

Wer guckt denn da so grimmig? Es ist diesmal nicht die SPD, die Gerhard Schröder ärgert. Nein, der Altkanzler tut sich ein Spiel seines Fußball-Lieblingsklubs Hannover 96 an.
Die Niedersachsen, die gegen den Abstieg kämpfen, verlieren mal wieder. Da kann der 96-Aufsichtsratschef schon mal sauer sein.
Ansonsten läuft es aber gut für Schröder, der am 7. April seinen 75. Geburtstag feiert.
Privat sowieso, denn die Hochzeit mit seiner fünften Ehefrau Kim So-yeon Schröder ist noch nicht lange her.
Beide geben sich lebenslustig und sorgen für gute Bilder auch in den sogenannten bunten Blättern. Hier vergnügt man sich auf dem Wiener Opernball.
Sogar Küchenaufnahmen gibt es.
Der Ex-Kanzler rührt im Topf rum. Dabei war er bislang gar nicht als Koch bekannt.
Die Scheidung von Ehefrau Nummer vier, Doris Schröder-Köpf, liegt noch nicht lange zurück.
Sie begleitete Schröder durch dessen von 1998 bis 2005 dauernde Kanzlerschaft.
Im April 2018 ist dieser Lebensabschnitt mit der Scheidung beendet.
Doch lassen wir das Private. Gerhard Schröder ist zwar schon eine geraume Zeit nicht mehr im Berliner Kanzleramt. Dennoch äußert er sich wieder verstärkt zu aktuellen politischen Themen.
Es ist der desolate Zustand der SPD, der ihn umtreibt. Dass die älteste deutsche Partei in Umfragen bei unter 20 Prozent liegt, lastet Schröder dem derzeitigen Führungspersonal an.
Schröder kritisiert vor allem Parteichefin Andrea Nahles scharf.
Nahles mache "Amateurfehler", stichelt der Altkanzler. Er spricht ihr das Format einer Kanzlerkandidatin ab.
Schröder hat nicht vergessen, dass ihm Nahles als Juso-Chefin das Kanzlerleben schwer gemacht hat. Vor allem um die Hartz-Reformen hatten beide kräftig gestritten. Dass diese für den Niedergang der SPD mitverantwortlich sind, verschweigt Schröder.
Nahles war noch nie ein großer Schröder-Fan gewesen. Sie will nun als SPD-Chefin das Kapitel Hartz IV beenden.
Darüber ist Schröder natürlich alles andere als begeistert, hat er doch zu Beginn der Nullerjahre die Sozialreformen nur mit großer Mühe in der rot-grünen Koalition durchsetzen können.
Aber auch er hat es in jüngeren Jahren den Parteioberen nicht leicht gemacht.
Der damalige SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt konnte davon ein Lied singen, denn der Juso-Chef machte ihm in der Frage der Raketenstationierung das Leben schwer.
Schröder ist damals auf einer Wellenlänger mit SPD-Chef Willy Brandt, der keine US-amerikanischen Pershing II und Cruise Missiles in der Bundesrepublik haben wollte.
Gerhard Schröder ist von 1978 bis 1980 Bundesvorsitzender der Jungsozialisten und tritt in dieser Funktion auch sehr forsch auf. Der Weg zum späteren "Basta"-Kanzler wird geebnet.
Schröder gibt später zu, dass Schmidt recht gehabt hatte. Als Kanzler holt er sich ab und zu Rat beim Hamburger.
Sehr schnell wird klar, dass er ein politisches Alphatier und damit zu Höherem berufen ist.
Bereits als Juso-Chef ist Schröder äußerst machtbewusst. Er strebt in die erste Reihe der SPD - und später ins Kanzleramt.
Gerhard Schröder stammt aus sehr einfachen Verhältnissen.
Sein Vater Fritz fällt als Wehrmachtssoldat im Oktober 1944 in Rumänien. Gerhard ist da gerade ein halbes Jahr alt. Das Foto zeigt die Grabstelle auf dem Friedhof im rumänischen Ceanu Mare.
Die Mutter Erika bringt die Familie, zu der noch drei Halbgeschwister Schröders gehörten, durch. Sie sind auf Sozialhilfe angewiesen.
Bei dieser Vorgeschichte wundert es nicht, dass der junge Gerhard 1963 bei den Sozialdemokraten landet.
Schröder liebt die Geselligkeit. Er hat die Gabe, Menschen für sich gewinnen zu können. Intellektuelle Debatten überlässt er anderen SPD-Spitzenkräften.
Bereits von 1980 bis 1986 ist Schröder (hier 1986 mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau) Mitglied des Deutschen Bundestages.
Er erlebt als Parlamentarier den Bruch der sozialliberalen Koalition. Im Oktober 1982 muss Helmut Schmidt das Bonner Kanzleramt verlassen. CDU-Chef Helmut Kohl wird sein Nachfolger. Die Sozialdemokraten befinden sich danach 16 Jahre lang in der Opposition.
