Lehren für die Zukunft Merkel und Hollande gedenken in Verdun
29.05.2016, 15:49 Uhr
In Deutschland gilt Verdun als Sinnbild für den Schrecken des Krieges, in Frankreich wird eher an die erfolgreiche Abwehr der deutschen Invasoren erinnert. Vor Ort mahnen Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande eine gemeinsame Erinnerung an.
Hundert Jahre nach der Schlacht von Verdun haben der französische Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel der Kriegstoten gedacht und die deutsch-französische Freundschaft gewürdigt. Verdun stehe "für unfassbare Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges wie auch für die Lehren daraus und die deutsch-französische Versöhnung", sagte Merkel im Rathaus der lothringischen Stadt an der Seite Hollandes.
"Erbittert kämpften hier vor 100 Jahren Franzosen und Deutsche gegeneinander", sagte Merkel. Verdun sei "eine der fürchterlichsten Schlachten, die die Menschheit erlebt hat". Verdun sei aber auch ein Symbol für die deutsch-französische Freundschaft. Merkel sagte, es sei "alles andere als selbstverständlich", dass ihr ein so freundlicher und freundschaftlicher Empfang bereitet werde.
Während der Erste Weltkrieg aus unterschiedlichen Gründen in der deutschen Erinnerungskultur keine große Rolle spielt, ist er in Frankreich noch sehr präsent. Die Szene von 1984, als der damalige Präsident François Mitterrand und der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl Hand in Hand auf dem Soldatenfriedhof von Douaumont standen, war für die französische Öffentlichkeit daher viel beeindruckender als für die deutsche.
"Wir haben uns versöhnt"

"Diese Geste mit der Hand war nicht abgesprochen, sie ist in der Situation entstanden", sagte Kohl später über die Szene mit Mitterrand.
(Foto: dpa)
Kohl und Mitterrand begingen seinerzeit den 70. Jahrestag des Beginns der Kämpfe bei Verdun. Das Foto, das die beiden Staatsmänner zeigt, wurde zu einem Symbol der Freundschaft zwischen den einstigen "Erbfeinden". Heute erinnert eine Gedenkplatte vor dem Gebeinhaus an diesen Moment. Darauf steht: "Wir haben uns versöhnt. Wir haben uns verständigt. Wir sind Freunde geworden."
In dem Gebeinhaus von Douaumont lagern die sterblichen Überreste von 130.000 nicht identifizierten französischen und deutschen Soldaten, die in der Hölle von Verdun ums Leben gekommen sind. Insgesamt starben bei den Kämpfen mehr als 300.000 Soldaten.
Auch Merkel erinnerte an das Ereignis von 1984. Das Bild habe sich "tief in das Gedächtnis unserer Nationen eingebrannt". Hollande sagte, Verdun stehe für das "Schlimmste", aber auch das "Beste" in der Geschichte Europas. Die Stadt beschränke sich nicht auf einen "Totenkult", sondern betreibe eine wahre "Friedensmission". Das sei der "Geist von Verdun". In der französischen Erinnerungskultur steht Verdun vor allem für die erfolgreiche Abwehr der deutschen Invasoren.
Inszenierung mit Jugendlichen
Merkel und Hollande überreichten dem Bürgermeister von Verdun, Samuel Hazard, den diesjährigen Adenauer-de-Gaulle-Preis, der Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft auszeichnet. Die Bundeskanzlerin mahnte eine intensive Erinnerungsarbeit an: "Wir alle sind dazu aufgerufen, Erinnerung auch künftig wach zu halten. Denn nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Lehren aus ihr ziehen und damit dann eine gute Zukunft gestalten."
Mit einer ganzen Reihe von Zeremonien erinnerten Hollande und Merkel heute an die Schlacht von Verdun. Am Vormittag legten sie bei regnerischem Wetter zunächst an dem nahe Verdun gelegenen deutschen Soldatenfriedhof von Consenvoye einen Kranz nieder. Nach dem Besuch des Rathauses von Verdun legten Merkel und Hollande auch an einem Denkmal in der Stadt einen Kranz nieder, liefen bejubelt von zahlreichen Schaulustigen durch die Stadt und ließen zusammen mit Kindern und Jugendlichen weiße Luftballons mit dem Symbol der Friedenstaube in die Luft steigen.
Im Anschluss an ein Arbeitsessen mit Beratungen über Themen wie die Flüchtlingskrise und den drohenden Austritt Großbritanniens aus der EU steht ein Besuch der Gedenkstätte von Verdun an, zusammen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz.
Die Hauptzeremonie ist dann am Nachmittag vor dem Beinhaus von Douaumont geplant. 3400 Jugendliche aus Deutschland und Frankreich sollen an einer Inszenierung des Regisseurs Volker Schlöndorff teilnehmen. Anschließend wollen Merkel und Hollande im Beinhaus eine "Flamme der Erinnerung" entzünden.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP