Politik

Der Kriegstag im Überblick Putin rechtfertigt Invasion als Erstschlag - Macron dämpft ukrainische Hoffnung

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Vor seiner martialischen Rede zeigt sich der russische Präsident Wladimir Putin demütig.

(Foto: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP)

Wladimir Putin schiebt in seiner Rede zum 77. Jahrestag des Kriegsendes der NATO die Verantwortung für die Ukraine-Invasion zu. Das russische Fernsehen wird zuvor von Hackern attackiert und sendet Antikriegsbotschaften. Im Osten der Ukraine versuchen russische Truppen ukrainische Kämpfer einzukesseln. Scholz und Macron fordern ein Ende der Kampfhandlungen. Ursula von der Leyen wirbt in Ungarn für einen Boykott russischen Öls. Der 75. Kriegstag im Überblick.

Putin rechtfertigt Invasion als "Erstschlag"

Russlands Präsident Wladimir Putin macht der NATO erneut Vorhaltungen, Russland bedroht zu haben. In einer Rede zum 77. Jahrestag des Sieges über Nazideutschland warf er dem westlichen Bündnis vor, dass eine "völlig inakzeptable Bedrohung" für Russland stattgefunden habe. "Die Gefahr stieg von Tag zu Tag." Die einzige Lösung für Russland sei ein Erstschlag gegen die Aggression gewesen, so Putin.

Alle Pläne werden erfüllt

Putin äußerte sich auch im Anschluss an die Militärparade optimistisch über die Invasion der russischen Armee in der Ukraine. "Die Jungs verhalten sich mutig, heldenhaft, professionell. Alle Pläne werden erfüllt, das Ergebnis wird erreicht werden", sagte Putin der Nachrichtenagentur Interfax zufolge im Gespräch mit dem Vater eines getöteten prorussischen Separatisten aus der Ostukraine. "Daran besteht kein Zweifel", betonte Putin.

Russisches Fernsehen zeigt Antikriegsbotschaften

Dabei verlief der Morgen aus Putins Sicht eher unglücklich. Zunächst wurden offenbar Fernsehprogramme von Kriegsgegnern gehackt. Dies berichteten verschiedene Nutzer auf Twitter. Auf einem Screenshot ist der Text zu sehen: "Eure Hände sind mit dem Blut Hunderter Ukrainer und ihrer Kinder befleckt." Später erschienen auf der eigentlich kremltreuen Online-Plattform Letna.ru Putin-kritische Texte. Einer der kurzzeitig veröffentlichten Artikel trug etwa den Titel: "Putin muss gehen. Er hat einen sinnlosen Krieg losgetreten und führt Russland in den Abgrund." Insgesamt wurden rund 20 solcher Texte kurzzeitig veröffentlicht, bevor sie wieder gelöscht wurden. Zu der Protestaktion bekannten sich später zwei Redakteure des Mediums, unter anderem der Leiter der Wirtschaftsredaktion.

Zustimmung zum Krieg in Russland geht zurück

Allem Pathos zum Trotz sinkt die Zustimmung zur Invasion der Ukraine in Russland. Demnach unterstützen inzwischen nur noch 74 Prozent der Russen grundsätzlich den Militäreinsatz. Das geht aus Daten hervor, die das unabhängige russische Meinungsforschungsinstitut Lewada-Center veröffentlicht. Im April hatten noch 81 Prozent der Befragten in der Umfrage ihre Zustimmung signalisiert. Ihre "absolute Unterstützung" für den Einsatz, der in Russland nach wie vor als "militärische Spezialoperation" bekannt ist, sprechen 45 Prozent der Menschen aus. Im April lag dieser Wert noch bei 53 Prozent.

Russland will ukrainische Truppen einschließen

Derweil gehen die Kämpfe in der Ukraine weiter. Im Osten der Ukraine versuchen die russischen Streitkräfte weiter, die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk einzukreisen. Im Westen von Lyssytschansk seien drei Schwimmbrücken über einen Fluss errichtet worden, sagte der Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums, Olexander Motusjanyk. Dort werde intensiv Artillerie eingesetzt und aus der Luft bombardiert. Dem Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, zufolge besteht die Gefahr, dass eine Straßenverbindung zwischen Lyssytschansk und Bachmut durch die Russen gekappt werde. Parallel dazu gebe es schwere Gefechte bei russischen Vorstößen südlich von Isjum in Richtung Slowjansk sowie bei Awdijiwka im Donezker Gebiet.

