusammen. Um das zu erleben, muss man sich allerdings erst mal durch den Mittelteil kämpfen, der sich so lange hinzieht, dass man sich zwischendurch beim Blick auf die Uhr ertappt: Die 90 Minuten müssten doch schon lange rum sein, oder? Wer durchhält, wird allerdings belohnt, die letzte halbe Stunde ist so spannend, dass sie für vieles entschädigt.
Ziemlich nervig ist dafür, wie Regisseur und Drehbuchautor Christian Bach die zugegebenermaßen herausfordernde Aufgabe gelöst hat, die komplizierten geschichtlichen Hintergründe der immer noch in Teilen problematischen Geschichte zwischen Deutschen und Polen zu erklären: Belehrender Frontalunterricht wie in der Schule, das braucht am Sonntagabend wirklich niemand. Wofür hat das Fernsehen schließlich bewegte Bilder, wenn nicht, um Geschichte fühlbar zu machen? So jedenfalls bleibt "Heimatliebe" unter seinen Möglichkeiten.
Quelle: ntv.de