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Neue EU-Fraktion gegen Kiew Putin trennt Orbans "Patrioten" vom Rest der Rechtsradikalen

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Putin (r) zeigte sich hocherfreut über das Treffen mit dem vermeintlichen Friedensstifter Orban.

Putin (r) zeigte sich hocherfreut über das Treffen mit dem vermeintlichen Friedensstifter Orban.

(Foto: picture alliance/dpa/POOL)

Ungarns Ministerpräsident Orban erfüllt sich einen Traum durch die Gründung seiner Fraktion im EU-Parlament. Seine "Patrioten für Europa" setzen sich für einen Diktatfrieden in der Ukraine ein - ganz nach dem Geschmack von Präsident Putin. Damit isolieren sie sich von den anderen Rechten in der EU.

Viktor Orban, der Friedensstifter. Dieses Narrativ versucht Ungarns Ministerpräsident seit Tagen zu nähren. Zuerst begibt er sich auf eine von ihm sogenannte "Friedensmission" nach Kiew, Moskau und Peking, um angeblich eine Lösung für den Krieg in der Ukraine zu finden. Jetzt legt Orban nach mit der Gründung einer rechtsradikalen Fraktion im Europaparlament, die sich laut ihrem Manifest für "Frieden" in Europa einsetzt. Definiert wird der faktisch wie der Diktatfrieden, den Präsident Waldimir Putin der Ukraine aufdrücken will. Mit dieser Position steht die neue Fraktion namens "Patrioten für Europa" (PfE) im rechten Spektrum des Europaparlaments weitgehend isoliert da.

Die "Patrioten" bestehen aus zwölf ultrarechten Parteien aus verschiedenen Ecken der Europäischen Union. Gründungsmitglieder sind neben Orbans Partei Fidesz die österreichische FPÖ sowie die Partei ANO des ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, der vor Kurzem aus der Fraktion der europäischen Liberalen austrat. Aus Belgien kommen die flämischen Nationalisten, aus Dänemark die Dänische Volkspartei sowie aus Spanien und Portugal die rechtsextremen Parteien Vox und Chega. Auch die radikalrechte PVV des Niederländers Geert Wilders schloss sich der Gruppe an. Die meisten Parteien kommen aus der nicht minder radikalen EU-Fraktion "Identität und Demokratie" (ID), deren Ende durch die Austritte besiegelt ist.

Auch die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen mit ihrer Partei Rassemblement National (RN) stößt zu Orbans neuer Truppe. Le Pen hatte die Neuwahlen in Frankreich abgewartet, um gemäßigte Wähler nicht mit ihrem Beitritt zu der offen EU-feindlichen und russlandfreundlichen Fraktion zu verschrecken. Fraktionschef der "Patrioten" wird der RN-Vorsitzende Jordan Bardella, der bei der Wahl am Sonntag an dem Versuch gescheitert ist, den Posten des französischen Premierministers zu ergattern. Seine Stellvertreterin in der Fraktion wird Kinga Gál, die Vorsitzende von Orbans Fidesz im EU-Parlament.

Orban sieht sich als "Werkzeug" für die ersten Schritte zum Frieden

In ihrem Manifest beschwört die neue Fraktion ein "Europa, das dem Frieden und dem Dialog verpflichtet und gleichzeitig bereit ist, sich gegen jede Bedrohung zu verteidigen". Die Forderung nach Frieden findet sich auch im letzten Satz des Pamphlets wieder. Das klingt zunächst einmal harmlos. Gegen Frieden in Europa kann kaum jemand Einwände haben.

Allerdings steht Orban Putin so nah, dass er ihm am vergangenen Freitag einen Überraschungsbesuch in Moskau abstattete. Auf X schrieb Orban dazu, er wolle als "Werkzeug" für die ersten Schritte zum Frieden in der Ukraine dienen. Putin seinerseits zeigte sich hocherfreut über das Treffen mit dem vermeintlichen Friedensstifter. Mitte Juni erklärte Putin bereits, was Frieden für ihn bedeutet: Wenn die Ukraine auf eine Mitgliedschaft in der NATO verzichtet und die vier östlichen Regionen Russland überlässt, könnte es eine Waffenruhe geben - und anschließend Verhandlungen. Das wiederum käme Kiews Kapitulation gleich. Die Ukraine lehnte das Angebot ab.

