Reihenweise Teil-Lockdowns Europa bremst wieder ab
01.11.2020, 19:03 Uhr
Es wird kalt in vielen Klassenräumen: Trotz aller neuerlichen Beschränkungen sollen die Schulen in Europa dieses Mal geöffnet bleiben.
(Foto: REUTERS)
Überall in Europa stecken die Länder mitten in der zweiten Corona-Welle. Die Infektionszahlen steigen deutlich. Die Gesundheitssysteme nähern sich der Belastungsgrenze. Der November soll nun mit flächendeckenden Lockdowns Entspannung bringen. Doch Schulen und Wirtschaft sollen weitergehen. Der Ausgang ist ungewiss.
Immer mehr Regierungen fahren im Kampf gegen die Corona-Pandemie ihre Länder wieder herunter und schränken angesichts rasant steigender Infektionszahlen das öffentliche Leben ein. Allein am Wochenende wurden unter anderem in Österreich, Polen, Griechenland und Großbritannien neue Einschränkungen angekündigt. Dabei geht es zumeist darum, die Überlastung der jeweiligen Gesundheitssysteme zu verhindern - und ein zumindest in Ansätzen normales Weihnachtsfest zu ermöglichen.
Auf das Grundproblem allerdings weist die österreichischen Regierung hin: Erste sichtbare Auswirkungen der Maßnahmen auf das Infektionsgeschehen wird es frühestens in 7 bis 14 Tagen geben. Und ein wirklicher Durchbruch ist untrennbar mit einem Impfstoff verbunden. "Ich bleibe optimistisch und bleibe dabei, dass wir spätestens nächsten Sommer zur gewohnten Normalität zurückkehren können", sagte Kanzler Sebastian Kurz am Wochenende.
Keine schnelle Normalisierung der Lage erwartet der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité. "Sicher ist: Ostern ist die Pandemie nicht beendet", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Aber spätestens im Sommer wird sich unser Leben deutlich zum Positiven verändern können - wenn wir jetzt die akut steigenden Ansteckungszahlen in den Griff bekommen."
Schule, Arbeit, Heim - kein Lokal, Kino, Theater
Neben Deutschland schränkten weitere europäische Länder das öffentliche Leben ein. Österreich verhängte eine nächtliche Ausgangssperre und schloss alle Restaurants. Zudem muss fast das gesamte Kultur- und Freizeitangebot schließen. Landesweit ist das Verlassen der Wohnung zwischen 20 und 6 Uhr nur zu bestimmten Zwecken - allerdings auch Erholung im Freien - erlaubt. "Ab Dienstag, dem 3. November 0 Uhr, bis Ende November wird es zu einem zweiten Lockdown in Österreich kommen", sagte Kanzler Kurz. Allerdings bleiben auch hier der Handel und auch die meisten Schulen offen - "vorerst", wie Kurz betonte. Kontaktsport in der Freizeit ist verboten. Besuche in Krankenhäusern und Pflegeheimen werden begrenzt. Außerdem enthält die Verordnung Kontaktbeschränkungen.
In Großbritannien müssen die Menschen in England ab Donnerstag für einen Monat zu Hause bleiben - außer für Wege zur Arbeit, zum Einkauf oder zu Schulen und Universitäten. Der britische Premier Boris Johnson zog wegen mehr als 20.000 täglichen Neuinfektionen die Reißleine. "Wir müssen jetzt handeln", sagte er. Nur Geschäfte mit lebenswichtigen Gütern bleiben offen, alle anderen wie auch Restaurants und Bars werden ab nächsten Donnerstag bis 2. Dezember geschlossen.
Frankreich ist bereits vor dem Wochenende in den zweiten landesweiten Corona-Lockdown gegangen. Nun müssen die Bürger überwiegend Zuhause bleiben. Allerdings bleiben die meisten Kindergärten, Schulen und viele Wirtschaftszweige offen. Bürgern bleibt täglich nur eine Stunde Zeit fürs Einkaufen, den Gang zum Arzt oder einen Spaziergang im Umkreis von einem Kilometer um die Wohnung. Restaurants, Bars und alle nicht unentbehrlichen Geschäfte müssen schließen, ebenso wie Kinos und andere Veranstaltungssäle. Private Treffen sollen auf die Kernfamilie beschränkt bleiben. Präsident Emmanuel Macron hatte bei der Ankündigung gesagt, die massiv gestiegenen Infektionszahlen machten ein "brutales Bremsmanöver" unausweichlich.
Auch Portugal - im Frühjahr noch wegen niedriger Corona-Zahlen gepriesen - hat einen Teil-Lockdown angekündigt. 70 Prozent der rund 10,3 Millionen Bürger des Landes hätten ab Mittwoch die "Bürgerpflicht", möglichst Zuhause zu bleiben, sagte Regierungschef António Costa. Die Schulen sollten jedoch geöffnet bleiben. Die Menschen dürfen jedoch ihre Häuser verlassen, um zur Arbeit, zum Arzt oder zu einem pflegebedürftigen Angehörigen zu gehen. Auch sollen kurze Spaziergänge sowie der Besuch von Restaurants weiter erlaubt sein. Allerdings dürfen dort fortan weniger Menschen bedient werden. Wochenmärkte unter freiem Himmel und andere Marktveranstaltungen sind verboten.
Spanien hat landesweit bereits den Ausnahmezustand bis Anfang Mai verhängt. Angesichts teils massiver Proteste verlangte Ministerpräsident Pedro Sanchez Disziplin: "Gewalttätiges und irrationales Verhalten von einigen wenigen ist nicht hinnehmbar. Das ist nicht der richtige Weg."
Griechenland, das bisher vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen ist, verzeichnet ebenfalls einen starken Anstieg der Infektionen. In nördlichen Landesteilen und auch im Gebiet um Athen müssen Bars und Restaurants schließen. Bereits bestehende Sperrstunden für Lokale wurde auf weitere Regionen ausgedehnt.
Tschechien verlängerte den Corona-bedingten Ausnahmezustand bis zum 20. November. Einen Sonderweg geht die Slowakei: Dort wurden am Samstag gut 2,5 Millionen Menschen und damit fast die Hälfte der Bevölkerung getestet. Ein Prozent oder fast 26.000 von ihnen waren positiv und müssen in Quarantäne. Damit wird das Land einen Lockdown vermeiden. Die übrigen Einwohner - ausgenommen Kinder unter zehn Jahren - sollen in der kommenden Woche getestet werden. Verwendet werden Antigen-Tests, die als weniger zuverlässig als PCR-Labortests gelten.
Dagegen meldete Australien nach scharfen Einschränkungen in den vergangenen Monaten einen Erfolg im Kampf gegen das Virus: Erstmals seit fast fünf Monaten habe es keine neuen Positiv-Tests gegeben. Gesundheitsminister Greg Hunt bedankte sich per Twitter beim australischen Volk und besonders den Beschäftigten des Gesundheitswesens.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/AFP