SPD-Fraktionsspitze entlastet? "Edathys Geschichte ist schlüssig"
19.12.2014, 15:59 Uhr
Sebastian Edathys Geschichte ist in sich stimmig, findet die Opposition. Für die SPD ist das ein Problem.
(Foto: dpa)
Sebastian Edathy erhebt einen schweren Vorwurf: Sein damaliger Bundestags-Kollege Michael Hartmann soll ihn vor Ermittlungen des BKA gewarnt haben. Hartmann bestreitet das heftig – doch die Opposition glaubt ihm nicht. Im Interview mit n-tv.de erklärt der Linken-Abgeordnete Frank Tempel, warum das so ist.
n-tv.de: Ihr Ausschuss hat gestern 12 Stunden lang Sebastian Edathy und Michael Hartmann befragt. Einer von beiden lügt auf jeden Fall. Nach Ihrem Eindruck: Wer ist es?
Frank Tempel: Es steht halt Aussage gegen Aussage. Aber man kann die Glaubwürdigkeit gewichten. Und die lag gestern eindeutig eher bei Sebastian Edathy. Michael Hartmann hat einfach zu viele Widersprüche in seinen Aussagen. Schon alleine deshalb, weil er die Geschichte, die er uns nun erzählt hat, schon vor Monaten im Innenausschuss hätte erzählen können. Hätte er sich dort geäußert, wäre der ganze Untersuchungsausschuss eventuell gar nicht notwendig gewesen.
Herr Hartmann war Mitglied des Innenausschusses. Und dort hatten Sie schon vor Monaten Sitzungen, in denen die Sache Edathy aufgearbeitet werden sollte.
Richtig. Mehrfach haben wir versucht, herauszufinden, ob Sebastian Edathy vorgewarnt wurde. Hartmann sagt nun, dass er die Stimmungslage Edathys kannte, seine Ängste, seinen Wissensstand. Er hatte mehrere Gespräche mit ihm und meldet sich dazu im Ausschuss nicht ein einziges Mal. Er hat eine aktive Mitwirkungspflicht in diesem Ausschuss. Und erst jetzt, wo er selber in die Bredouille gerät, erzählt er das alles.
Hartmann sagt, er wurde nicht als Zeuge geladen, wurde nicht gefragt.
Das ist ja Quatsch. Er ist selber Mitglied des Innenausschusses. Dort wurden Vermutungen geäußert zum BKA, zum SPD-Fraktionschef Oppermann, zur Justiz in Niedersachsen. Hartmann hört in aller Seelenruhe zu, weiß das eigentlich alles besser – und schweigt. In meinen Augen ist das ein ganz schweres Versäumnis. Wenn Hartmann Edathy warnte, wäre das strafrechtlich Strafvereitelung. Menschlich gesehen könnte ich das eher verstehen, als dass er im Innenausschuss sein Wissen zurückhält und BKA, Justiz und SPD-Fraktionsspitze mit dem Verdacht der Informationsweitergabe ins Messer laufen lässt.
Warum hätte Hartmann Edathy warnen sollen? Er hätte sich damit strafbar gemacht.
Edathy schildert mehrere mögliche Motive. Erstens: Hartmann wollte einfach aus Menschlichkeit helfen. Zweitens: Er wollte Schaden von der SPD abwenden, die mit der Causa Jörg Tauss schon einmal einen ähnlichen, schädlichen Fall hatte. Drittens: Der BKA-Chef Jörg Ziercke wollte von Hartmann, dass diese Informationen weitergegeben werden.
Das hieße, es wäre auch möglich, dass Hartmann nicht aus eigenem Antrieb handelte, sondern von anderen in die Spur geschickt wurde? Von Ziercke, von Oppermann, von SPD-Chef Sigmar Gabriel gar?
Edathy hat Oppermann gestern geschützt. Oppermann habe Hartmann sogar davon abhalten wollen, Informationen an Edathy weiterzugeben, sagt Edathy. Strafrechtlich wird Oppermann also von Edathy entlastet – das passt übrigens nicht zu der Erzählung, Edathy wolle Rache nehmen.
Dies Sache klingt wirklich sehr merkwürdig: Wenn Edathy schon lügt, dann könnte er auch Oppermann belasten, den er hasst. Stattdessen belastet er Hartmann, der in der Fraktion sein letzter Freund war.
Es macht keinen Sinn. Der Vorwurf, Edathy macht das alles nur aus Rache, passt nicht.
Wie haben die beiden Zeugen auf Sie gewirkt in der Art, wie sie aufgetreten sind?
Bei Sebastian Edathy ist das Verhalten eines bockigen Jungen zu beobachten, der sich zu Unrecht verfolgt sieht. Ob er durch die Bestellung von Filmen und Bildern etwas Strafbares gemacht hat, muss ich nicht beurteilen. Aber er legt nicht das Verhalten eines Mannes an den Tag, der einsieht, dass er etwas Falsches getan hat. Seine Version der Vorgänge ist sehr logisch und schlüssig. Wie ich das moralisch werten soll, ist eine andere Geschichte.
Und Herr Hartmann?
Der wirkt wie jemand, der mit dem Rücken an der Wand steht. Der Vorwurf gegen ihn ist sehr konkret. Edathy hat einige SMS vorgelegt, die widerlegen, was Hartmann aussagt. Hartmann soll sich um den alkoholkranken Edathy kümmern, schreibt diesem aber sinngemäß : "Ich komme gerne vorbei, wenn es genug zu trinken gibt." Wie bitte? In Hartmanns Aussage sind so viele Dinge, die nicht passen. Das muss Hartmann klar sein, der ist ja ein kluger Mann. Außerdem hat er oft von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Daraus und aus seiner ganzen Körpersprache spricht eine deutliche Unsicherheit.
Die Sache ist für die SPD insgesamt sehr unschön. Es scheint so, als würden beide Seiten nicht ganz die Wahrheit sagen.
Das war gestern ziemlich deutlich. Auch bei Edathy sind mindestens zwei Lücken deutlich geworden. Erstens betont er immer wieder, dass sein Verhalten nicht strafrechtlich relevant war. Das ist zumindest geschönt dargestellt. Und zweitens behauptet er, dass Kollegen ihre Reden zum Fall Edathy der Fraktions- und Parteiführung vorab vorlegen mussten. Dieser Punkt wirkte unplausibel.
Wenn man es so darstellen kann, dass Edathy lügt, dann ist diese Sache aus Sicht der SPD nur ein Schmierentheater. Aber was bedeutet es für die Partei, wenn Herr Hartmann lügt?
Es bedeutet ein riesiges Problem für Michael Hartmann. Selbst wenn er die Wahrheit sagt, hat er durch sein bisheriges Schweigen einen Untersuchungsausschuss verschuldet. Aber ich würde das nicht auf die ganze SPD ausweiten.
Oppermann sehen Sie nicht gefährdet?
So, wie es sich darstellt, ist er nicht der Auftraggeber. Damit ist die SPD-Fraktionsspitze mit der Aussage Edathys rechtlich erst einmal aus der Bredouille.
Mit Frank Tempel sprach Christoph Herwartz
Quelle: ntv.de