CDU-Parteitag in Karlsruhe Merkel kommt mit Gürtel und Hosenträgern
14.12.2015, 08:39 Uhr
Merkel hat doppelt vorgesorgt.
(Foto: dpa)
Teile der CDU-Basis wollten die Kanzlerin zur Umkehr zwingen. Doch die hat sich abgesichert, mit einem Kurswechsel rechnet keiner mehr. Wie hat Merkel das nur wieder gemacht?
Klar, Parteitage sind unberechenbar. Aber wenn man den Zeichen trauen kann, dann werden die CDU-Delegierten ihrer Kanzlerin an diesem Montag in Karlsruhe den Auftrag geben, ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik genau so fortzusetzen, wie sie ihn seit Monaten geht. Und das, obwohl es an der Basis brodelt, obwohl Bürgermeister und Landräte sich genötigt sehen, in offenen Briefen die Bundesregierung zu schelten, obwohl viele offenbar das Gefühl haben, dass man in der Hauptstadt gar nicht mehr versteht, welche Probleme die hohen Flüchtlingszahlen in den Kommunen verursachen.
Dabei hatten einige vermeintliche Vertreter der Parteibasis bereits einen kleinen Aufstand vorbereitet und einen "Kurswechsel" gefordert. Die Kommunalpolitische Vereinigung forderte einen möglichst umfassenden Grenzschutz, die Mittelstandsvereinigung die Kontrolle aller Einwanderer vor der Einreise und die Junge Union schloss sich der CSU-Forderung nach einer Obergrenze für Asylsuchende an.
Die Forderungen klangen nicht radikal, doch die Vorstöße wirkten wie eine Bewerbung darauf, den Widerstand gegen Merkel anzuführen. Dieser Widerstand müsste nicht die Absetzung Merkels zum Ziel haben. Wahlen stehen bei diesem Parteitag ohnehin nicht an. Aber möglich wäre, den Antrag des Bundesvorstandes zum Thema Flüchtlinge so zu verändern, dass Merkel in Bedrängnis gerät.
Wer wollte das grenzenlose Europa beschädigen?
Doch die CDU-Vorsitzende hat doppelt vorgesorgt. Zum einen inhaltlich: Die Debatte über das richtige Maß an Willkommenskultur und Abschreckung dauert ja nun schon eine Weile. Zufälligerweise hatte die CDU-Spitze ohnehin geplant, vor dem Parteitag mit sogenannten "Zukunftskongressen" durch die Lande zu ziehen und Kontakt zur Basis aufzunehmen. Wie eine Suche nach neuen Themen für eine selbstzufriedene bis ideenlose Partei wirkte das in der Planung. Stattdessen wurden die Zukunftskonferenzen zu Protestveranstaltungen, bei denen die Mitglieder ihrer Vorsitzenden ihr ganzes Unverständnis entgegenschleudern konnten. Das waren keine schönen Termine, doch sie dienten als Ventil und verringerten den Druck, der sich sonst vielleicht beim Parteitag entladen hätte.
Die Debatten liefen in etwa so: Merkels Kritiker forderten eine Schließung der Grenzen oder eine maximale Zahl an Flüchtlingen pro Jahr, nach deren Erreichen die Grenzen geschlossen werden sollten. Beides konterte Merkel stets mit dem Hinweis, sie wolle keine neuen Mauern in Europa errichten. Denn darauf liefen diese Vorschläge hinaus. Und Mauern, Zäune, Stacheldraht? Das wollten ihre Gegner nun doch nicht. In der CDU argumentiert man nicht offen gegen das grenzenlose Europa.
Dennoch gab es nicht nur an der Basis Widerstand gegen Merkel, auch im CDU-Vorstand und in der Bundesregierung gibt es nach wie vor abweichende Meinungen. Die CDU-Landesvorsitzende aus Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, betont im Gegensatz zu Merkel immer wieder die Probleme, die sich bei der Integration von integrationsunwilligen Flüchtlingen ergeben würden. Und Bundesinnenminister Thomas de Maizière ließ beim Thema Familiennachzug erkennen, dass er eine deutlich andere Position hat als Merkel.
Interne Kritiker stellen Leitantrag vor
Für Klöckner wäre es allerdings viel zu früh, Merkel herauszufordern. Sie muss erst einmal ihre Landtagswahl bestehen. Und für de Maizière ist es zu spät. Der einstige Anwärter auf eine Kanzlerkandidatur wird für einige Fehler im Management der Flüchtlingslage verantwortlich gemacht.
Für Merkel war es darum ungefährlich und sozusagen ihre zweite Absicherung, die beiden vorzuschicken, um den Antrag des Bundesvorstandes vorzustellen. Mit dabei war auch der baden-württembergische Vorsitzende Thomas Strobl, ebenfalls ein Vertreter der konservativen Strömung in der Partei. Im Entwurf des Antrags fand sich dann zwar viel konservative Rhetorik, jedoch kein inhaltliches Zugeständnis an die Zweifler. Der Jungen Union reichte das. Von Obergrenzen will sie nichts mehr wissen.
Am Sonntag vor dem Parteitag simulierte der Vorstand dann ein weiteres Entgegenkommen: "Wir sind entschlossen, den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch wirksame Maßnahmen spürbar zu verringern", heißt es nun. "Denn ein Andauern des aktuellen Zuzugs würde Staat und Gesellschaft, auch in einem Land wie Deutschland, auf Dauer überfordern." Das ist deutlich, entspricht aber exakt dem, was Merkel seit Monaten kundtut. Gleiches gilt für die Feststellung, dass Grenzkontrollen derzeit unverzichtbar sind. Die Vorsitzenden von kommunalpolitischer Vereinigung, Mittelstandsvereinigung und Junger Union zeigten sich trotzdem zufrieden. Damit gibt es nun weder einen formulierten Gegenvorschlag zu Merkels Kurs, noch gibt es Führungsfiguren, die sich gegen sie stellen.
Quelle: ntv.de