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Landtagswahlen bei Miosga De Maizière: Wagenknecht hat "unbeschreibliches Ego"

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Bei Miosga diskutierten Anne Hähnig, Thomas de Maizière und Robin Alexander die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen.

Bei Miosga diskutierten Anne Hähnig, Thomas de Maizière und Robin Alexander die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen.

(Foto: ARD/ Thomas Ernst)

Die Wahlen in Sachsen und Thüringen sind eine Zäsur: Während mit der AfD erstmals eine rechtsextreme Partei stärkste Kraft in einem Bundesland wird, feiert das BSW als Newcomer zweistellige Erfolge. Wo liegen nun die größten Herausforderungen bei den Regierungsbildungen? Und wie können sie gelingen?

Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sind gelaufen. Sie enden mit einem Wahldesaster für die Ampelparteien. Auch die Linken verlieren dramatisch. Stärkste Partei in Thüringen ist die AfD, die klar vor der CDU liegt. In Sachsen liegt die CDU knapp vor der AfD.

Was hat zu dem starken Abschneiden der AfD geführt? Wie wird die Ampelregierung im Bund weitermachen, die von mehr als 85 Prozent der Sachsen und Thüringer offensichtlich abgelehnt wird? Und vor allem: Wie könnten die künftigen Regierungen in Sachsen und Thüringen aussehen, wo die Koalitionsbildungen in beiden Ländern doch äußerst schwierig werden dürften? Diese Fragen diskutierten zwei Journalisten und ein ehemaliger Politiker in der ARD-Talkshow Caren Miosga.

Thomas de Maizière war mal Politiker in Sachsen. Das ist fast zwanzig Jahre her. Dann wurde er Bundesinnen- und Verteidigungsminister unter Angela Merkel. Doch irgendwie hat sich der gebürtige Bonner in Sachsen verliebt. Heute lebt der Polit-Rentner in Dresden. "Das Wahlergebnis macht mich sehr betroffen", sagt er bei Miosga. "Aber das muss man jetzt erstmal akzeptieren." Es sei kein Betriebsunfall, sagt der ehemalige Minister. "Die Linke wird, glaube ich, verschwinden, die AfD wird bleiben, BSW ist noch offen." Erleichtert sei er über das Ergebnis der CDU, besonders in Sachsen. Nachdenklich mache ihn aber die Regierungsbildung, die jetzt allein in den Händen der CDU liege, besonders in Sachsen.

"Ein bedeutender Tag"

Einen Grund für das gute Abschneiden der AfD sieht de Maizière in der allgemeinen europäischen Lage: "Wir haben es zu tun mit einer wachsenden oder sehr starken populistischen Strömung, die zum Teil rechtsextrem geführt wird, wie die AfD." Die Wähler wehrten sich nicht gegen die Demokratie, sondern dagegen, dass sie nicht funktioniere. "Das ist etwas, das müssen wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa anpacken", sagt de Maizière.

Die im sächsischen Freiberg geborene "Zeit"-Journalistin Anne Hähnig sagte, diese Wahlen seien mit anderen Landtagswahlen in Ostdeutschland nicht vergleichbar. Denn zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei in einem Bundesland eine rechtsextreme Partei Wahlsieger geworden. "Ausgerechnet in Thüringen, wo die AfD von Björn Höcke geführt wird, gelingt der Partei dieser historische Erfolg." In Sachsen sei es Ministerpräsident Kretschmer nicht gelungen, Wähler von der AfD zur CDU zu holen.

"Es ist schon ein bedeutender Tag, über den wir, glaube ich, nicht nur heute und morgen reden werden, sondern noch einige Monate lang." Offensichtlich gebe es einen Prozentsatz von AfD-Wählern, die sich an der Radikalität eines Björn Höcke nicht stören, sondern sie sogar gutheißen würden, so Hähnig weiter. Auch sie glaubt, ein Grund für den AfD-Wahlsieg seien die sich verändernden globalen Machtstrukturen. In Umfragen könne man feststellen, dass für das Verhalten vieler Wähler landespolitische Themen eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. Die Hauptthemen für die Wahlentscheidung seien Migration und der Krieg in der Ukraine gewesen.

Strebt die AfD wirklich in eine Regierung?

Robin Alexander von der "Welt" warnt vor einer Regierungsbeteiligung der AfD. "Das würde ja bedeuten, dass die real werden handeln können", sagt er. Er gehe zudem davon aus, dass Höcke gar nicht regieren wolle: "Er hat ja nicht gesagt, er lade zu Koalitionsverhandlungen ein." Noch vor zwei Wochen habe er in Apolda die CDU als "transatlantische Vasallen" bezeichnet. "Höcke sucht ja diese Position des starken Opfers, das gemieden wird. Er will sich sozusagen daran weiden, dass der Rest ohne ihn schwierig zu regieren ist."

