
Die trockenen Jahre 2018 bis 2020 haben auch die Wälder flächendeckend geschädigt. In ganz Deutschland müssen laut Bundeslandwirtschaftsministerium etwa 380 000 Hektar aufgeforstet werden.
(Foto: picture alliance/dpa)
Extrem trocken und sonnig wie nie zuvor war es im März. Der April brachte nur für einige Regionen genug Regen mit. Die Trockenheit sorgt dafür, dass die Grundwasserpegel sinken und die Wälder austrocknen. Erste Orte in Deutschland sorgen schon für den Ernstfall vor.
Dieses Frühjahr ist viel zu trocken. Im März hat es kaum geregnet. Der April war zwar wieder sehr nass, es gab aber sehr große Unterschiede bei den Regenmengen. Im Westen und Süden ist sehr viel Wasser heruntergekommen, im Osten dagegen gab es kaum Niederschlag, unter anderem in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen.

"Wir haben keinen Wassermangel", sagt Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt, "wir sehen aber Veränderungen in der Wasserverfügbarkeit".
Der Klimawandel schreitet voran und Deutschland trocknet immer mehr aus. Modellierungen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigen für weite Teile des Landes eine Bodendürre. Das bedeutet, dass der Boden trockener ist als zum selben Zeitpunkt der vergangenen Jahre, von 1951 bis 2015. Einige Regionen sind im Dürremonitor tiefrot, dort herrscht eine außergewöhnliche Dürre. Die Natur leidet noch immer an den sehr trockenen Jahren 2018 bis 2020, erklärt Jörg Rechenberg im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Er ist Leiter des Fachgebiets "Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden" beim Umweltbundesamt.
"Davon haben sich die Grundwasserstände bis heute nicht erholt. Also das heißt, die Wasserverfügbarkeit ist schon zurückgegangen. Auf der anderen Seite hatten wir jetzt einen relativ regenreichen Februar 2022. 2021 war auch ein durchschnittlich nasses Jahr. Da hat sich aber auch nicht viel auffüllen können. Um die Defizite der letzten drei Jahre aufzufüllen, bräuchten wir jetzt mindestens zwei, drei weitere sehr nasse Winter. Und die hatten wir in dem Maße jetzt noch nicht."
Obere Bodenzonen noch feucht genug
Wie viel Wasser im Boden ist, ist lebenswichtig für die Pflanzen. Aus den oberen Erdschichten, den oberen 25 Zentimetern, bedienen sich zum Beispiel Pflanzen in der Landwirtschaft: Mais, Getreide oder Raps. Die Saatkörner brauchen Feuchtigkeit, damit sie keimen und wachsen können. "Trockenmonate im Sommer sind schlecht für die Landwirtschaft, weil da das Pflanzenwachstum besonders hoch ist. Die werden, wie es momentan aussieht, hoffentlich in diesem Jahr nicht so große Schwierigkeiten haben, weil die Bodenfeuchtigkeit in den oberen Zonen durchaus noch gegeben ist", erläutert Rechenberg.
Aus den tieferen Erdschichten holen sich die Bäume ihr Wasser. "Wenn man den Zustand der Wälder anschaut, die unter der Trockenheit sehr gelitten haben, da muss man sehen, ob das jetzt reicht, was an Regen nachgekommen ist in 2021 und jetzt im Winter 2021/22".
Wasser ist nicht unbegrenzt verfügbar in Deutschland. Es wird immer weniger. Nicht nur der Boden ist weniger feucht, auch die Pegel der Flüsse sinken - und auch der Grundwasserspiegel. Mitschuld daran ist der Klimawandel, es wird immer wärmer und regnet weniger. Die Landwirtschaft zum Beispiel braucht dann mehr Wasser für die Felder, wenn sie diese zusätzlich bewässern muss. Und ein weiteres Problem: Es gibt häufiger Starkregen, das viele Wasser fließt zu schnell ab und versickert nicht im Boden. Die Grundwasservorräte werden so auch nicht aufgefüllt.
Nordosten ist trockener als der Südwesten
Die Grundwasservorkommen sind sehr unterschiedlich verteilt in Deutschland. Einige Regionen sind einfach trockener als andere, sagt Jörg Rechenberg. "Das hat zu tun mit den Bodenverhältnissen vor Ort, den Schichtungen. Das hat aber auch mit dem Niederschlagsverhalten zu tun. Das war auch schon vor den klimabedingten Veränderungen so, dass es im Südwesten an den Alpen deutlich mehr geregnet hat, bis zu doppelt so viel wie im Nordosten von Deutschland. Im Nordosten müssen wir dann auch entsprechend gucken, wie wir die Vorkommen gut bewirtschaften und das Wasser noch stärker in der Fläche halten."
Das zweite Problem beim Grundwasser: Es ist teilweise auch nicht sauber. Unter anderem ist es mit Nitrat belastet, einem Bestandteil von Düngemitteln. Wenn Babys zu viele von diesen Salzen zu sich nehmen, kann das gefährlich für sie werden. An jeder sechsten Messstelle in Deutschland werden laut Unesco die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasser überschritten. Mehr als ein Drittel der deutschen Grundwasserkörper sind in einem schlechten Zustand, sagt Jörg Rechenberg. "Das ist auf zwei Faktoren zurückzuführen. Das ist zum einen Nitrat und zum anderen Pflanzenschutzmittel. Das Nitrat-Problem stammt im Wesentlichen aus der Landwirtschaft durch zu hohe Düngung. Und das Pflanzenschutzmittel-Problem auch aus der Landwirtschaft, aber auch aus privaten Kleingärten."
