Nachtragshaushalt im Bundestag "Packen Sie das Heizungsgesetz ein, dann haben Sie genug Geld"


Der Nachtragshaushalt ist der entscheidende Schritt aus der akuten Misere heraus - die gerissene Schuldenbremse soll damit "geheilt" werden.
(Foto: REUTERS)
Der Nachtragshaushalt der Ampelkoalition ist im Bundestag angekommen. Damit will Finanzminister Lindner den Verfassungsbruch "heilen", wie die Haushälter sagen. In der Debatte sind die Abgeordneten schon einen Schritt weiter.
Gut zwei Wochen nachdem das Verfassungsgericht der Ampel beinahe die Luft zum Atmen genommen hat, nimmt die Rettung des Haushalts Formen an. Die Koalition brachte am Vormittag ihren Nachtragshaushalt in den Bundestag ein, wo er in erster Lesung verhandelt wurde. Finanzminister Christian Lindner betonte, dass keine neuen Schulden gemacht würden. Sondern: "Jetzt schaffen wir Rechtssicherheit." Die Finanzierungslücke für das kommende Jahr bezifferte er erneut auf 17 Milliarden Euro.
Mit dem Nachtragshaushalt sollen dagegen die Fehler des laufenden Jahres ausgebügelt werden. Bereits gemachte Schulden bekommen nun eine neue Heimat. Bislang kamen sie in Form von Strom- und Gaspreisbremsen und Hilfe für die Flutopfer im Ahrtal aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds und dem Sondervermögen "Aufbauhilfe 2021". Da das Verfassungsgerichtsurteil nach allgemeiner Auffassung auch den WSF betrifft, musste er gesperrt und zum Jahresende geschlossen werden. Das verausgabte Geld wird jetzt in den Nachtragshaushalt verbucht. Damit bekommen diese Ausgaben wieder eine gültige Rechtsgrundlage. Dafür will und muss die Regierung noch einmal die Schuldenbremse aussetzen.
Die Sitzung war der kümmerliche Rest dessen, was eigentlich mal die Haushaltswoche werden sollte. Darin wollten die Abgeordneten die Ausgaben für das kommende Jahr debattieren. Der Haushalt hätte eigentlich schon vor zwei Wochen in der Bereinigungssitzung, auch bekannt als "Nacht der langen Messer", festgezurrt werden sollen. Doch daraus wurde nichts. Weil das Verfassungsgericht in Karlsruhe die Buchungstricks der Ampel für nichtig erklärte, musste das Budget für das laufende Jahr erst einmal "geheilt" werden, wie die Haushaltspolitiker so schön sagen.
Gedanklich schon einen Schritt weiter
Abgesehen von Lindner ließ sich im Bundestag kein Minister zu diesem eigentlich wichtigen Termin blicken. So warfen sich die Experten der Parteien die Argumente an den Kopf. Unions-Haushälter Mathias Middelberg zählte noch einmal die Vergehen der Ampel auf und erntete höhnisches Gelächter, als er sagte, jetzt müsse Zuversicht verbreitet werden. In den Regierungsfraktionen meinen viele, die Union male die Lage viel schwärzer als sie tatsächlich sei. Die SPD-Abgeordnete Wiebke Esdar nannte das sogar "staatszersetzend".
Gedanklich waren Middelberg und auch die nachfolgenden Redner aber schon einen Schritt weiter. Denn dieser Nachtragshaushalt wird durchgehen. Die Union muss dafür zwar nicht zustimmen, doch sie könnte wieder dagegen in Karlsruhe klagen. Das wird sie aber nicht tun, wie Merz bereits gesagt hat. Denn auch Unionsexperten halten diesen Nachtragshaushalt für verfassungsgemäß. Auch wenn die Begründung stutzig macht: Das ganze Jahr über erklärte Lindner, die Notlage sei vorbei und sprach von der Rückkehr zur Normalität. Um jetzt, kurz vor Weihnachten, doch noch einmal die Notlage auszurufen.
Die Schuldenbremse einhalten konnte die Ampel nur, weil sie sich mit dem Wirtschaftsstabilisierungs- und auch dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) Nebenhaushalte geschaffen hatte. So blieb der Bundeshaushalt innerhalb der Schuldenbremse, während die Milliarden aus dem WSF nur so heraussprudelten - allein 43,2 Milliarden Euro für Strom- und Gaspreisbremsen. Es war wieder ein Grünen-Politiker, der die klarsten Worte des Bedauerns über diese heute offensichtlich nicht korrekte Praxis fand: "So ging es nicht, das war ein Fehler, da gibt es nichts zu beschönigen", sagte Sven Kindler. Während Kanzler Olaf Scholz bei der Regierungserklärung am Dienstag jede Äußerung in Richtung einer Entschuldigung vermissen ließ, hatte auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge ihr Bedauern erklärt.
Ans Eingemachte geht es beim Haushalt für das kommende Jahr. Intern verhandeln die Koalitionsparteien längst, ob auch im kommenden Jahr die Haushaltsnotlage erklärt, sprich: die Schuldenbremse ausgesetzt werden soll. Grüne und SPD sind weitgehend dafür, die FDP dagegen, ebenso die Union. Sie verweisen auf hohe Steuereinnahmen. "17 Milliarden trauen Sie sich nicht zu?", ätzte CDU-Haushälter Christian Haase. "Packen Sie das Heizungsgesetz wieder ein, dann haben Sie genug Geld", riet er.
Union: "Bereit, Ihnen bei jeder Lösung zu helfen"
Middelberg forderte die Ampel ebenfalls auf, das notwendige Geld im Haushalt aufzutreiben: "Wir sind bereit, Ihnen bei jeder Lösung zu helfen, bei der Sie uns brauchen könnten", sagte er. "Das setzt voraus, dass Sie wirklich jetzt an ihren Haushalt rangehen, dass sie wirklich umschichten, dass sie wirklich ernsthaft sparen", fuhr er fort. Das lässt sich auf zwei Arten verstehen: Einmal, dass die Union womöglich nicht gegen eine erneute Ausrufung der Schuldenbremse klagt, wenn die Ampel vorher ernsthaft bei ihren eigenen Vorhaben spart.
Zum Zweiten könnte er auf ein neues Sondervermögen angespielt haben, nach dem Vorbild der Bundeswehr. Daraus könnten die Förderprojekte aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden. Die Union müsste dem aber zustimmen. Sie ziert sich zwar rhetorisch sehr in dieser Frage, schließt es aber auch nicht aus. So oder so könnte auch das eine "Lösung" sein, die Middelberg im Sinn gehabt haben könnte.
Ampelpolitiker wie Kindler oder auch Dennis Rohde von der SPD versuchten derweil die Union zu spalten. Es gebe einen Unterschied zwischen der Opposition im Bundestag und in den Ländern, sagte Rohde. Nicht nur er verwies auf Schleswig-Holstein, wo CDU-Ministerpräsident Daniel Günther schon die Haushaltsnotlage ausgerufen hat. Das hat allerdings viel mit einer tatsächlichen, idealtypischen Ursache zu tun: einer Naturkatastrophe. Gemeint ist die Ostsee-Sturmflut, die im Oktober große Schäden anrichtete.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff bangt um die Subventionen für die große geplante Intel-Chipfabrik in Magdeburg und zeigt sich ebenfalls offen für eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse auf Bundesebene. Und dann ist da noch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der sich im "Stern" sogar für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen hat - die Merz ausschließt. Einig dürften sich alle Redner zumindest in einem Punkt sein: Die Zeit drängt. Bis zum neuen Jahr sollte ein neuer Haushalt stehen.
Quelle: ntv.de