Erfolge der Ukraine nördlich von Charkiw

Die vollständige Eroberung Mariupols ist Wladimir Putins Truppen bis zum 9. Mai nicht geglückt, allerdings gehen die Kämpfe rund um das Stahlwerk Asowstal weiter. Die eingeschlossenen ukrainischen Soldaten würden weiter mittels Artillerie und Panzern beschossen. Dies dokumentieren unter anderem Videos aus Sozialen Netzwerken. Nördlich der Metropole Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, versuchten ukrainische Truppen hingegen, in Richtung russischer Grenze vorzustoßen. Kürzlich hatten die Ukrainer dort mehrere Ortschaften befreien können.

EU-Ratspräsident Michel gerät unter Beschuss

Ein spontaner Besuch von EU-Ratspräsident Charles Michel in der ukrainischen Hafenstadt Odessa wurde wegen eines Raketenangriffs vorübergehend unterbrochen. Bei einem Treffen mit dem ukrainischen Premierminister Denys Schmyhal mussten die Teilnehmer Schutz suchen, da Raketen in der Region Odessa einschlugen, wie es aus EU-Kreisen hieß. "Ich kam, um den Europatag in Odessa zu feiern", schrieb Michel.

Russen wollen weiter mit Ukraine verhandeln

Ungeachtet aller Kämpfe, gehen die Friedensgespräche mit der Ukraine nach russischer Darstellung weiter. Sie seien nicht beendet worden, sondern würden aus der Ferne fortgesetzt, sagte der russische Chefunterhändler Wladimir Medinsky der Nachrichtenagentur Interfax. Die russische Regierung wirft der Ukraine vor, die Gespräche ins Stocken gebracht zu haben und Berichte über Gräueltaten russischer Soldaten zu nutzen, um die Beratungen zu untergraben. Russland bestreitet, dass es bei seinem sogenannten militärischen Sondereinsatz in der Ukraine auf die Zivilbevölkerung abzielt.

Scholz fordert Deeskalation

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht in der zurückhaltenden Rede von Kremlchef Wladimir Putin bei der Moskauer Militärparade noch keinen Fortschritt für den Ukraine-Konflikt. "Was wir erreichen wollen, ist ein Waffenstillstand, so schnell wie möglich", sagte Macron bei seinem Antrittsbesuch nach seiner Wiederwahl in Berlin. Nur damit könnten die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu einem Abschluss gebracht werden, um einen Frieden zu erreichen und in der Folge einen dauerhaften Rückzug der russischen Truppen. "Das ist unser Ziel." Man wolle der Ukraine bei Verhandlungen beistehen, über deren Bedingungen sie selber entscheide. Bundeskanzler Olaf Scholz stellte fest, es sei "wichtig, dass jetzt eine Deeskalation weiter vorangetrieben wird, jedenfalls was die Rhetorik betrifft". Es sei wichtig, dass es nach so vielen Kriegswochen nun bald entscheidende Schritte zu einer Beendigung des Konflikts gebe.

Macron dämpft ukrainische Hoffnung auf EU-Beitritt

Die Hoffnungen der Ukraine auf eine zügige Aufnahme in die Europäische Union dämpfte der französische Präsident dagegen deutlich. Das Verfahren könne "Jahrzehnte" dauern, sagte Macron vor seiner Reise nach Berlin in einer Rede im Europaparlament in Straßburg. Stattdessen plädierte er für eine verstärkte Zusammenarbeit mit Kiew. Macron schlug die Schaffung einer "europäischen politischen Gemeinschaft" für die Ukraine und andere beitrittswillige Länder vor. "Diese neue europäische Organisation würde für demokratische europäische Nationen, die sich zu unserem Wertefundament bekennen, einen neuen Raum für politische Zusammenarbeit, Sicherheit und Kooperation ermöglichen", sagte der Staatschef.

Von der Leyen hofft auf Kompromiss mit Ungarn

Ungarn ist bereits Mitglied der EU, bereitet deren Vertretern mit seiner Haltung zu einem Boykott russischen Öls jedoch derzeit Kopfzerbrechen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reiste vor diesem Hintergrund nach Ungarn. Von der Leyen wollte Premierminister Viktor Orban treffen. Verhandlungen zum nächsten Sanktionspaket der EU stecken seit Tagen fest, da Ungarn und andere Länder weitgehende Ausnahmeregeln vom geplanten Öl-Embargo fordern.

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Alle weiteren Entwicklungen können Sie in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg nachlesen.

Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP/rts

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