Grundwasser ist die Hauptquelle für unser Trinkwasser. Etwa 70 Prozent des deutschen Trinkwassers stammt aus Grund- und Quellwasser. Wenn die Grundwasserstände deutlich absinken, kann es zu einem Versorgungsengpass kommen. In den Hitzesommern 2018 und 2019 kam in einzelnen Orten auch mal kein Tropfen aus dem Wasserhahn. Momentan ist das aber noch nicht der Fall.
In Zukunft weniger Wasser verfügbar
Das Trinkwasser steht immer an erster Stelle, betont Jörg Rechenberg im Podcast. "Wir sehen aber Veränderungen in der Wasserverfügbarkeit. Wir haben ein 30-jähriges Mittel, mit dem wir bisher immer operiert haben. Das ist eine Wasserverfügbarkeit von 188 Milliarden Kubikmetern, die uns durch Niederschläge, Zuflüsse und so weiter zur Verfügung stehen. Da haben wir aber in den letzten 10, 15 Jahren festgestellt, dass die jährliche Verfügbarkeit immer deutlich darunter lag, zum Teil bei nur 120 Milliarden. Wenn man das dann auf die nächsten Jahre hochrechnet, müssen wir uns in Zukunft von der Verfügbarkeit mit weniger begnügen."
"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.
Alle Folgen finden Sie in der ntv App, bei RTL+, Apple Podcasts und Spotify. "Wieder was gelernt" ist auch bei Amazon Music und Google Podcasts verfügbar. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.
Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de
Die Konkurrenz um das Wasser wächst. Wie knapp Wasser ist, zeigt sich vor allem in Brandenburg, einer der trockensten Regionen Deutschlands. Dort hat Tesla im März seine E-Autofabrik eröffnet. Die Gigafactory braucht viel Wasser. In diesem Jahr reicht das Grundwasser noch. Doch der regionale Wasserverband Strausberg-Erkner warnt, dass die Wasserreserven im Einzugsgebiet schon jetzt ausgeschöpft sind. Nicht weit entfernt von Tesla, im brandenburgischen Neuenhagen, wollte Google eigentlich ein Rechenzentrum bauen. Dafür war nicht genug Wasser da.
Industrie, Energiewirtschaft und Bergbau verbrauchen zwar das meiste Wasser in Deutschland. Der Trend ist aber rückläufig. "Die Hälfte der Entnahmen wird zur Kühlung von Kraftwerken genutzt. Da kann man durchaus Hoffnung haben, dass das auch weiterhin weniger wird, weil wir aus Kohle und Kernkraft aussteigen wollen. Wo man einen gegenteiligen Trend annehmen muss, ist bei der Entnahme zur landwirtschaftlichen Bewässerung." Die Landwirtschaft brauche bisher nur 1,3 Prozent des Wassers. Sie müsse in Zukunft aber mehr bewässern, "wenn sich dieser Trend zu den längeren, heißeren Sommern fortsetzt", erläutert der Wasserexperte im Podcast.
Eine Trendwende sei auch bei der öffentlichen Wasserversorgung zu beobachten. "Auch da waren die Zahlen in den letzten Jahren immer abnehmend, sind jetzt aber seit 2017 wieder steigend. Wir waren schon bei 123 Litern pro Person und Tag Wasserverbrauch und sind jetzt wieder bei 129."
Wasser in Städten halten
Deutschland wird trockener, der Klimawandel ist längst sichtbar. Erste Städte sorgen jetzt schon für den Ernstfall vor. Weil in Bayern das Grundwasser knapp wird, hat die bayerische Gemeinde Hurlach ihre Brunnen abgestellt und die Menschen zum Wassersparen aufgerufen. Und Berlin denkt darüber nach, die Trinkwasserentnahme zu begrenzen, um die Grundwasserreserven zu schützen.
Die Hauptstadt will zu einer Schwammstadt werden, das heißt, sie will Regenwasser nicht einfach in die Kanalisation schicken, die dann überläuft, sondern das Wasser auffangen. Gerade die Städte müssten sich gegen den Klimawandel wappnen, weiß Rechenberg. "Sonst werden sie zwei Probleme haben. Wenn zu viel Wasser auf einmal kommt, saufen sie ab. Und wenn eine längere Trockenperiode, eine Hitzeperiode kommt, heizen sie sich unheimlich auf."
Deshalb sei es nun wichtig, so der Experte, "dass das Wasser besser in den Flächen zurückgehalten wird, dass es also in der Landschaft verbleibt, dass wir Flächen entsiegeln und eine weitere Versiegelung möglichst verhindern. Die andere Komponente ist, dass wir auch strengere Maßnahmen ergreifen, um die Gewässer vor Verschmutzung zu bewahren." Auch wir als Verbraucher können etwas tun, damit das Wasser sauber bleibt. Zum Beispiel Lebensmittel aus ökologischem Anbau kaufen, der keine schädlichen Pestizide und Kunstdünger benutzt und damit das Wasser belastet. Und Wasser sparen sollte jeder mit Blick auf den Klimawandel sowieso.
Alle Folgen von "Wieder was gelernt" können Sie in der ntv-App hören und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Google Podcasts und Spotify. Mit dem RSS-Feed auch in anderen Apps. Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de
(Dieser Artikel wurde am Freitag, 06. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de