1986 widmet sich Schröder der niedersächsischen Landespolitik. Nach der Niederlage seiner Partei bei der Landtagswahl wird er Oppositionsführer. In dieser Funktion attackiert er die Landesregierung von CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht (im Hintergrund).
1990 hat es Gerhard Schröder mit seiner SPD geschafft. Er wird Ministerpräsident und steht in Hannover einer rot-grünen Koalition vor.
Er schafft es, den Grünen das Umweltministerium vorzuenthalten. So bleibt für ihren starken Mann Jürgen Trittin nur das Ministerium für Bundesangelegenheiten.
Ab 1994 benötigt die SPD die Grünen nicht mehr zum Regieren. Schröder - hier mit seiner dritten Ehefrau Hiltrud und deren Töchtern - wird Niedersachsen aber zu klein. Er will Bundeskanzler werden. An der Pforte des Kanzleramtes hatte er zehn Jahre zuvor schon gerüttelt.
Doch noch verweigert sich seine Partei. Die SPD-Mitglieder wählen 1993 den rheinland-pfälzischen Regierungschef Rudolf Scharping (Mitte) zu ihrem Vorsitzenden. Die medienwirksam inszenierte Troika mit Schröder und dem Saarländer Oskar Lafontaine hält nicht lange.
Schröder (hier mit dem damaligen VW-Vorstandschef Ferdinand Piëch) ist vielen Genossen zu wirtschaftsfreundlich.
Doch der niedersächsische Ministerpräsident schert sich nicht darum. Volkswagen, und damit die Autoindustrie, ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in seinem Bundesland. VW und Niedersachsen sind traditionell eng miteinander verbunden.
1995 unterstützt Schröder Lafontaine beim Sturz Scharpings als SPD-Chef. Vier Jahre lang soll der Pakt dieser beiden so unterschiedlichen SPD-Schwergewichte halten.
Beide brauchen einander bei der Bundestagswahl 1998. Nach dem dritten Wahlsieg Schröders in Niedersachsen ist klar, dass er der SPD-Kanzlerkandidat sein wird.
Am 27. September 1998 ist es geschafft: Die SPD wird bei der Bundestagswahl mit 40,9 Prozent stärkste Kraft. Es reicht für eine rot-grüne Mehrheit. Schröder jubelt mit seiner vierten Ehefrau Doris.
Die christlich-liberale Regierung von Helmut Kohl ist abgewählt.
SPD-Chef Lafontaine wird Bundesfinanzminister.
Doch zum Feiern bleibt den beiden SPD-Granden und Außenminister Joschka Fischer von den Grünen nicht viel Zeit. Der Kosovo-Konflikt eskaliert und die neue Bundesregierung schickt erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten in einen Kampfeinsatz.
Zudem muss Schröder (hier mit dem späteren Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier) bereits im März 1999 eine schwere Regierungskrise meistern.
Es kommt zum Zerwürfnis mit Lafontaine in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Der Saarländer verlässt das Kabinett und wirft auch als SPD-Chef hin.
Lafontaine präsentiert sich zu Hause mit seinem Sohn als Privatmann. Er beklagt das "fehlende Mannschaftsspiel" in der Regierung Schröder.
So muss Schröder auch den SPD-Vorsitz übernehmen. Das wollte er eigentlich nicht.
Das Jahr 1999 ist für Rot-Grün ein schwieriges. Landtagswahlen gehen für die SPD verloren. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Die Regierung steht einem Reformstau aus der Kohl-Zeit gegenüber.
Der bedrängten Koalition kommt Ende 1999 die CDU-Spendenaffäre entgegen. Die Umfragewerte der SPD steigen wieder. Schröder bekommt es mit Angela Merkel als Hauptgegnerin zu tun.
Reformen müssen angepackt werden. Auch die außenpolitischen Anforderungen an die Regierung Schröder/Fischer werden größer.
Dem Kanzler selber kommt nun auch zugute, dass er als Bundesvorsitzender seine Partei führt.
Die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington verändern die internationale Lage in der Welt grundlegend.
Deutschlands politische Elite weiß, dass die angegriffene Supermacht USA auch von der Bundesrepublik einen Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus verlangen wird.
Der Kanzler erklärt noch am Tag der Anschläge die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands mit den Vereinigten Staaten.
Rot-Grün leitet einen weiteren deutschen Militäreinsatz ein - diesmal in Afghanistan.
Bis heute befinden sich deutsche Soldaten im Land am Hindukusch.
Doch hinsichtlich des militärischen Einsatzes gegen den Irak verweigert Schröder eine deutsche Beteiligung. Das macht er US-Präsident George W. Bush unmissverständlich klar.
Der Bundeskanzler spricht von einem militärischen Abenteuer. Dafür stehe seine Regierung nicht zur Verfügung.
Diese klare Haltung nutzt Schröder beim Bundestagswahlkampf 2002 gegen den Spitzenkandidaten der Union, CSU-Chef Edmund Stoiber.
Auch der Umgang mit der Hochwasserkatastrophe 2002 in Mitteldeutschland bringt Schröder Punkte.
