Weitere Sanktionen in Arbeit EU erkennt in Moskaus Attacken deutliches Signal von Putin
07.09.2025, 18:31 Uhr Artikel anhören
"Es ist aus meiner Sicht kein Zufall, dass Putin erstmals in drei Jahren auch ein Regierungsgebäude angegriffen hat", sagt Klitschko.
(Foto: AP)
Nach den schwersten russischen Schlägen seit Kriegsbeginn blickt Präsident Selenskyj auf die USA und Europa. Er fordert, den Sanktionsdruck auf seinen russischen Amtskollegen zu erhöhen. EU-Vertreter kritisieren Putins Attacken scharf - und verweisen auf das geplante 19. Sanktionspaket.
Die Spitzenvertreter der EU haben die jüngsten russischen Raketen- und Drohnenangriffe auf die Ukraine verurteilt und als Beleg für die fehlende Verhandlungsbereitschaft von Kremlchef Wladimir Putin gewertet. "Der Kreml verhöhnt erneut die Diplomatie, tritt das Völkerrecht mit Füßen und tötet wahllos", schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer Stellungnahme. EU-Ratspräsident António Costa kommentierte, Putins Version von Frieden sei es offensichtlich, von Frieden zu sprechen, aber gleichzeitig Bombardierungen zu intensivieren und Regierungsgebäude und Wohnhäuser ins Visier zu nehmen.
Beide EU-Vertreter wiesen dabei auch auf die über das Wochenende fortgesetzten Planungen für ein 19. Paket mit Sanktionen hin. Sie sollen in den kommenden Tagen in einem Vorschlag für Rechtsakte münden, die dann noch von den Regierungen der Mitgliedstaaten angenommen werden müssten.
Mögliche Optionen für neue Strafmaßnahmen waren zuletzt weitere Zollerhöhungen und Importverbote für russische Produkte sowie weitere Sanktionen gegen Akteure aus Drittstaaten, die von Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine profitieren. Zudem ist ein noch entschlosseneres Vorgehen gegen die sogenannte russische Schattenflotte zur Umgehung von Energiesanktionen sowie Russlands Finanzsektor geplant. Dabei soll auch verhindert werden, dass Transaktionen verstärkt über Kryptowährungen abgewickelt werden.
Selenskyj: "Es braucht nur den politischen Willen"
Im Idealfall sollen die neuen EU-Sanktionen durch neue Strafmaßnahmen der USA flankiert werden. Ob es dazu kommt, ist allerdings noch unklar. Grund ist unter anderem, dass die Regierung von US-Präsident Donald Trump von den Europäern einen vollständigen Stopp aller russischen Energielieferungen fordert, was Länder wie Ungarn bislang aber nicht akzeptieren wollen. In der EU umstritten ist zudem auch die US-Forderung, China wegen dessen Unterstützung für Russland noch deutlich stärker ins Visier zu nehmen.
Neben von der Leyen und Costa bekundeten auch EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas und der französische Präsident Emmanuel Macron ihr Beileid. Dafür dankte ihnen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf sozialen Netzwerken. Selenskyj drängte in seinen Beiträgen erneut auf Konsequenzen für Russland: "Die Welt kann die Kreml-Verbrecher zwingen, das Töten zu beenden - es braucht nur den politischen Willen", schrieb er in sozialen Medien.
Er forderte, dass alles umgesetzt werde, was in Paris vereinbart wurde. Dort hatten Unterstützerstaaten der Ukraine der sogenannten Koalition der Willigen über mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine beraten. Und Selenskyj richtete den Blick auch in Richtung USA. In Washington sei mehr als einmal gesagt worden, dass auf die Weigerung zu verhandeln Sanktionen folgen würden.
Drei Monate altes Baby in Kiew getötet
Getötet wurden nach Selenskyjs Angaben Menschen in Kiew, der Grenzregion Sumy und in Tschernihiw. Über 44 Personen wurden demnach verletzt. Mehr als 20 Häuser und ein Kindergarten seien bei russischen Angriffen auf Saporischschja beschädigt worden. In seiner Geburtsstadt Krywyj Rih seien Lagerhäuser zerstört und in Odessa ein Hochhaus getroffen worden.
Besonders trafen Moskaus Attacken die Hauptstadt Kiew. Bei einem Angriff auf ein Wohnhaus seien eine Mutter und ihr drei Monate alter Sohn getötet worden, schrieb der militärische Verwaltungschef der Hauptstadt, Tymur Tkatschenko, bei Telegram. Der Vater sei schwer verletzt worden. An mehr als zehn Orten in Kiew gebe es Schäden. Allein im Stadtteil Swjatoschyn müssten 64 Wohnungen renoviert werden. Einsatzkräfte arbeiten weiterhin an der Beseitigung der Folgen der Angriffe.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko warnte nach den Schlägen gegen Kiew vor einer Eskalation des Krieges durch Russland. Der Angriff berge eine klare politische Botschaft aus Moskau, sagte Klitschko der "Bild"-Zeitung: "Es ist aus meiner Sicht kein Zufall, dass Putin erstmals in drei Jahren auch ein Regierungsgebäude angegriffen hat." Die ganze Welt müsse erkennen: Putin wolle den Krieg immer weiter eskalieren und sei zu keiner diplomatischen Lösung bereit. Das beweise auch der Angriff auf das Regierungsgebäude, was bislang als rote Linie galt.
Ähnliche Schlüsse zieht der britische Premierminister Keir Starmer aus den russischen Attacken. "Ich bin entsetzt über den jüngsten brutalen Angriff auf Kiew und die gesamte Ukraine, der über Nacht stattfand und bei dem Zivilisten getötet und die Infrastruktur beschädigt wurden", erklärte Starmer. "Zum ersten Mal wurde das Herz der ukrainischen Zivilregierung beschädigt. Diese feigen Angriffe zeigen, dass Putin glaubt, er könne ungestraft handeln. Mit dem Frieden meint er es nicht ernst."
Quelle: ntv.de, lve/dpa/rts