Politik

Der Kriegstag im Überblick Sanktionen treffen Putins Familie - NVA-Haubitzen endlich in Ukraine

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Der Norden der Ukraine soll mittlerweile fast vollständig von russischen Truppen aufgegeben worden sein. Es wird angenommen, dass diese bald im Osten der Ukraine eingesetzt werden. Die Luftangriffe dauern derweil an. Journalisten können offenbar den Verantwortlichen für die Massaker in Butscha ausmachen. In Mariupol deutet sich dagegen die gezielte Vertuschung von Kriegsverbrechen durch russische Soldaten an. Russland zahlt erstmals Auslandsschulden in Rubel statt in Dollar. Es handele sich aber nicht um einen bevorstehenden Staatsbankrott, betont der Kreml.

Russische Truppen haben sich aus Kiew und Tschernihiw zurückgezogen. Sie befänden sich in Belarus, schreibt die Pentagon-Reporterin Caitlin Doornbos auf Twitter. Entgegen der Einschätzung der USA seien die Truppen bisher nicht in die Ukraine zurückgekehrt, zitiert sie einen hochrangigen US-Verteidigungsbeamten. Dieser habe auch bestätigt, dass es derzeit keine Bodentruppen mehr um Kiew gibt, mahnt aber, dass Luftangriffe die ukrainische Hauptstadt "doch noch treffen könnten". Trotzdem befinden sich von den 130 taktischen Bataillonen, die Russland für die Invasion eingesetzt hat, nach Angaben eines hochrangigen Verteidigungsbeamten noch mehr als 80 in der Ukraine, wie "Washington Post"-Journalist Dan Lamothe auf Twitter schreibt.

Das "Institute for the Study of War" (ISW) berichtet, die aus Kiew abgezogenen Truppen würden sich derzeit in der russischen Stadt Belgorod sammeln. Die Stadt liegt rund 40 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt und damit nahe der schwer umkämpften ukrainischen Stadt Charkiw. Nach Angaben der militärischen Denkfabrik wird es einige Zeit dauern, bis sie wieder einsatzbereit sind.
Der Beschuss ukrainischer Städte geht derweil weiter. In Siewierodonezk nordwestlich der Stadt Luhansk etwa stünden zehn Hochhäuser nach russischem Beschuss in Flammen, teilt der Bezirksgouverneur von Luhansk mit. In Siewierodonezk sitzt die ukrainische Bezirksverwaltung, da Luhansk, Hauptstadt des gleichnamigen Verwaltungsbezirks, der seit 2014 unter Kontrolle von prorussischen Separatisten steht.

Dabei sollen die russischen Streitkräfte mittlerweile immer öfter den ukrainischen Luftraum meiden, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte. Sie versuchen, nicht in die Verteidigungszone unserer Luftabwehrgeschosse und unserer Kämpfer einzudringen. Stattdessen soll die russische Luftwaffe ihre Raketen inzwischen vermehrt aus belarussischem Gebiet abfeuern, teilt die ukrainische Luftwaffe mit. Aufgrund des weiterhin möglichen Beschusses rufen die Regionalbehörden die Zivilbevölkerung auf, Gebiete zu verlassen, in denen die russische Armee demnächst angreifen könnte. Das sollen vor allem Regionen im Süden und Osten der Ukraine sein.

Verantwortlicher für Massaker wohl ausfindig gemacht

Das journalistische Freiwilligenprojekt Informnapalm hat nach eigenen Angaben den russischen Kommandeur identifiziert, der für das Massaker von Butscha verantwortlich ist. Auf Twitter und Telegram teilt es mit, dass es sich um Oberstleutnant Azatbek Omurbekov handelt, den Kommandanten von Einheit 51.460 der 64. Motorisierten Schützenbrigade. Dies deckt sich mit früheren Berichten zur Frage, welche russischen Einheiten sich zur Zeit der Gräueltaten in dem Vorort von Kiew aufgehalten haben sollen. Das Freiwilligenprojekt nutzt für seine Recherchen Open Source Intelligence (Osint), also frei verfügbare Informationen aus dem Internet wie zum Beispiel Satellitenbilder.

In der eingekesselten Hafenstadt Mariupol könnten die russischen Truppen versuchen, solche Bilder toter Zivilisten zu vermeiden. Nach Angaben des Bürgermeisters Wadym Bojtschenko wollen sie die Leichen von Zivilisten in mobilen Krematorien verbrennen. Mit dieser Praxis sollen Spuren verwischt werden, teilt die Stadtverwaltung bei Telegram mit. Überprüfen lassen sich die Angaben nicht. In der Vergangenheit hat es bereits Vorwürfe gegeben, die russischen Truppen würden mobile Krematorien einsetzen, allerdings zunächst um die großer Zahl eigener Opfer durch Verbrennen der Leichen zu vertuschen. Auch das ist nicht belegt.

