Panorama

"Echte Gesundheitskrise" Ärzte ohne Grenzen fürchtet weitere Pandemien

"Zwischen 2017 und 2021 wurden weniger als 20 größere Cholera-Ausbrüche pro Jahr gemeldet. In diesem Jahr sind es bereits mindestens 29", sagte die Leiterin von Ärzte ohne Grenzen.

"Zwischen 2017 und 2021 wurden weniger als 20 größere Cholera-Ausbrüche pro Jahr gemeldet. In diesem Jahr sind es bereits mindestens 29", sagte die Leiterin von Ärzte ohne Grenzen.

(Foto: REUTERS)

Der Klimawandel bedroht neben der Umwelt auch die Gesundheit der Menschen weltweit. Infolge von Überschwemmungen und Insektenplagen steige die Bedrohung durch Krankheiten rapide an, warnt die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Auch die EU-Umweltagentur malt bis ins Jahr 2100 ein düsteres Bild.

Die internationale medizinische Leiterin von Ärzte ohne Grenzen, Maria Guevara, hat dazu aufgerufen, den Klimawandel auch als "echte Gesundheitskrise" wahrzunehmen. Die Mehrheit der Menschen in den Entwicklungsländern des globalen Südens leide bereits jetzt unter den Folgen der Erderhitzung, sagte sie. Wenn darauf nicht unverzüglich reagiert werde, werde die Krise für alle noch schlimmer.

Die Weltgesundheit leidet laut Guevara erheblich unter Klima-Folgen wie Überschwemmungen oder Insektenplagen. Man sehe ein exponentielles Wachstum bei Fällen von Krankheiten, die durch Insekten, Wasser oder Lebensmittel übertragen oder verursacht werden. "Zwischen 2017 und 2021 wurden beispielsweise weniger als 20 größere Cholera-Ausbrüche pro Jahr gemeldet. In diesem Jahr sind es bereits mindestens 29", sagte sie.

Zoonosen als Infektionsursache

Und dazu komme obendrein die Corona-Pandemie, die die Prioritäten verschoben habe. So hätten viele sonstige Impfprogramme nur langsam oder gar nicht durchgeführt werden können. Guevara rechnet zudem mit weiteren Pandemien. Das liege daran, dass die Menschheit immer weiter in die Lebensräume der Tiere eindringe. Zugleich suchten sich viele Tierarten wegen der Erderhitzung neue Lebensräume. Krankheiten könnten so leichter auf den Menschen überspringen. "Rund 75 Prozent der in den vergangenen 30 Jahren aufgetretenen Infektionskrankheiten gehen auf Zoonosen zurück. Wenn der Klimawandel nicht angegangen wird und die Landverödung voranschreitet, werden wir sicherlich weitere Pandemien erleben", sagte sie.

Mit Blick auf die laufende Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten fordert die Organisation eine rasche Einigung auf Schadenersatzzahlungen der Industriestaaten für Klimaschäden in armen Ländern. Hier müsse endlich ein Mechanismus gefunden werden, sagte Guevara. "Das Problem mit der Konferenz ist, dass sich die Staatengemeinschaft bereits zum 27. Mal trifft, aber weiter bei einigen Fragen nicht vorankommt, etwa wenn es um echte Klimaschutzmaßnahmen und die Frage der Bewältigung des Problems der Verluste und Schäden geht."

UN-Klimakonferenz hat ein Problem

Viele Länder des globalen Südens fordern seit Jahren Zahlungen der entwickelten Staaten für ihre bereits erlittenen Klimaschäden - im UN-Jargon "loss and damage" ("Verluste und Schäden") genannt. Zu Beginn der Konferenz in Scharm el-Scheich hatte auch UN-Generalsekretär António Guterres die Forderungen unterstützt.

Auf der UN-Konferenz beraten seit Sonntag gut 200 Staaten darüber, wie der Kampf gegen die Erderhitzung verstärkt werden kann. Die COP 27 dauert zwei Wochen. Die Zeit drängt, denn die vergangenen acht Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die weltweiten Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase müssen laut Forschern schon bis 2030 um etwa die Hälfte sinken. Anders sei das auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 gemeinsam vereinbarte Ziel nicht zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Nach den gegenwärtig vorgelegten Klimaschutzplänen der Staaten würden sie aber sogar weiter steigen.

Jährlich 90.000 Klimatote bis 2100?

Ohne Maßnahmen gegen den Klimawandel könnten nach Einschätzung der Europäischen Umweltagentur (EEA) durch Hitzewellen am Ende des Jahrhunderts jährlich rund 90.000 Menschen in Europa sterben. Dieses Szenario für das Jahr 2100 ergebe sich bei einer Erwärmung der Erde um drei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, meldete die EEA. "Bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad reduziert sich die Zahl auf 30.000 Todesfälle jährlich."

Den Angaben der EEA zufolge starben zwischen 1980 und 2020 rund 129.000 Europäer durch starke Hitze. Die Zahl der Hitzetoten werde angesichts der durch den Klimawandel häufiger auftretenden Hitzewellen, aber auch durch eine alternde Bevölkerung und zunehmende Urbanisierung wahrscheinlich noch steigen. Besonders der Süden Europas sei betroffen.

Quelle: ntv.de, lno/dpa/AFP

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