Auch de Maizière lehnt eine Koalition mit der AfD ab. "Gemeinsam regieren ist das eine, und das geht nicht mit einer rechtsextrem geführten Partei. Wenn es irgend geht, das zu vermeiden, muss es unterbleiben." Allerdings ist auch dem ehemaligen Innenminister klar: Gerade in Thüringen wird auch eine mögliche CDU-Regierung an der AfD nicht vorbeikommen, bei Geschäfts- und Tagesordnung oder bei der Wahl des Landtagspräsidenten zum Beispiel. "Da fände ich, um der AfD nicht eine neue Opferrolle zu ermöglichen, muss man die Regeln, die man bisher angewendet hat, auch jetzt anwenden." Höcke würde er allerdings nicht wählen, falls der als Parlamentspräsident anträte. "Aber vielleicht gibt es andere."

Nicht zu bestreiten ist: Das Ergebnis der Ampelparteien in Sachsen und Thüringen ist desaströs. Die Gäste bei Miosga beschäftigen sich vor allem mit der SPD. Sie habe gehört, dass man dort schon glücklich sei, nicht aus dem sächsischen Landtag geflogen zu sein, sagt Hähnig. "Das wäre für die SPD im Bund wirklich schwierig geworden." Nun setze man bei der Bundespartei auf Dietmar Woidke. Der will in drei Wochen als Ministerpräsident in Brandenburg wiedergewählt werden. "Wenn er es schafft, dort stärkste Kraft zu werden und die Landtagswahlen zu gewinnen, wird die SPD im Verhältnis dessen, was hätte passieren können, sogar einigermaßen zufrieden sein", so Hähnig.

BSW als das Zünglein an der Waage

In Sachsen und Thüringen sei die SPD immer schwach gewesen, erklärt de Maizière das Ergebnis der Kanzlerpartei. "Aber dass wir eine Regierung haben, die von 70, 80 Prozent der Bevölkerung für unfähig gehalten wird, stimmt mich als Christdemokraten nicht froh", fügt er hinzu. Das sei dramatisch. "Das ist sogar demokratiegefährdend, weil alle einen mitkriegen." Die Koalition sei eigentlich am Ende, aber sie werde sich weiter durchschleppen, prophezeit de Maizière. Das sei in einer Zeit schwierig, wo es darum gehe, welche Rolle das Land in den sich verändernden weltweiten Machtstrukturen spiele. Auch für die Lösung der Probleme in Deutschland brauche man eine starke Regierung, die jedoch nicht vorhanden sei.

Bei der Koalitionsbildung in Sachsen und Thüringen ist das BSW das Zünglein an der Waage. Die Partei sei nur auf eine Person ausgerichtet, auf Sahra Wagenknecht, sagt de Maizière. Und genau hier sieht er das Problem: "Es kann dann gelingen, wenn Frau Wagenknecht sich raushält. Und es ist dann gefährlich, wenn Frau Wagenknecht sich einmischt. Das ist eine Frau, die überall, wo sie war, in jedem Team, jeder Gruppe, jede Linie zerstört, weil sie ein unbeschreibliches Ego hat."

Hähnig bezweifelt das Interesse Wagenknechts, in den Ländern mitzuregieren. "Denn regieren heißt, einem Realitätscheck unterzogen zu werden." Schon in der Linken habe sich Wagenknecht gegen eine Regierungsbeteiligung positioniert. Zudem müsse sie Deutungshoheit abgeben, wenn Landesverbände in Sachsen und Thüringen mitregierten. Daran könne Wagenknecht kein Interesse haben. "Aber Katja Wolf in Thüringen ist in das BSW eingetreten, weil sie regieren will. Und sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie das gerne möchte."

"In den sauren Apfel beißen"

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Es sei richtig, dass die CDU nicht mit der Linkspartei und der AfD regieren werde, sagt de Maizière. Das sei Parteitagsbeschluss. Beim BSW gebe es einen solchen Beschluss aber nicht. Darum sei es Sache der Landesverbände, das zu klären. Die Koalitionsverhandlungen würden sehr schwierig werden, glaubt de Maizière. Ein Problem sieht er, wenn Wagenknecht in einem der Länder mitregieren wolle. "Mit einer Kommunistin in einer Landesregierung zu regieren, würde mir sehr schwerfallen."

Robin Alexander fasst das Dilemma für die Christdemokraten so zusammen: "Die CDU steht vor einer schwierigen Entscheidung. Denn wenn sie sich in Thüringen entscheidet, sich für die Linkspartei zu öffnen, wird das von der AfD maximal verheizt werden. Deswegen haben sie es bisher auch nicht getan. Aber manchmal muss man eben in den sauren Apfel beißen."

Quelle: ntv.de

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