
Christian Lindner und Robert Habeck geraten mal wieder aneinander. (Archivbild)
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Der Zeitplan für das Heizungsgesetz steht wegen der FDP nur noch auf sehr wackeligen Beinen. Wirtschaftsminister Habeck ist entrüstet und sieht damit auch andere Koalitionsvereinbarungen in Frage gestellt. Die SPD will den Streit herunterkochen - die Union hofft aufs Gegenteil.
Nachdem die FDP die erstmalige Lesung des geplanten Heizungsgesetzes im Bundestag in der laufenden Woche verhindert hat, ist der Ärger in der Koalition groß. Dass das Gesetz nun nicht in dieser Woche im Parlament beraten wird, sei "ein Wortbruch gegenüber der Vereinbarung, die wir nach dem Koalitionsausschuss getroffen haben", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. "Ich nehme zur Kenntnis, dass die FDP sich nicht an das gegebene Wort hält."
Anders als von SPD und Grünen vorgesehen, wackelt eine Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) bis zum Sommer. Für Habeck steht damit das Gesamtergebnis des Koalitionsausschusses vom März infrage. Damals hatten sich die drei Ampel-Parteien in einer rund 30 Stunden langen Sitzung auf mehrere Vorhaben geeinigt, von der Planungsbeschleunigung im Verkehr bis zum Klimaschutzgesetz. "Das Gebäudeenergiegesetz ist dort ein wesentlicher Bestandteil und auch die zeitnahe Verabschiedung und die gegebene Vereinbarung ist heute nicht gehalten worden", sagte der Grünen-Politiker.
Grüne im Angriffsmodus
Die Darstellung des Streits als eine Angelegenheit zwischen Grünen und Liberalen wies Habeck zurück. Die SPD inklusive Bundeskanzler Olaf Scholz habe sich sehr für das GEG eingesetzt. "Ich habe null Zweifel daran, dass Olaf Scholz dafür arbeitet, dass diese Beschlüsse auch umgesetzt werden (...). Aber das hat die FDP offensichtlich nicht beeindruckt." Es gehe um die Frage, "wenn man in eine Regierung geht und ein Wort gibt, steht man zu dem Wort?"
Nachdem die FDP sowohl den Umgang Habecks mit der Trauzeugen-Affäre seines geschassten Staatssekretärs Patrick Graichen als auch das Gebäudeenergiegesetz teils mit scharfen Worten kritisiert hatte, nahm Habeck den Streit ums GEG zum Anlass für einen Gegenangriff. Der "Wortbruch" reiht sich ein in die Reaktionen anderer Grünen-Spitzenvertreter, die von "Blockadehaltung" und "Arbeitsverweigerung" der FDP sprachen.
Mützenich erkennt keine "Blockade"
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mühte sich am Dienstagnachmittag die Emotionen herunterzukochen. "Jeder muss selbst die Begriffe finden, die er für angemessen und verantwortbar hält. Ich erkenne keine Blockade, ich erkenne Diskussionsbedarf", sagte Mützenich mit Blick auf die FDP. "Streit ist ein großes Wort, wir diskutieren derzeit verschiedene Wege." Er lud Abgeordnete aller Regierungsparteien dazu ein, sich auch schon in den kommenden Tagen mit dem Kabinettsentwurf zu befassen, um diesen im Sinne aller drei Fraktionen zu verbessern.
Sollte es gelingen, die erste Lesung nun in der nächsten Sitzungswoche Mitte Juni abzuhalten, könnte die GEG-Novelle in der zweiten Septemberwoche durch den Bundesrat verabschiedet werden, rechnete Mützenich mit Blick auf die Fristen im Gesetzgebungsverfahren vor. Allerdings konnte Mützenich nicht darlegen, wie eine Einigung noch gelingen kann, wenn die FDP eine grundlegende Überarbeitung des großen Heizungstausches fordert.
Zudem widersprach Mützenich der Darstellung des FDP-Fraktionsvorsitzenden, dass der Kabinettsentwurf in der an den Bundestag übermittelten Fassung gar nicht die Zustimmung der FDP habe. "Ich kann der Schlussfolgerung meines Kollegen so nicht folgen", sagte Mützenich. Seines Wissens habe das Bundeskabinett dem Gesetz einstimmig zugestimmt.
Konflikte allenthalben
Derzeit ist nicht absehbar, wie die Ampel-Koalition bei der Wärmewende doch noch zu einer Einigung kommen könnte. Die Grünen drohen recht unverblümt, auch andere geeinte Vorhaben in Frage zu stellen, etwa die Planungsbeschleunigung auch für Autobahnneubauten oder die Reform des Klimaschutzgesetzes. Dieses soll eine Verrechnung der Emissions-Einsparziele in den verschiedenen Sektoren ermöglichen, worauf insbesondere FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing wartet. Nachdem der Verkehrssektor seine Klimaziele erneut gerissen hat, müsste Wissing andernfalls schleunigst ein Sofortprogramm vorlegen.
Die Ampel blockiert sich derzeit aber auch an diversen anderen Stellen, etwa bei der Kindergrundsicherung, der nationalen Sicherheitsstrategie und - besonders heikel - dem Haushalt für das kommende Jahr. Mützenich forderte Bundesfinanzminister Christian Lindner erneut auf, dem Bundestag bis zur Sommerpause einen Haushaltsentwurf zukommen zu lassen.
Nächste Runde am Mittwochnachmittag
Für Oppositionsführer Friedrich Merz ist der offene Schlagabtausch zwischen den Regierungsparteien Grund zur Rüge: "Wir erleben in dieser Woche erneut Führungslosigkeit und Durcheinander in der SPD-geführten Bundesregierung", sagte der CDU-Chef und Unionsfraktionsvorsitzende. Zuvor hatte er der SPD ausdrücklich zu ihrem 160. Geburtstag gratuliert. Merz forderte erneut, das Verbot fossiler Heizungen ganz aufzugeben und die Menschen allein über einen steigenden CO2-Preis zum Umrüsten zu animieren - mit der Technologie ihrer Wahl.
Auf Wunsch der Union wird sich der Bundestag am morgigen Mittwochnachmittag dennoch mit dem Heizungsgesetz befassen. Zwar wird der Kabinettsentwurf nicht gelesen, im Rahmen einer Aktuellen Stunde sollen die Parlamentarier aber Gelegenheit zum öffentlichen Gedankenaustausch bekommen. Es wird spannend zu sehen sein, ob dann die Ampel-Parteien im Konflikt mit der Opposition ihre Reihen schließen - oder ob die Regierungsfraktionen auf großer Bühne einander attackieren.
Quelle: ntv.de, mit AFP