Der Kanzler, hier zu Besuch in der sächsischen Stadt Grimma, zieht das Katastrophen-Management sehr schnell an sich. Das kommt bei den Deutschen sehr gut an.
Bei der Bundestagswahl 2002 kann sich das rot-grüne Bündnis behaupten. Allerdings schrumpft seine Mehrheit.
Sehr schnell wird ein Koalitionsvertrag aus dem Boden gestampft. Dessen Schwerpunkt liegt vor allem in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.
Deutschland leidet unter einer hohen Arbeitslosigkeit. Das wirtschaftsstärkste Land in der Europäischen Union gilt als "kranker Mann Europas".
Es muss unbedingt etwas geschehen. Schröder packt die Arbeitsmarktreformen an und holt sich den VW-Personalvorstand Peter Hartz mit ins Boot.
Die Arbeitslosenhilfe wird abgeschafft. Es gibt die Arbeitslosengelder I und II. Die Sozialreformen sind Bestandteil der Agenda 2010. Das ALG II läuft ab diesem Zeitpunkt als Hartz IV.
Bei weiten Teilen der SPD-Mitgliedschaft kommen die Reformen nicht gut an. Sie sehen den Markenkern der Partei beschädigt. Schröder will freie Hand haben. Er gibt 2004 den SPD-Vorsitz an Franz Müntefering ab.
Der Kanzler und der neue SPD-Chef müssen in den eigenen Reihen immer wieder Mehrheiten für den Regierungskurs organisieren. Das ist ein äußerst mühsames Geschäft. Schröder droht mit Rücktritt.
Nach der SPD-Niederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 treten Schröder und Müntefering die Flucht nach vorn an. Sie beschließen für den Herbst Neuwahlen.
Der Kanzler lässt im Bundestag eine Niederlage bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage organisieren. Danach ist der Weg frei für Neuwahlen. Die Grünen um Joschka Fischer hätten gerne bis zur nächsten turnusmäßigen Bundestagswahl 2006 weiterregiert.
Schröder stürzt sich in den Wahlkampf. Die SPD liegt in den Umfragen weit hinten.
Der Kanzler verbreitet dagegen Zuversicht und glaubt an den Sieg. Fast hätte er es noch geschafft.
Am Ende landet die SPD nur knapp hinter der Union. Für eine rot-grüne Mehrheit reicht es aber nicht mehr. Schröder lässt sich am Wahlabend dennoch feiern. Bei den Sozialdemokraten hatte man mit einem weitaus schlechteren Ergebnis gerechnet.
Spektakulär ist Schröders Auftritt bei der sogenannten Elefantenrunde am Wahlabend. Er ignoriert die Realität und spricht von einer neuen Bundesregierung unter seiner Führung. Seine damalige Frau Doris spricht von einem "suboptimalen Auftritt" ihres Mannes.
Schlussendlich muss der Niedersachse das Berliner Kanzleramt räumen. CDU-Chefin Angela Merkel zieht ein. Die Große Koalition aus Union und SPD wird gebildet. Für Schröder ist da kein Platz mehr.
Für einen Gang aufs Altenteil ist Schröder noch zu jung und vor allem noch zu agil. Nach dem Ende der Kanzlerschaft geht's ans Geldverdienen.
Mit dem Schweizer Ringier-Verlag schließt er einen Beratervertrag für "Fragen internationaler Politik" ab.
Für großen Ärger sorgt der Wechsel Schröders zur Nord Stream AG, die zu 51 Prozent der russischen Gazprom gehört.
Dabei kommt ihm sein freundschaftliches Verhältnis zum russischen Präsident Wladimir Putin zugute. Zu Hause in Deutschland erntet Schröder dafür zum Teil heftige Kritik.
Doch diese tangiert Schröder nicht. Er unterstützt Putin weiter - auch in der Zeit einer zunehmend aggressiveren Außenpolitik Russlands.
Dabei gibt er durchaus zu, auch Differenzen zu haben, die allerdings die Freundschaft nicht beeinträchtigten. Insgesamt wirbt Schröder in Deutschland um Verständnis für die russische Außenpolitik.
Ansonsten genießt der Altkanzler sein Leben ohne politische Verantwortung. Er ist auch unter die Autoren gegangen. Im Februar 2014 erscheint sein Buch "Klare Worte".
Aber auch über Schröder wird geschrieben. Bei der Vorstellung von Gregor Schöllgens Schröder-Biografie im September 2015 ist auch Angela Merkel zugegen.
Nun genießt Schröder sein Leben mit seiner neuen Frau. Soyeon Schröder-Kim legt dabei Wert auf ihre Eigenständigkeit. "Ich bin nicht das Anhängsel des Altkanzlers", macht sie in der "Rheinischen Post" klar.
Eigentlich könnte das Leben so schön sein, wenn nicht der sehr wahrscheinliche Abstieg von Hannover 96 aus der Fußball-Bundesliga wäre.
Sei es drum: Alles Gute zum Geburtstag, Herr Schröder. (Text: Wolfram Neidhard)