Politik

"Wollen keine Geheimpolizei" FDP, Grüne und Linke klagen gegen CSU

Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer erfährt mit seiner Partei massiven Widerstand aus der Bundestagsopposition gegen das Polizeiaufgabengesetz in Bayern.

Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer erfährt mit seiner Partei massiven Widerstand aus der Bundestagsopposition gegen das Polizeiaufgabengesetz in Bayern.

(Foto: picture alliance/dpa)

Das Polizeiaufgabengesetz in Bayern gilt als das schärfste der ganzen Republik. Kritiker bemängeln, die Polizei erhalte Befugnisse, die sonst nur Geheimdienste hätten. Drei Bundestagsparteien gehen nun gemeinsam dagegen vor.

Es ist eine ungewöhnliche Konstellation, die sich im Saal der Bundespressekonferenz aufbaut: Die Fraktionschefs von Linken, Grünen und FDP - also Dietmar Bartsch, Katrin Göring-Eckardt und Christian Lindner - haben einen gemeinsamen Plan. Das ist bemerkenswert, weil die Parteien inhaltlich teilweise weit auseinanderliegen. In einem Punkt jedoch sehen die drei, Göring-Eckardt beschreibt das Bündnis als "Allianz für den Rechtsstaat", dringenden Handlungsbedarf: Dem Polizeiaufgabengesetz der CSU in Bayern. "Es stellt sich die Frage: Leben wir in einem Rechtsstaat oder einem Willkürstaat?", sagt Bartsch. Die drei wollen beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen das Gesetz einreichen.

Die Novelle des Gesetzes, die Ende Mai in Kraft trat, hatte in Bayern für Proteste gesorgt. Bei Demonstrationen in München gingen Zehntausende auf die Straße. Kritiker bemängeln, die Polizei erhalte durch die Neuordnung Kompetenzen, die bisher nur Geheimdienste hätten. Und zu diesen Kritikern gehören die drei Fraktionsführer, die für rund ein Drittel der Abgeordneten im Bundestag sprechen. Christian Lindner bezeichnet das Gesetz als "Angriff auf die Freiheit". Und spielte mit den Worten "wir brauchen keine Geheimpolizei" auf die mögliche Vermischung von Nachrichtendiensten und Polizei an.

Tatsächlich erweitert die Gesetzesnovelle die Befugnisse der Polizei erheblich. Konkret geht es um den Begriff "drohende Gefahr", der immer wieder als sehr diffus kritisiert wurde. Gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass von einer Person eine Gefahr ausgehen könnte, kann der- oder diejenige für bis zu drei Monate in Gewahrsam genommen werden. Ein Richter kann danach weitere drei Monate anordnen - im Prinzip beliebig oft. Der Staatsrechtler Thorsten Kingreen, der die Klage vorbereitet hat, sagt, die Polizei könne Personen "ohne Verteidigung oder Pflichtverteidigung so lange festhalten", wie sie wolle. "Ohne Möglichkeit zur Rechtsbeschwerde, ohne Pflichtverteidiger." Er sagt: "Wenn Sie tatsächlich eine Tat begangen haben, stehen sie möglicherweise besser da, weil sie dann wenigstens einen Verteidiger haben."

Zusammenarbeit auch in Zukunft?

Aber hat die Polizei mit der Argumentation "Gefahr im Verzug" nicht schon eine ähnliche Handhabe? Kingreen sagt, um auf diese Weise jemanden in Gewahrsam nehmen zu können, müssten Ort, Zeit und Tat sehr konkret benannt worden sein. Ausnahmen würden islamistische Gefährder bilden, weil man da wisse, "dass er möglicherweise irgendwann und irgendwo etwas tut". Aber eben diese Ausnahme solle jetzt zur Regel werden. "Das Polizeiaufgabengesetz etabliert den Generalverdacht", sagt Göring-Eckardt. "Es erinnert mich an die DDR."

Kann die Allianz der drei Oppositionsparteien möglicherweise Schule machen für die Zukunft? Göring-Eckardt relativiert: Wenn es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gebe, sei das die eine Sache, "komplizierter wäre es sicherlich gewesen, wenn wir drei uns gemeinsam auf ein Gesetz geeinigt hätten". Hinsichtlich der Landtagswahl in Bayern, in deren Vorfeld immer wieder über eine Koalition zwischen der CSU und den Grünen spekuliert wird, sagt die Grünen-Fraktionschefin, dass das Polizeiaufgabengesetz "in potentiellen Regierungsgesprächen sicherlich eine Rolle spielen" werde. In diesem Fall müsse das Bürgerrecht "ganz offensichtlich vor der CSU geschützt werden". Und auch bei der FDP wird eine mögliche Koalition an Verhandlungen um das Gesetz geknüpft: FDP-Landtagsspitzenkandidat Martin Hagen hat eine Nachbesserung des Gesetzes bereits zur Bedingung für eine Zusammenarbeit mit der CSU gemacht.

Mit der Gesetzesnovelle hatte die CSU-Staatsregierung die Befugnisse der Polizei zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit erweitert. Zuvor gab es bereits 2017 eine Verschärfung. Es ist nicht die erste Verfassungsklage gegen die Neuerungen: Grüne, SPD und FDP in Bayern gehen ebenfalls gerichtlich dagegen vor.

Quelle: ntv.de

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