Neue Öko-Enzyklika "Laudato si" Papst geißelt die Tatenlosigkeit der Politik
18.06.2015, 15:34 Uhr
Verantwortung statt Ausbeutung: Die erste eigene Enzyklika von Papst Franziskus widmet sich den Themen Umweltschutz und Klimawandel. Mit deutlichen Worten provoziert der Pontifex Klima-Kritiker und mahnt Politiker aus aller Welt zu raschem Handeln.
Die Rettung der Erde vor dem ökologischen Kollaps erfordert nach den Worten von Papst Franziskus rasches Handeln. In seiner Enzyklika "Laudato si - Über die Sorge für das gemeinsame Haus" appelliert er an die führenden Politiker der Welt, "den Schrei der Natur und der Armen zu erhören". In dem ersten päpstlichen Dokument, das sich direkt mit dem Schutz der Umwelt befasst, fordert Franziskus sofortiges und entschlossenes Aktionen, hier und jetzt, um die Umweltzerstörung und die Klimaerwärmung aufzuhalten. Der Papst schloss sich in dem mehr als 200 Seiten starken Schreiben der Meinung von Wissenschaftlern an, dass die Klimaerwärmung größtenteils von Menschen gemacht sei.
Klimawandel und CO2-Emissionen
"(Es ist) dringend geboten, politische Programme zu entwickeln, um in den kommenden Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen stark verunreinigenden Gasen drastisch zu reduzieren, zum Beispiel indem man die Verbrennung von fossilem Kraftstoff ersetzt und Quellen erneuerbarer Energie entwickelt."
Forderungen an die Politik
"Auffallend ist die Schwäche der internationalen politischen Reaktion. Die Unterwerfung der Politik unter die Technologie und das Finanzwesen zeigt sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel über Umweltfragen."
Verantwortung der Industrienationen
"Denn es gibt eine wirkliche 'ökologische Schuld' - besonders zwischen dem Norden und dem Süden - im Zusammenhang mit Ungleichgewichten im Handel und deren Konsequenzen im ökologischen Bereich wie auch mit dem im Laufe der Geschichte von einigen Ländern praktizierten unproportionierten Verbrauch der natürlichen Ressourcen."
Konsum und Wegwerfkultur
"Wir wissen sehr wohl, dass es unmöglich ist, das gegenwärtige Konsumniveau der am meisten entwickelten Länder und der reichsten Gesellschaftsschichten aufrechtzuerhalten, wo die Gewohnheit, zu verbrauchen und wegzuwerfen, eine nie dagewesene Stufe erreicht hat."
"Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln."
Der Papst forderte eine Abkehr von der Lebensweise in den reichen Ländern, die von einer Wegwerfkultur geprägt sei. Außerdem wandte er sich dagegen, den Profit vor das Allgemeinwohl zu stellen. Er kritisierte eine Kurzsichtigkeit der Machtpolitik, die ein langfristiges Handeln zum Schutz der Umwelt verzögere. "Viele von denen, die mehr Ressourcen und ökonomische oder politische Macht besitzen, scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern oder ihre Symptome zu verbergen, und sie versuchen nur, einige negative Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren", erklärte der Papst.
Papst: Fortschritt wird Probleme nicht lösen
Franziskus stellt sich auch gegen die These, dass der technische Fortschritt die Umweltprobleme schon lösen werde und dass Hunger und Armut auf der Welt durch Wirtschaftswachstum beseitigt würden. "Wieder einmal ist es gut, eine magische Auffassung des Marktes zu vermeiden, die zu der Vorstellung neigt, dass sich die Probleme allein mit dem Anstieg der Gewinne der Betriebe oder der Einzelpersonen lösen." Der Erdboden der "Armen im Süden" sei fruchtbar und wenig umweltgeschädigt. "Doch in den Besitz dieser Güter und Ressourcen zu gelangen, um ihre Lebensbedürfnisse zu befriedigen, ist ihnen verwehrt durch ein strukturell perverses System von kommerziellen Beziehungen und Eigentumsverhältnissen", schreibt Franziskus.
Er stellt zugleich die Wirksamkeit des CO2-Emissionsrechte-Handels infrage: "Dieses System scheint eine schnelle und einfache Lösung zu sein, die den Anschein eines gewissen Umweltengagements besitzt, jedoch in keiner Weise eine radikale Veränderung mit sich bringt, die den Umständen gewachsen ist. Vielmehr kann es sich in einen Behelf verwandeln, der vom Eigentlichen ablenkt und erlaubt, den übermäßigen Konsum einiger Länder und Bereiche zu unterstützen."
Umweltverbände loben Franziskus
Die Reaktionen auf die Enzyklika sind zum großen Teil positiv. Der Papst sende mit der Enzyklika ein "starkes Signal für die Schöpfung", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken nannte das Lehrschreiben eine "schmerzhafte Analyse der Situation unserer Welt (...), die alle Menschen guten Willens wachrütteln muss". Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch befürwortete die "gelungene Provokation". Auch die Umweltschutzverbände Greenpeace und WWF lobten die "klaren Worte" aus Rom.
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat die Öko-Enzyklika gelobt. "Dem Text aus Rom wünsche ich von Herzen eine breite internationale Aufmerksamkeit", sagte Bedford-Strohm. Alle Christen verbinde die Sorge um die Umwelt und eine gerechtere Wirtschaftsordnung auch "jenseits der unterschiedlichen theologischen Traditionen", sagte der EKD-Vorsitzende weiter. "Christliche Kirchen weltweit eint der Kampf gegen die Zerstörung der Natur, die wir als Schöpfung Gottes sehen, die uns anvertraut ist, dass wir sie bebauen und bewahren."
Bei Klimaskeptikern dürften die Botschaften des Papstes hingegen auf entschiedene Ablehnung treffen. Er lasse sich in seine Wirtschaftspolitik nicht "von meinen Bischöfen oder vom Papst" reinreden, erklärte der republikanische Präsidentschaftsbewerber Jeb Bush noch vor offiziellen Veröffentlichung der Enzyklika.
Quelle: ntv.de, fma/rts/dpa/AFP