Nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" Hollande ruft Staatstrauer aus
07.01.2015, 21:18 Uhr
Hollande bei seiner fünfminütigen Ansprache.
(Foto: dpa)
Paris ist geschockt, Frankreich ist geschockt, Europa ist geschockt. Der Terroranschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" macht die Menschen fassungslos. In einer Rede an die Nation versucht Präsident Hollande Trost zu spenden und gibt sich kämpferisch.
Nach dem Angriff auf das Satire-Magazin "Charlie Hebdo" hat Frankreichs Präsident François Hollande für Donnerstag einen nationalen Trauertag ausgerufen. Die Landesflaggen sollen für drei Tage auf Halbmast gesetzt werden, sagte Hollande am Abend in einer Fernsehansprache. Er rief seine Landsleute auf, sich durch das Attentat mit zwölf Toten nicht spalten zu lassen: "Unsere beste Waffe ist unsere Einheit", sagte der Präsident. Mit dem Ausruf "Vive la république, vive la France!" (Es lebe die Republik, es lebe Frankreich!) beendete der Präsident seine fünfminütige Ansprache.
Zwei Bewaffnete hatten am Mittwoch die Redaktion des Magazins "Charlie Hebdo" gestürmt und bei der Redaktionskonferenz das Feuer eröffnet. Anschließend flohen sie im Auto. Sie töteten zwölf Menschen, darunter acht Journalisten und zwei Polizisten. Von den Tätern fehlt offenbar noch jede Spur.
Die Täter schlugen am späten Vormittag in dem belebten Viertel zu. Eine Nachbarin hörte ohrenbetäubenden Lärm, glaubte an einen Film. Schüsse aus den Schnellfeuerwaffen der Terroristen hallten durch die engen Straßen. Menschen flohen aus einem Gebäude über ein Dach in Sicherheit. Viele Anwohner waren verängstigt. Im Internet kursierten rasch Videos, die die ganze Kaltblütigkeit der Täter belegen. Eine der Aufnahmen scheint die Erschießung eines bereits am Boden liegenden Polizisten zu zeigen.
Nach dem Anschlag riefen die Terroristen mehrfach "Allah ist groß". Nach Augenzeugenberichten sollen sie zudem "Wir haben den Propheten gerächt" gerufen haben. Bei dem Anschlag auf das islamkritische Magazin wird die Redaktion im Mark getroffen. Unter den Opfern sind die bekanntesten Zeichner des Satireblattes, auch der als Charb bekannte Zeichner und Redaktionsleiter Stéphane Charbonnier.
Tausende solidarisieren sich
Präsident François Hollande forderte die Franzosen auf, angesichts des Terrors zusammenzustehen. Noch unter dem Eindruck der schockierenden Bilder entwickelt sich rasch eine Gegenbewegung. Die Fahnen am Élyséepalast und anderen offiziellen Einrichtungen wehen auf Halbmast.
Auf Straßen, an Plätzen, im Internet rollt eine Welle der Solidarität an. "Je suis Charlie" steht auf den Schildern einer Gruppe Journalistikstudenten, die sich nahe des Tatorts versammeln. "Ich bin Charlie" ist auch das Motto einer Demonstration, zu der Pariser sich noch am späten Nachmittag am Platz der Republik versammeln, nicht weit vom Tatort. Auch in Berlin solidarisieren sich Hunderte mit den Opfern.
Führende religiöse Vertreter Frankreichs verurteilen den Terroranschlag gegen das islamkritische Magazin "Charlie Hebdo". Dalil Boubakeur vom islamischen Dachverband in Frankreich CFCM sprach von einem "Schlag gegen die Gemeinschaft der Muslime". Vertreter von Christen, Muslimen und Juden waren zuvor bei Präsident François Hollande im Élyséepalast. Sie kündigten für diesen Donnerstag ein Treffen an, um sich auf eine gemeinsame Initiative zu verständigen.
Bereits vor Weihnachten hatten drei Einzeltäter für Angst und Schrecken in Frankreich gesorgt. In Dijon war ein psychisch kranker Mann unter "Allah-ist-groß"-Rufen an fünf verschiedenen Stellen in Passantengruppen gefahren und hatte 13 Menschen verletzt. Im zentralfranzösischen Joué-lès-Tours erschossen Polizisten einen Mann, der mit "Allahu-Akbar"-Rufen ein Kommissariat gestürmt und mit einem Messer drei Beamte verletzt hatte. In Nantes starb ein Mensch, als ein Mann mit einem Kleinlaster in einen Glühweinstand fuhr.
Frankreich ist nicht zufällig im Visier islamistischer Terroristen. In Mali kämpfen französische Truppen seit zwei Jahren gegen Extremisten, die im Norden des Landes ein Kalifat errichten wollten. Im Irak bombardieren französische Jagdflugzeuge an der Seite der USA die Terrormiliz Islamischer Staat. Erst vor wenigen Wochen konnte die letzte französische Geisel aus den Händen von Islamisten befreit werden. Nach dem Attentat wurde die Terrorwarnung für den Großraum Paris auf die höchste Stufe gesetzt. Vor Medienhäusern wurden Polizeiwagen sichtbar platziert. Beamte klapperten einzelne Redaktionen ab: "Lassen Sie im Zweifel keinen rein!"
Frankreich musste jederzeit mit einem schweren Anschlag rechnen. Doch das Attentat trifft das Land in einer besonders schwierigen Phase. Selten gingen die Franzosen so pessimistisch ins neue Jahr. Die Wirtschaft kommt nicht aus der Krise, Reformen sind umstritten und die Regierung ist unpopulär wie kaum eine vor ihr.
Quelle: ntv.de, vpe/AFP/dpa