Politik

SPD droht Wahldesaster Martin Schulz - der rote Don Quijote

Martin Schulz muss auf ein Wunder hoffen.

Martin Schulz muss auf ein Wunder hoffen.

(Foto: imago/Becker&Bredel)

Jüngste Umfragewerte verheißen nichts Gutes: Martin Schulz wird wohl den Einzug ins Berliner Kanzleramt verpassen. Anders als zu Willy Brandts Zeiten verfängt der SPD-Wahlkampf aus der Großen Koalition heraus beim Wähler nicht.

Martin Schulz ist wahrlich nicht zu beneiden. Der SPD-Kanzlerkandidat zieht im Wahlkampf sämtliche Register, um seine Partei in den Umfragewerten hochzuholen. Er tourt über die Marktplätze, argumentiert in TV-Sendungen, kritisiert seine Hauptgegnerin Angela Merkel, macht seinen Mitstreitern Mut. Er gibt wirklich alles, um eine drohende SPD-Wahlpleite noch abzuwenden. Dennoch ist ein Einzug ins Kanzleramt in so weiter Ferne wie ein Sechser im Lotto plus Superzahl. Schulz erinnert an den traurigen Ritter Don Quijote, der in Miguel de Cervantes' Roman erfolglos gegen die Windmühlen ankämpft.

Dabei könnten die Sozialdemokraten ihrem 22-bis-25-Prozent-Gefängnis durchaus entfliehen - allerdings führt der Weg nach unten. So verheißt die jüngste Umfrage von Infratest dimap nichts Gutes: Sie bekommt nur noch 20 Prozent. Der SPD droht beim Wahlergebnis nun sogar eine Eins als linke Ziffer. Zwar liegen die SPD-Werte bei Umfragen anderer Institute etwas höher, sie sind dennoch unterirdisch für Schulz und die Genossen.

Keine Wechselstimmung

Großkoalitionäres "Duell" am 3. September.

Großkoalitionäres "Duell" am 3. September.

(Foto: REUTERS)

Die von den Roten nach der langen Kanzlerschaft Merkels erhoffte Wechselstimmung erweist sich als Wunschdenken. Und diese Hoffnung ist auch im Nachhinein naiv, denn die SPD war schließlich in acht der zwölf Merkel'schen Regierungsjahre Juniorpartner. Dementsprechend werden Forderungen, wie die nach mehr Gerechtigkeit, vom Wähler als unglaubwürdig eingestuft. Zu tief sitzt auch noch der Stachel der Hartz-IV-Reform, für die die SPD verantwortlich ist. Da hilft den Sozialdemokraten auch die Rente mit 63 für Menschen mit 45 Beitragsjahren und die Einführung des Mindestlohns nichts, denn diese sozialdemokratischen Errungenschaften heften sich Merkel und die Union ebenfalls ans Revers. Auch das Flüchtlingspolitik-Fass, das Schulz aufmacht, kommt der SPD nicht zugute. Im Gegenteil: Die AfD, die laut Infratest dimap mit 12 Prozent nur noch 8 Prozentpunkte hinter den Sozialdemokraten auf Platz drei rangiert, ist die große Nutznießerin.   

Sogar eine zunehmende Selbstzufriedenheit der Kanzlerin, die sich gerade einmal für anderthalb Stunden zu einem TV-Duell mit Schulz herablässt, bringt die SPD nicht aus dem Umfragetief. Von Wechselstimmung keine Spur. Schlimmer noch: Schulz bekommt sogar noch Beileidsbekundungen wie vom Schauspieler und Komiker Dieter Hallervorden, der aus seiner Nähe zur FDP keinen Hehl macht: "Mir tut Martin Schulz einfach leid. Weil er mit so viel Vorschusslorbeeren gekürt worden ist. Er ist wie eine Rakete steil nach oben geschossen und sehr, sehr schnell verglüht. Das muss schon sehr deprimierend sein."

Anti-Kohl-Zweckgemeinschaft: Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder.