Besonders pikant sind Berichten, nach denen russische Soldaten zahlreiche Gegenstände, die sie gestohlen haben, in ihre Heimat zurücksenden oder auf einer Art Basar in Belarus verkaufen. Die unabhängigen russischen Journalisten von Mediazona haben ein dreistündiges Überwachungsvideo analysiert, das am 2. April in einer Zweigstelle des russischen Kurierdienstes CDEC in der belarussischen Stadt Masyr aufgenommen wurde. Darin sind insgesamt 16 Männer in russischen Armeeuniformen zu erkennen, die mehrere Stapel Briefe, Pakete und größere Kisten für den Weitertransport abgeben. In einigen Aufnahmen ist der Inhalt ersichtlich: Es handelt sich unter anderem um E-Scooter, Klimaanlagen und Taschen aus dem ukrainischen Einkaufszentrum Epicenter bei Kiew. Die meisten Pakete - 49 von 69 - wurden demnach nach Rubzowsk im südlichen Westsibirien geschickt.

Sanktionen treffen Putins und Lawrows Familie

Die USA, Großbritannien und die Europäische Union verschärfen einmal mehr die Sanktionen gegen Russland und ausgewählte Staatsbürger. Die Amerikaner sanktionieren zwei große russische Banken und die erwachsenen Kinder von Russlands Präsident Wladimir Putin und Familie von Außenminister Sergej Lawrow. Letztere tauchen auch auf Sanktionslisten der EU auf. Damit würden Einreiseverbote in die EU und das Einfrieren von Vermögen in Europa drohen. Zudem soll es unter anderem Importverbote für Kohle sowie für russisches Holz und alkoholische Getränke wie Wodka seitens der EU geben. Großbritannien wird dagegen ab kommendem Jahr weder russischen Kohle noch russisches Öl importieren. Zudem werden alle Investitionen in Russland verboten.

Ungarn will die von der EU-Kommission geplante Verschärfung der Sanktionen gegen Russland dagegen nicht mittragen. Die Ausweitung der Einfuhrbeschränkungen für Öl und Gas aus Russland sei für ihn eine rote Linie, sagt Ministerpräsident Viktor Orban. Er zeigt sich zudem bereit, für Gaslieferungen - wie von Russland verlangt - in Rubel zu bezahlen.

Russland zahlt Schulden erstmals in Rubel

Russland hat seine Auslandsschulden erstmals nur in Rubel statt in US-Dollar beglichen. Insgesamt geht es um Zahlungen für Eurobonds über 649,2 Millionen Dollar (595,3 Millionen Euro). Den eigentlich in Dollar zu zahlenden Betrag überwies das russische Finanzministerium diesmal in Rubel, nachdem eine amerikanische Korrespondenzbank sich geweigert hatte, die Zahlungsanweisung in der US-Währung auszuführen. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärt, dass es keinen Grund für einen Staatsbankrott gebe. Er beklagte jedoch, dass "erhebliche Summen unserer Reserven" im Ausland eingefroren und blockiert seien. Sollte sich daran nichts ändern, sei Russland gezwungen, auf Rubelzahlungen umzusteigen, sagte Peskow. Verabschiedete Sanktionen zeigen demnach Wirkung.

Anders sieht es bei dem geplanten Importstopp für Kohle aus Russland aus. So sieht es zumindest der Politikwissenschaftler Markus Kaim. Das Volumen der Kohleimporte nach Deutschland sei im Vergleich zu den Öl- und Gasimporten sehr gering. Dementsprechend "würde das die Kriegskassen von Wladimir Putin nicht wirklich leeren". Der Experte geht nicht davon aus, dass die Maßnahme "das Kriegskalkül" Russlands ändern würde.

Licht und Schatten bei deutschen Waffenlieferungen

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt sich zu weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine bereit. "All das, was sinnvoll ist und schnell wirkt, das wird geliefert", sagt Scholz. In Hinblick auf die Waffenlieferungen werde seine Regierung "alles, was richtig und sinnvoll ist, auf den Weg bringen". Die Lieferungen sollten zum Ziel der Bundesregierung beitragen, "dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt".

Die ukrainische Regierung wartet einem Bericht zufolge allerdings weiter darauf, dass die deutsche Regierung eine Lieferung von 100 gebrauchten Schützenpanzern freigibt. Bis Dienstagabend sei jedoch kein Signal gekommen, ob die Genehmigung erteilt werde. Es geht demnach um 100 Schützenpanzer des Typs Marder. Diese wurden von der Bundeswehr ausgemustert und bereits am 28. Februar vom deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall der Bundesregierung angeboten.

Dagegen sollen endlich die Haubitzen aus NVA-Beständen der DDR von Estland an die Ukraine übergeben worden sein. Da die Kanonen ursprünglich aus deutschen Beständen stammten, musste die Bundesregierung ihre Zustimmung zu der Lieferung geben. Damit tat sie sich lange schwer, was die Lieferung erheblich verzögerte.

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Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP/rts

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