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Unter den "Patrioten" finden sich jetzt ausnahmslos Parteien, die sich gegen die militärische Unterstützung der Ukraine auflehnen. Für den grünen EU-Abgeordneten Daniel Freund ist deshalb klar, welches Ziel Orban mit seiner Fraktion verfolgt. "Letztendlich hat Orban hier ein Sammelbecken für Pro-Putin-Parteien geschaffen, die die Bühne des Europaparlaments in erster Linie dafür missbrauchen werden, um Kremlpropaganda zu verbreiten", sagt Freund ntv.de. Auch Monika Hohlmeier, Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europaparlament, warnt vor der Nähe der "Patrioten" zu Russland sowie ihrer Feindseligkeit gegenüber der EU. "Putin-Freunde, Oligarchen-Versteher und Europahasser vereint - das neue Bündnis von Orban und Le Pen ist eine Gruppierung der nationalistischen, feindseligen Art", sagt die CSU-Politikerin ntv.de.

"Patrioten für Europa" schwurbeln über "europäischen Zentralstaat"

Die Verherrlichung von Putins Politik ist genau das, was Orbans Truppe von der anderen Rechtsaußen-Fraktion der "Europäischen Konservativen und Reformer" (EKR) im Europaparlament unterscheidet. Die Nationalkonservativen in der EKR zeigen sich zum überwiegenden Teil konstruktiv bei der Ukraine-Politik und stehen geschlossen hinter der NATO. In ihrer Kritik an der EU und speziell ihrer Migrationspolitik sind sich die EKR und die "Patrioten" teilweise ähnlich, obgleich Letztgenannte auch hier radikalere Positionen vertreten. In ihrem Manifest behauptet Orbans Fraktion etwa mit verschwörungstheoretischem Geraune, dass "globalistische Kräfte, nicht gewählte Bürokraten, Lobbys und Interessengruppen, die die Stimme der Mehrheit und der Volksdemokratie verachten, planen, die Nationen zu ersetzen. Wodurch? Einen europäischen Zentralstaat."

So weit geht Georgia Meloni, italienische Regierungschefin und Vorsitzende der EKR, nicht. Bei ihrer Kritik an der EU schlägt sie zumindest rhetorisch gemäßigtere Töne an. "Wenn wir Europa und seiner Glaubwürdigkeit einen guten Dienst erweisen wollen, müssen wir zeigen, dass wir die Fehler der Vergangenheit verstanden haben und die Wünsche der Bürger berücksichtigen, die ein konkreteres, weniger ideologisches Europa fordern", sagte sie etwa vor dem EU-Gipfel in Brüssel im Juni.

Mit seiner Fraktionsgründung hat Orban Meloni ein Schnippchen geschlagen. Seine Parteienfamilie hat nämlich mehr Mitglieder als die Vorgängerin "Identität und Demokratie". Das bedeutet einen Machtgewinn, da die "Patrioten" mit 84 Abgeordneten die drittgrößte Fraktion im Europaparlament stellen. Sie verweisen Melonis EKR mit 83 Sitzen auf den vierten Platz, gefolgt von der liberalen Renew-Fraktion mit 75 Parlamentariern. Auch für Orban persönlich geht durch seine Fraktion ein Traum in Erfüllung. Über Jahre hinweg war er fraktionslos; die konservative Europäische Volkspartei (EVP), der auch CSU und CDU angehören, verbannte ihn 2019 aus ihren Reihen - wegen seines Feldzugs gegen den Rechtsstaat in Ungarn.

"Le Pen wollte Orban nicht in der ID-Fraktion"

Für Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europaparlaments, entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass auch Le Pen zuvor ausgeschlossen hatte, Orban in die Fraktion "Identität und Demokratie" aufzunehmen. "Die neue Rechtsaußen-Fraktion von Orban und Le Pen zeigt, dass Nationalisten lieber gegen- als miteinander arbeiten. Le Pen wollte Orban nicht in der ID-Fraktion, also kannibalisiert Orban diese kurzerhand durch die Gründung der 'Patriots for Europe'", sagt die SPD-Politikerin ntv.de. Eine Zusammenarbeit mit der Orban-Fraktion sei für die Sozialdemokraten ausgeschlossen, betont Barley.

Auf diese Brandmauer gegen rechts pochen auch die Grünen, die Liberalen und die EVP - sie stand schon gegen die Fraktion "Identität und Demokratie". Die "Patrioten" werden also kaum bei der Gesetzgebung mitmischen dürfen, obwohl es keinen Fraktionszwang im Europaparlament gibt. Orban und seine Mitstreiter werden aber bestimmt andere Wege finden, um die Arbeit des Parlaments zu stören und sich für ihre Version vom Frieden in Europa einzusetzen.

Quelle: ntv.de

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