Anti-Kohl-Zweckgemeinschaft: Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit der Wechselstimmung ist es in Deutschland ohnehin so eine Sache. Die Bundesrepublik hatte seit 1949 gerade einmal acht Bundeskanzler. Das zeugt von einer gewissen Sehnsucht der Deutschen nach politischer Kontinuität. Einen reinen, von den Wählern herbeigeführten echten politischen Regierungswechsel gab es eigentlich nur 1998, als sie Helmut Kohl nach 16 Kanzlerjahren überdrüssig waren und dessen christlich-liberale Koalition in die Opposition schickten. Die Union verlor massiv, die SPD stellte mit ihrem Wahlkampfgespann Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine zum zweiten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte die stärkste Bundestagsfraktion. Vorausgegangen war allerdings eine von Lafontaine geschickt organisierte Blockadehaltung im Bundesrat, die es der abgewirtschafteten Kohl-Regierung unmöglich machte, Reformen umzusetzen. Die wegen der instabilen Mehrheitsverhältnisse im Zusammenhang mit den Arbeitsmarkt- und Sozialreformen der rot-grünen Schröder-Regierung vorgezogene Bundestagswahl 2005 führte zu keinem Richtungswechsel, sondern zur Großen Koalition.  

Brandt übersteht Große Koalition unbeschadet   

Eine weitere Wechselstimmung gab es zu Beginn der 1980er-Jahre. Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit hätten das Ende der sozialliberalen Koalition von Bundeskanzler Helmut Schmidt bei der für 1984 geplanten Bundestagswahl bedeutet. Die FDP mit Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff an der Spitze kam dem allerdings aus Gründen des Machterhalts zuvor und ging dem Hamburger von der Fahne. Schmidt wurde am 1. Oktober 1982 im Bundestag durch ein Konstruktives Misstrauensvotum gestürzt, die Wahl im Frühjahr 1983 gewann die Union von Schmidt-Nachfolger Helmut Kohl haushoch. Der Pfälzer koalierte dann mit den Liberalen.      

Willy Brandt (hier 1969 mit Walter Scheel) schaffte den Sprung aus der Großen Koalition ins Kanzleramt.

Willy Brandt (hier 1969 mit Walter Scheel) schaffte den Sprung aus der Großen Koalition ins Kanzleramt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nun kommen die Sozialdemokraten aus der Großen Koalition: Sie haben in der Vergangenheit mitnichten nur schlechte Erfahrungen als Juniorpartner gemacht. Nach drei Jahren schwarz-roter Regierung unter CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger ging die SPD bei der Bundestagswahl 1969 mit 42,7 Prozent (1965: 39,3) sogar gestärkt hervor. Die Union stellte mit 46,1 Prozent (1965: 47,6) zwar weiter die stärkste Fraktion, und Kiesinger rechnete mit der Fortsetzung seiner Kanzlerschaft - gemeinsam mit der FDP. Doch die bei der Wahl geschwächten Liberalen mit ihrem Parteichef Walter Scheel - sie schafften mit 5,8 Prozent mit Ach und Krach den Einzug ins Parlament - entschieden sich für Willy Brandts Neue Ostpolitik und verhalfen dem bisherigen Außenminister zum Einzug ins Bonner Kanzleramt.

Die Zeiten waren andere: Obwohl sie drei Jahre lang gemeinsam regierten, unterschieden sich Union und SPD damals vor allem in der Außenpolitik mehr, als es heute der Fall ist. Und auch das Personal dies- und jenseits des Volksparteiengrabens gab sich gegenseitlich unversöhnlicher.

Fast 50 Jahre danach hat sich die Situation geändert. Die Union wildert während Merkels Kanzlerschaft in sozialdemokratischen Gefilden. Die Unterschiede zwischen Union und SPD sind für den deutschen Wähler auf vielen Gebieten nur noch mit der Lupe zu finden. Für den roten Don Quijote Schulz geht es eigentlich nur noch um Schadensbegrenzung. Nach derzeitigem Stand wäre es für ihn schon ein Erfolg, wenn er mit seiner SPD die 25,7 Prozent von Peer Steinbrück von vor vier Jahren erreichen würde. Die Kanzlerschaft gehört für Schulz in das Reich der Fabeln und die SPD in die Opposition.

Quelle: ntv.de

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